OGH 10Ob55/18p

OGH10Ob55/18p13.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Minderjährigen S*, geboren * 2016, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters C*, vertreten durch Mag. Susanna Perl‑Böck, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Mai 2018, GZ 43 R 143/18z‑15, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123248

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Zwischen den Eltern des zweijährigen S* ist das Scheidungsverfahren anhängig (zur zwischenzeitigen Scheidung siehe ON 17). Während ihres Zusammenlebens hatten sich beide Elternteile in die Betreuung des Kindes eingebracht. Seit 2. 1. 2018 lebt die Mutter in Zwickau (Deutschland) und ist nunmehr auch in Deutschland berufstätig. Zwischen den Eltern besteht Einvernehmen darüber, dass das Kind dauerhaft beim Vater in Wien wohnhaft bleibt und er die hauptsächliche Betreuung übernimmt. Die Mutter möchte aber trotz ihrer Übersiedlung weiterhin ihre Verantwortung für das Kind wahrnehmen.

Die Vorinstanzen wiesen den Antrag des Vaters, ihm die alleinige Obsorge (sowohl vorläufig als auch endgültig) zu übertragen, ab. Rechtlich gingen sie im Wesentlichen übereinstimmend davon aus, die Aufrechterhaltung der gemeinsamen Obsorge beider Elternteile sei im Interesse des Kindes gelegen. Es sei nicht erkennbar, inwiefern die alleinige Obsorge des Vaters dem Wohl des Kindes besser entsprechen sollte.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

1.1 Nach der Rechtslage nach dem KindNamRÄG 2013 soll die Obsorge beider Eltern den Regelfall darstellen (RIS‑Justiz RS0128811). Für die Festlegung der Obsorge beider Eltern ist die Beurteilung maßgebend, ob die Interessen des Kindes auf die Weise am besten gewahrt sind; das Kindesinteresse ist dem Willen der Eltern übergeordnet.

1.2 Die Obsorge beider Eltern setzt aber nach der Rechtsprechung voraus, dass die Eltern bereit sind, sich an der Betreuung des Kindes zu beteiligen, und dazu auch in der Lage sind. Die Obsorge beider Eltern erfordert somit ein gewisses Mindestmaß an Kooperations‑ und Kommunikationsfähigkeit zwischen den Eltern und auch die Bereitschaft dazu. Es soll möglich sein, in sachlicher Form Informationen auszutauschen und Entscheidungen zu fassen. Weiters bedarf es eines gewissen Mindestmaßes an Kontakt zum Kind (8 Ob 40/15p).

2.1 Diese Grundsätze wurden von den Vorinstanzen beachtet:

Nach den Feststellungen ist die Mutter bereit, wichtige das Kind betreffende Angelegenheiten mit dem Vater abzusprechen. Sie ist für ihn über Telefon, WhatsApp, Skype, Line, Facebook sowie über drei verschiedene E‑Mail‑Adressen und auch postalisch erreichbar. Sie plant, zumindest ein Mal monatlich für ein Wochenende – falls es ihre Berufstätigkeit erlaubt – auch länger in Österreich zu verbringen, um in dieser Zeit Kontakt zum Kind zu haben. Weiters plant sie zu Terminen, die für das Kind wichtig sind, nach Österreich zu kommen. Der Vater ist bereit, mit der Mutter in diesem Sinn zu kommunizieren.

2.2 Im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Einzelfalls liegt in der Anordnung des Weiterbestehens der Obsorge beider Eltern keine Ermessensüberschreitung. Nach den Feststellungen ist von einem erforderlichen Mindestmaß einer Gesprächsbasis zwischen den Eltern auszugehen. Die Mutter wird ihren Kontakt zum Kind keineswegs nur unter Zuhilfenahme von Skype‑Telefonie, SMS‑Nachrichten etc ausüben (siehe 6 Ob 155/13g, EF‑Z 2014/41, 69 [Beck]). Dass ihren geplanten Reisen nach Wien zu den für das Kind wichtigen Terminen dann jeweils berufliche Gründe entgegenstehen werden, steht nicht fest.

3. Dem Vorbringen des Vaters in seiner Eingabe vom 16. 8. 2018, laut dem Facebook‑Account der Mutter halte sich diese seit Juli 2018 in dem – 900 km weit von Wien entfernten – Rostock (Deutschland) auf und habe dort seit 1. 8. 2018 eine Ausbildung aufgenommen, steht im Revisionsrekursverfahren auch dann, wenn es sich um eine zulässige Neuerung handelte, der auch im Außerstreitverfahren geltende Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (RIS‑Justiz RS0007007) entgegen.

4. Da eine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung des vorliegenden Einzelfalls nicht aufgezeigt wird, ist der außerordentliche Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.

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