European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00082.18B.0823.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Philip J***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Philip J***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, „Abs 2 Z 1“, Abs 4 Z 3 SMG (A./) und des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz erster und zweiter Fall SMG (B./) schuldig erkannt.
Danach hat er in W***** vorschriftswidrig
A./ Suchtgift, und zwar Kokain (enthaltend 20 % Cocain) sowie Heroin (enthaltend 0,1 % Morphin und 1,8 % 6‑Acetylmorphin), in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, wobei er die Taten gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster und zweiter Fall StGB) begangen hat und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist, und zwar
I./ Norbert H***** von Juli 2015 bis Mitte Dezember 2017 in einer Vielzahl von Angriffen 1.716 Gramm Kokain (enthaltend 343,2 Gramm Cocain) sowie 1.859 Gramm Heroin (enthaltend 1,86 Gramm Morphin und 33,46 Gramm 6‑Acetylmorphin);
II./ Andreas B***** von Februar 2016 bis Mitte Dezember 2017 70,2 Gramm Kokain (enthaltend 14,04 Gramm Cocain) sowie 21 Gramm Heroin (enthaltend 0,02 Gramm Morphin und 0,32 Gramm 6‑Acetylmorphin);
III./ Andrea Ü***** von Juli 2017 bis Anfang Januar 2018 0,8 Gramm Kokain (enthaltend 0,2 Gramm Cocain);
IV./ Haakon R***** von Juli 2017 bis Dezember 2017 20 Gramm Kokain (enthaltend 4 Gramm Cocain) sowie 40 Gramm Heroin (enthaltend 0,04 Gramm Morphin und 0,72 Gramm 6‑Acetylmorphin);
V./ Michael D***** von Juni 2017 bis Ende November 2017 in einer Vielzahl von Angriffen insgesamt 4 Gramm Kokain (enthaltend 1 Gramm Cocain) sowie 34,4 Gramm Heroin (enthaltend 0,03 Gramm Morphin und 0,61 Gramm 6‑Acetylmorphin);
VI./ Claudia N***** und Christian S***** von Juli 2017 bis Dezember 2017 in einer Vielzahl von Angriffen 21,6 Gramm Kokain (enthaltend 4,32 Gramm Cocain) sowie 3,6 Gramm Heroin (enthaltend 0,004 Gramm Morphin und 0,06 Gramm 6‑Acetylmorphin);
VII./ Martin M***** von Januar 2016 bis Dezember 2017 in einer Vielzahl von Angriffen 62,4 Gramm Kokain (enthaltend 12,48 Gramm Cocain) sowie 36 Gramm Heroin (enthaltend 0,04 Gramm Morphin und 0,64 Gramm 6‑Acetylmorphin);
B./ ab Anfang Jänner 2018 bis 11. Jänner 2018 vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge (§ 28b SMG) mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar 57,84 Gramm Kokain (enthaltend 44 Gramm Cocain) sowie 164,43 Gramm Heroin (enthaltend 0,4 Gramm Morphin und 5,8 Gramm 6‑Acetylmorphin).
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 3 und Z 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten versagt.
Die Verfahrensrüge (Z 3) zeigt mit der Kritik an der unterbliebenen Übersetzung von Zeugenaussagen in der Hauptverhandlung Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 3 StPO nicht auf. Denn die Beschwerde macht keine Verletzung einer Verfahrensvorschrift geltend, deren Einhaltung das Gesetz ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit anordnet (vgl RIS‑Justiz RS0099118).
Bleibt zu den weiteren Überlegungen des Beschwerdeführers anzumerken, dass eine analoge Anwendung des Nichtigkeitsgrundes auf (selbst) gesetzwidrige, allerdings nicht ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohte Verfahrensverstöße nicht in Betracht kommt (vgl zuletzt 11 Os 19/16b mwN; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.80). Im Übrigen wäre es den beiden Verteidigern des Angeklagten unbenommen gewesen, mit einer – gegebenenfalls aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO bewehrten – Antragstellung auf die entsprechenden Übersetzungsdienste hinzuwirken.
Die gegen den Schuldspruch A./ gerichtete Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) macht nicht deutlich, weshalb die Aussage des Zeugen Haakon R*****, wonach die Qualität beim Kokain „eher schlechter“ war (ON 63 AS 11), ein Verfahrensergebnis in Richtung eines Reinheitsgrads des Kokains von „einigen wenigen Prozentpunkten“ darstellen soll. Dessen Depositionen stehen vielmehr den Urteilsannahmen der Tatrichter – die ohnedies von gestrecktem Kokain ausgingen (US 11) – gar nicht entgegen, womit sie keiner Erörterung in den gedrängt abzufassenden (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) Urteilsgründen bedurften.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Bleibt anzumerken, dass das Schöffengericht– wie im schriftlichen Urteil zutreffend erkannt (US 14) – die zu A./ abgeurteilte Tat rechtsirrig auch § 28a Abs 2 Z 1 SMG unterstellt hat. Der zur ständigen Rechtsprechung gewordene Ansatz, welcher auf exakter Abgrenzbarkeit einzelner Grenzmengen zueinander beruht und durch den § 28a Abs 1 SMG auf diese Weise mehrfach begründet werden konnte, wurde nämlich (mit Entscheidung eines verstärkten Senats vom 15. November 2017, 12 Os 21/17f, EvBl 2018/13, 83) vom Obersten Gerichtshof aufgegeben, weil das Wort „übersteigend“ keine Begrenzung nach oben zulässt und das Wort „eine“ – anders als vor BGBl I 2007/110 – nicht mehr als Zahlwort zu verstehen ist. Demgemäß kann – soweit hier relevant – durch einmaliges Überlassen von Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge (bis zum Erreichen der in § 28a Abs 2 Z 3 SMG gezogenen Grenze) das Verbrechen nach § 28a Abs 1 SMG nur einmal verwirklicht werden (RIS‑Justiz RS0131856). Damit fällt aber hier die Grundlage für die vom Erstgericht vorgenommene Subsumtion der Tat auch nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG weg (vgl Hinterhofer/Oshidari in Hinterhofer SMG 2 § 28b Rz 28).
Amtswegige Wahrnehmung dieses Subsumtionsfehlers nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO war jedoch nicht geboten, weil dieser per se keinen Nachteil im Sinn dieser Bestimmung darstellt und das Zusammentreffen der Qualifikationen nach § 28a Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 3 SMG auch nicht als erschwerend gewertet wurde (vgl US 14). Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung nicht an die verfehlte Subsumtion gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
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