OGH 9ObA143/17w

OGH9ObA143/17w24.7.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Mag. Canan Aytekin‑Yildirim als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat *****, vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagten Parteien 1. L*****, und 2. Land Kärnten, Arnulfplatz 1, 9020 Klagenfurt am Wörthersee, beide vertreten durch Holzer Kofler Mikosch Kasper Rechtsanwälte OG in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. September 2017, GZ 7 Ra 22/17k‑27, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt am Wörthersee als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. Dezember 2016, GZ 33 Cga 163/15m‑23, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00143.17W.0724.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.638,60 EUR (darin 273,10 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision des Klägers ist entgegen dem– den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a ZPO) – Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Der bloße Umstand, dass die zu lösenden Fragen in einer Vielzahl von Fällen auftreten, bewirkt noch nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO (vgl RIS‑Justiz RS0042816 [T3]).

Die Beurteilung der Konkludenz einer Willenserklärung beziehungsweise die Schlüssigkeit eines Verhaltens hat nämlich regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung, es sei denn, es läge eine krasse Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vor, die im Interesse der Rechtssicherheit beziehungsweise der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste (vgl RIS‑Justiz RS0043253 [T8]). Dies gilt gleichermaßen für die Frage, ob durch die Gewährung einer regelmäßigen Zuwendung an Arbeitnehmer ein Entgeltanspruch als stillschweigend vereinbart angenommen werden kann sowie mit wem, etwa im Fall der Arbeitskräfteüberlassung, konkret eine solche Vereinbarung zustande gekommen ist.

3. Die Erstbeklagte ist eine Anstalt öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, der die Betriebsführung der Landeskrankenanstalten der Zweitbeklagten obliegt (§§ 2 f Kärntner Landeskranken-anstalten-Betriebsgesetzes [K‑LKABG]). Nach § 27 Abs 2 K‑LKABG ist der Vorstand der Erstbeklagten hinsichtlich aller Bediensteten mit der Wahrnehmung sämtlicher Angelegenheiten des Dienst- und Besoldungsrechts, insbesondere mit der Vertretung der Zweitbeklagten als Dienstgeber, betraut.

Wenn die Erstbeklagte mit Bediensteten einer Landeskrankenanstalt, bei denen es sich nach § 39 Abs 4 K‑LKABG um Landesbedienstete handelt, eine Regelung über eine Beteiligung an einer Ambulanzgebühr trifft, ist nach Auffassung des Berufungsgerichts grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass sie diese Vereinbarung im eigenen Namen trifft, sondern nur in Vertretung der Zweitbeklagten. Dies ist nicht zu beanstanden.

4. Richtig verweist die Revision zwar darauf, dass nach der Rechtsprechung es nicht nur dem Dienstgeber, sondern auch dem, dem die Dienstleistungen zugute kommen, frei steht, zur besonderen Motivation und besseren Rekrutierung von Arbeitnehmern zusätzliches Entgelt zuzusagen und zu leisten (vgl 8 ObA 332/94).

Im vorliegenden Fall bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erstbeklagte gegenüber den Dienstnehmern der Zweitbeklagten eine eigene Verpflichtung eingehen wollte. Eine schriftliche Vereinbarung mit den betroffenen Dienstnehmern besteht nicht. Die Ambulanzgebührenbeteiligung bestand schon vor Gründung der Erstbeklagten und wurde damals von der Zweitbeklagten geleistet. Die Überweisung erfolgte auch später mit dem übrigen Gehalt, wobei die Ambulanzgebühr auf den Abrechnungsbelegen als eine Lohnart unter anderem (wie etwa Grundgehalt, Erschwerniszulage, Arztgebühr, Überstunden) ausgewiesen wurde. Wer die Auszahlungsbeträge errechnete und von welchem Konto sie bezahlt wurden, ist – wie das Berufungsgericht richtig darlegte – irrelevant. Der Kläger behauptet selbst nicht, dass diese Umstände in irgendeiner Form den Dienstnehmern kommuniziert wurden. Dass die Zahlung des als Summe der Bezüge errechneten Auszahlungsbetrags von unterschiedlichen Stellen erfolgt, ergibt sich jedenfalls nicht aus den Abrechnungsbelegen.

In den von der Erstbeklagten erlassenen Richtlinien wurde ausschließlich aufgrund einer Änderung der Vereinbarung mit den Sozialversicherungen die Quotenberechnung modifiziert. Dass damit eine eigene Verpflichtung eingegangen werden sollte, lässt sich weder aus dem Inhalt der Richtlinie, noch aus dem Umstand, dass eine solche erlassen wurde, ableiten. Auf die Kenntnis der Dienstnehmer vom genauen Inhalt der Richtlinie kommt es daher nicht an.

Allein dass die Ambulanzgebühr (so wie auch andere Einnahmen aus dem Krankenanstaltenbetrieb) von der Erstbeklagten vereinnahmt wird, lässt nicht den Schluss zu, dass sie mit den Dienstnehmern der Zweitbeklagten für während der Dienstzeit erbrachte Leistungen darüber eine eigene Lohnvereinbarung treffen wollte. Für ein bewusstes Ausweichen von einem Sondervertrag mit der Zweitbeklagten auf eine gesonderte Vereinbarung mit der Erstbeklagten fehlen nicht nur Anhaltspunkte im Sachverhalt, sondern auch ein entsprechendes Vorbringen des Klägers in erster Instanz.

Auf die Frage, ob der Vorstand der Erstbeklagten zu einer solchen Zusage, die die Erstbeklagte selbst zu Entgeltzahlungen an die Arbeitnehmer verpflichtet, überhaupt gesetzlich ermächtigt war, muss daher nicht weiter eingegangen werden.

5. Die Revision wendet sich inhaltlich nicht gegen die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts, dass die Vereinbarung eines zusätzlichen, im Gesetz nicht vorgesehenen Entgelts zwischen der Zweitbeklagten und Dienstnehmern, die dem K‑LVBG unterliegen, den Abschluss eines Sondervertrags voraussetzen würde, der nicht vorliegt (vgl dazu etwa 8 ObA 60/12z mwN). Ihrer Ansicht nach haben Ambulanzgebühren jedoch als Arztgebühren iSd § 61 K‑KAO eine gesetzliche Grundlage. Selbst wenn diese Ansicht richtig wäre, wäre daraus für den Kläger aber nichts zu gewinnen. Soweit sie sich auf § 61 Abs 3 K‑KAO beruft, übersieht sie, dass diese Bestimmung nicht für Krankenanstalten des Landes gilt. Für diese hat die Landesregierung die Höhe der Arztgebühren durch Verordnung festzusetzen. Die Möglichkeit einer schlüssigen Vereinbarung lässt sich damit ebenfalls nicht begründen.

6. Die außerordentliche Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht.

Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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