European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0070NC00014.18W.0625.000
Spruch:
Der Antrag der klagenden Partei, anstelle des Landesgerichts Klagenfurt das Handelsgericht Wien zur Verhandlung und Entscheidung in der Rechtssache zu bestimmen, wird abgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin bringt vor, sie sei berechtigt von einem Lebensversicherungsvertrag mit der Beklagten zurückgetreten und begehrt die Aufhebung des Lebensversicherungsvertrags und die Rückzahlung von Prämien; sie stützt sich auf Urkunden und Parteieneinvernahme.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und bestreitet die Berechtigung des Vertragsrücktritts der Klägerin und beruft sich ebenfalls auf Urkunden und Parteieneinvernahme der Klägerin.
Das Erstgericht regte von sich aus bei beiden Parteien an, die Rechtssache „aus prozessökonomischen Erwägungen … an das nicht offenbar unzuständige Gericht in Wien“ zu delegieren.
Nur die Klägerin beantragte daraufhin die Delegierung der Rechtssache an das Handelsgericht Wien, weil nach der Erfahrung des Klagevertreters die Parteieneinvernahme der Klägerin „aller Voraussicht nach nicht notwendig sein“ werde; da beide Parteienvertreter ihren Kanzleisitz in Wien hätten, biete sich die Delegierung „aus Zweckmäßigkeitsgründen“ an.
Ohne hiezu eine Äußerung der Beklagten einzuholen, legte das Landesgericht Klagenfurt den Akt zur Entscheidung vor; es folge „der vorgebrachten prozessökonomischen Argumentation“.
Rechtliche Beurteilung
Die Voraussetzungen der Delegierung an ein anderes Gericht nach § 31 JN liegen nicht vor:
Eine Delegierung soll nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Ausnahme bilden, würde doch eine großzügige Anwendung der Delegierungsbestimmungen im Ergebnis zu einer unvertretbaren Lockerung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen (RIS-Justiz RS0046441, RS0046589). Eine Delegierung kommt daher nur in Betracht, wenn klare und überwiegende Zweckmäßigkeitsgründe aus den Gesichtspunkten der Verfahrensbeschleunigung, Kostenverringerung und Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit dafür sprechen (RIS-Justiz RS0046333). Da auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Delegationsantrag abzustellen ist, können zukünftige Ereignisse, wie etwa die Frage, ob und welche beantragten Beweise möglicherweise nicht aufgenommen würden, nicht in Erwägung gezogen werden (vgl RIS-Justiz RS0046589 [T10]). Auch der Kanzleisitz der Parteienvertreter ist für die Zweckmäßigkeit einer Delegierung ohne Bedeutung (RIS-Justiz RS0046333 [T2, T13]).
Vor diesem Hintergrund liegen hier die Voraussetzungen für eine Delegierung nicht vor:
Der Wohnsitz der Klägerin befindet sich im Sprengel des Landesgerichts Klagenfurt. Dass ihre von beiden Parteien beantragte Einvernahme letztlich unterbleiben würde, ist aus der Aktenlage nicht ableitbar. Die Zweckmäßigkeit der Delegierung wird von der Klägerin im Übrigen bloß behauptet, nicht aber konkret dargelegt. Der Kanzleisitz der Parteienvertreter ist unerheblich.
Da bei dieser Sachlage eine Zweckmäßigkeit der beantragten Delegierung weder von der Antragstellerin konkret behauptet noch vom vorlegenden Gericht dargelegt wurde und die Zweckmäßigkeit auch sonst nicht ersichtlich ist, war dem Delegierungsantrag nicht stattzugeben. Der Antrag bedurfte keiner weiteren Aufklärung iSd § 31 Abs 3 JN und daher auch keiner Einholung einer ausdrücklichen Äußerung der Beklagten, die zuvor schon der „Anregung“ des Gerichts nicht Folge geleistet hatte (vgl RIS-Justiz RS0113776 [T2, T3]; 4 Nc 19/14b).
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