OGH 10Nc10/18d

OGH10Nc10/18d4.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr.

 Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen Mag. P*****, AZ 20 P 42/18b, wegen § 111 Abs 2 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0100NC00010.18D.0604.000

 

Spruch:

Die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung des Sachwalterschaftsverfahrens wird nicht genehmigt.

 

Begründung:

Für die Betroffene, die an schubförmig verlaufender paranoider Schizophrenie leidet, wurde im Mai 2011 rechtskräftig ein Verein als Sachwalter bestellt (ON 21).

Das Bezirksgericht Vöcklabruck übertrug mit Beschluss vom 20. November 2017 die Zuständigkeit zur Besorgung der Sachwalterschaftssache gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, weil sich die Betroffene ständig in der Caritasbetreuungseinrichtung „Gruft“ in 1060 Wien aufhalte.

Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien lehnte die Übernahme ab. Dass Sozialarbeiter die Betroffene bis April 2017 vereinzelt am Schwedenplatz angetroffen hätten, reiche nicht als Anknüpfungspunkt für eine Zuständigkeit.

Das Bezirksgericht Vöcklabruck legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Übertragung ist nicht zu genehmigen.

1. Das zuständige Pflegschaftsgericht kann nach § 111 Abs 1 JN seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn im Interesse der pflegebefohlenen Person der pflegschaftsgerichtliche Schutz voraussichtlich gefördert wird. Die Rechtsprechung billigt dem Naheverhältnis zwischen pflegebefohlener Person und Gericht wesentliche Bedeutung zu und sieht deshalb im Allgemeinen das Gericht, als am Besten geeignet an, in dessen Sprengel die Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (RIS‑Justiz RS0047074 [T7]; RS0049144). Bei nicht stabilem Aufenthalt wird eine Übertragung der Zuständigkeit allerdings abgelehnt (RIS‑Justiz RS0046908 [T12]; RS0047300 [T21]).

2. Nach der Aktenlage hat die Betroffene keinen stabilen Aufenthalt im Sprengel des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien. Sie ist obdachlos und wurde lediglich bis April 2017 einige Male von Straßensozialarbeitern am Schwedenplatz angetroffen. Ein für sie eingerichtetes Postfach im Betreuungszentrum der Caritas hat sie nie benutzt. Betreuungsangebote wurden (schon während ihres Aufenthalts in Oberösterreich) entweder gar nicht oder nicht dauernd angenommen, weshalb kein Anhaltspunkt für einen dauernden stabilen Aufenthalt im Sprengel des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien besteht.

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