OGH 1Ob78/18d

OGH1Ob78/18d29.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. M* S*, vertreten durch die Felfernig & Graschitz Rechtsanwälte GmbH, Eisenstadt, gegen die beklagte Partei A* B*, vertreten durch Dr. Herbert Gartner und Mag. Daniel Karandi, Rechtsanwälte in Wien, wegen 18.168,21 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Februar 2018, GZ 12 R 32/17i‑15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 14. Februar 2017, GZ 3 Cg 43/16i‑11, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121996

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.253,88 EUR (darin 208,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

1.1. Die Verjährung nach § 1478 Satz 2 ABGB beginnt grundsätzlich mit dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem das Recht „zuerst hätte ausgeübt werden können“, seiner Geltendmachung also kein rechtliches Hindernis – zB mangelnde Fälligkeit – mehr entgegensteht (RIS‑Justiz RS0034343). Die Möglichkeit zu klagen ist im objektiven Sinn zu verstehen. Subjektive oder nur in der Person des Berechtigten liegende Hindernisse haben in der Regel auf den Beginn der Verjährungszeit keinen Einfluss (RIS‑Justiz RS0034248). Soweit das Gesetz nicht Ausnahmen macht (etwa in § 1489 ABGB für die Verjährung von Schadenersatzansprüchen), hat die Kenntnis des Berechtigten vom Bestehen des Anspruchs oder der Person des Verpflichteten keinen Einfluss auf den Beginn der Verjährung (RIS‑Justiz RS0034248 [T9]). Subjektive Gründe, aus denen ein Gläubiger trotz des Eintritts der Voraussetzungen einen Anspruch nicht geltend macht, sind für den Beginn der Verjährung grundsätzlich irrelevant (RIS‑Justiz RS0034248 [T11]).

1.2. Im vorliegenden Fall ist nach dem Inhalt des zwischen den Parteien abgeschlossenen Notariatsakts der Anspruch des Klägers auf Darlehensrückzahlung durch den Eintritt der objektiven Unmöglichkeit der Errichtung eines beabsichtigten Kaufvertrags bedingt. Falls dem Beklagten die Vermögensauseinandersetzung zwischen ihm und seinem Bruder über eine Liegenschaft nicht in die Lage versetzen würde, zwei Bauplätze mit bestimmten Eigenschaften ins Eigentum des Klägers zu übertragen, dann sollte er das Darlehen fällig stellen können.

Das Berufungsgericht ging im Einklang mit der Rechtsprechung davon aus, dass es darauf, wann dem Kläger die objektive Unmöglichkeit der Übertragung von zwei der Vereinbarung entsprechenden Bauplätzen in sein Eigentum zur Kenntnis gelangt sei, für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist nicht ankomme. Der Beklagte habe nach einem im September 1983 abgeschlossenen Teilungsvertrag über keines der Grundstücke allein verfügen können. Dadurch sei die zwischen den Parteien in Aussicht genommene Übertragung von Liegenschaftsteilen „objektiv unmöglich“ im Sinn der Vereinbarung geworden, womit der Kläger das Darlehen fällig stellen hätte können. Die Beurteilung, dass die dreißigjährige Verjährungsfrist spätestens 1984 zu laufen begonnen und bei Einbringung der Klage am 28. 4. 2016 bereits abgelaufen gewesen sei, ist nicht korrekturbedürftig.

Zwar war der Beklagte verpflichtet, den Eintritt der „objektiven Unmöglichkeit“ der Errichtung des beabsichtigten Kaufvertrags dem Kläger unverzüglich mitzuteilen, und dieser sodann berechtigt, das Darlehen unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zur „Rückzahlung aufzukündigen“, jedoch schiebt die Unterlassung dieser Verständigung den Beginn der dreißigjährigen Verjährung für die Darlehensforderung (RIS‑Justiz RS0034157) nicht hinaus, weil es – wiedargelegt – auf die objektive Möglichkeit der Geltendmachung ankommt.

2.1. Nach der Rechtsprechung kann sich allerdings ein Schuldner, der den Gläubiger arglistig davon abgehalten hat, ihm zustehende Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen, gegenüber diesem nicht auf die Verjährung berufen (RIS‑Justiz RS0014826; 7 Ob 517/81 = RS0014832 [T1]; vgl RS0014838; RS0034537). Allgemein verstößt die Verjährungseinrede dann gegen Treu und Glauben, wenn die Fristversäumnis des Gläubigers auf ein Verhalten seines Gegners zurückzuführen ist. Dazu zählt nicht nur ein aktives Vorgehen des Schuldners, das einen Gläubiger geradezu davon abhält, der Verjährung durch Einklagung vorzubeugen. Vielmehr verstößt auch ein Verhalten des Schuldners gegen die guten Sitten, aufgrund dessen der Gläubiger nach objektiven Maßstäben der Auffassung sein konnte, sein Anspruch werde entweder ohne Rechtsstreit befriedigt oder nur mit sachlichen Einwendungen bekämpft, sodass er aus diesen Gründen eine rechtzeitige Klagsführung unterlässt (RIS‑Justiz RS0014838 [T5, T11]; RS0034537 [T1, T4, T8]). Verstößt der Verjährungseinwand gegen Treu und Glauben, so kann diesem die Replik der Sittenwidrigkeit entgegengehalten werden (RIS‑Justiz RS0034537 [T15]). Die Frage, ob die Einrede der Verjährung gegen Treu und Glauben verstößt, kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0014838 [T15]).

2.2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte (Schuldner) habe weder aktiv dazu beigetragen, den Kläger von der Geltendmachung seiner Rechte abzuhalten, noch sonst den Eindruck erweckt, allfälligen Ansprüchen des Klägers den Einwand der Verjährung nicht entgegensetzen zu wollen, ist jedenfalls vertretbar. Der Beklagte informierte ihn (nur) nicht über jene Umstände, die zum Eintritt der Fälligkeit der Darlehensrückzahlung führen konnten. Wenn der Revisionswerber mehrmals betont, der Beklagte habe dies „bewusst“ oder „arglistig“ getan bzw diesem sei „bewusst“ gewesen, dass ihm die relevanten Umstände nicht bekannt gewesen seien, so entfernt er sich von den getroffenen Feststellungen. Insofern ist die Rechtsrüge nicht einmal gesetzmäßig ausgeführt (vgl RIS‑Justiz RS0043312).

Der Beklagte hat sich lediglich passiv verhalten und damit die im Notariatsakt übernommene Mitteilungspflicht verletzt. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Verjährungseinwand trotz dieser Pflichtverletzung vor dem Hintergrund der dreißigjährigen Verjährungsfrist in Verbindung damit, dass sich der Kläger (durch Nachfrage beim Beklagten) leicht über den Stand der Dinge informieren hätte können, nicht Treu und Glauben widerspricht, ist nicht korrekturbedürftig. Er hätte auch durch Einsichtnahme in das Grundbuch Auskunft über die relevanten Eigentumsverhältnisse erhalten können. Er habe sich selbst zuzurechnen, dass er sich nach Abschluss des Notariatsakts im Mai 1981 fast 35 Jahre lang nicht darum gekümmert habe, seine Rechte daraus geltend zu machen und der Anspruch dadurch verjährt sei.

Die erstmals in der Revision aufgestellte Behauptung, er habe sich nicht um die Informationen zur Fälligstellung des Darlehens gekümmert, weil der Beklagte jahrelang das Amt eines Bürgermeisters ausgeübt habe, zeigt, dass er die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Abgesehen vom (nicht ausreichenden) Verstoß gegen die vertragliche Informationsverpflichtung vermag der Kläger keinen Umstand zu nennen, aus dem erschließbar wäre, der Beklagte habe bei ihm den Eindruck erweckt, er werde nicht die Verjährungseinrede erheben. Insbesondere vermag er nicht aufzuzeigen, dass ihn dieser in irgendeiner Weise veranlasst hätte, seinen Anspruch nicht innerhalb der dreißigjährigen Verjährungsfrist einzuklagen.

3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen.

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