OGH 7Ob43/18a

OGH7Ob43/18a24.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. P***** P*****, vertreten durch Dr. Burghard Seyr, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die U***** AG, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 84.332 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Insbruck als Berufungsgericht vom 23. Jänner 2018, GZ 4 R 172/17a‑14, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00043.18A.0524.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Kläger begründet das Vorliegen der erheblichen Rechtsfrage mit dem vermeintlichen Abweichen der Vorinstanzen von dem in RIS‑Justiz RS0111474 ausgewiesenen Rechtssatz („Taxvereinbarung: Die Auskunftspflicht und die Belegpflicht des Versicherungsnehmers greifen insoweit nicht Platz, als sie den Zweck verfolgen, den Versicherer über den Ersatzwert zu informieren. Ficht der Versicherer aber die Taxe an, leben die beiden Obliegenheiten wieder voll auf.“).

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Ansicht des Klägers halten sich jedoch die Entscheidungen der Vorinstanzen im Ergebnis im Rahmen dieser Rechtsprechung:

1.  Bei einer Sachversicherung ist regelmäßig der Wert der Sache (= Betrieb bzw Erlösverlust) der Versicherungswert (§ 52 VersVG). Dieser kann durch Vereinbarung auf einen bestimmten Betrag (Taxe) festgesetzt werden. Die Taxe gilt auch als der Wert, den das versicherte Interesse zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls hat, es sei denn, dass sie den wirklichen Versicherungswert in diesem Zeitpunkt erheblich übersteigt (§ 57 VersVG). Damit wird eine Ausnahme vom versicherungsrechtlichen Bereicherungsverbot normiert, wonach der Versicherer nie verpflichtet ist, mehr als den eingetretenen Schaden zu ersetzen (§ 55 VersVG).

2.  Der Versicherungsnehmer hat bei Vorliegen einer Taxvereinbarung nicht die Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens darzutun. Diese Durchbrechung des Bereicherungsverbots hat aber insofern eine Schranke, als sich der Versicherer darauf berufen kann, dass zur Zeit des Versicherungsfalls die Taxe den Ersatzwert erheblich übersteigt. Insoweit trifft den Versicherer die Beweislast. Die Auskunfts- und Belegpflichten des Versicherungsnehmers greifen zwar insoweit nicht, als sie den Zweck verfolgen, den Versicherer über den Ersatzwert zu informieren; denn insoweit ist nach der getroffenen Taxvereinbarung eine Unterrichtung des Versicherers nicht erforderlich. Ficht der Versicherer aber die Taxe an, leben die beiden Obliegenheiten wieder voll auf. Zunächst ist daher von der Richtigkeit der getroffenen Taxvereinbarung auszugehen. Erhebt der Versicherer den Einwand, dass die Taxe den Versicherungswert erheblich übersteigt, hat er die Behauptung aufzustellen, dass die Taxe den Ersatzwert um mehr als 10 % übersteigt (7 Ob 346/98b; 7 Ob 310/00i; 7 Ob 306/00a).

3.  Im Einklang mit dieser Rechtsprechung geht der Kläger in seiner Revision selbst davon aus, dass es für die Anfechtung der Taxe jedenfalls ausreicht, wenn der Versicherer behauptet, dass die Taxe den tatsächlichen Schaden erheblich, nämlich um mehr als 10 %, übersteigt. Dass der beklagte Versicherer genau diesen Umstand prüfen will, hat die Beklagte dem Kläger bereits mit dem Mail vom 25. 2. 2016 mitgeteilt und die Beklagte hat dann den entsprechenden Einwand ausdrücklich in ihrer Klagebeantwortung wiederholt. Dennoch hat der zum letztgenannten Zeitpunkt bereits rechtsfreundlich vertretene Kläger auf seinem Standpunkt beharrt, es treffe ihn trotz „Anfechtung“ der Taxe durch den Versicherer keine Auskunfts‑ und Belegpflicht. Die Möglichkeit, dass der Versicherte auf diese Weise auch noch während des Prozesses gegen seine Auskunfts- und Belegpflicht verstoßen kann, wurde bereits in der Entscheidung 7 Ob 346/98b angesprochen. Der Kläger hat dieses Verhalten gesetzt, obwohl ihm – wie vom Erstgericht ausdrücklich festgestellt – von Anfang an klar war, dass er dadurch der Beklagten die Überprüfung des Versicherungsfalls unmöglich macht. Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage eine vorsätzliche Verletzung der Auskunfts- und Belegpflicht angenommen haben, hält sich dies im Ergebnis im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung.

4.  Sonstige erhebliche Rechtsfragen macht der Kläger nicht geltend. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision somit unzulässig und daher zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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