OGH 13Os145/17y

OGH13Os145/17y9.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Strafsache gegen Nikolaus I***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. Juni 2017, GZ 142 Hv 4/17z‑41, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der Vorsitzenden vom 22. September 2017, GZ 142 Hv 4/17z‑49, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00145.17Y.0509.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Nikolaus I***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im Sommer oder im Herbst 2013 in Wien eine Person mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er Jennifer W***** an den Schultern packte, nach unten drückte und gegen ihren Willen den Analverkehr mit ihr durchführte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 3, 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Das von § 260 Abs 1 Z 1 StPO verlangte Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor dient einerseits der Abgrenzung historischer Sachverhalte voneinander, um eine Mehrfachverurteilung hintanzuhalten, und andererseits der Bezeichnung jener als verwirklicht angesehenen Tatsachen, auf welche die gesetzliche Beschreibung der im Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) genannten strafbaren Handlung abstellt (13 Os 164/02, SSt 2003/14; RIS‑Justiz RS0117435). Demnach sind auch Zeit und Ort der Tat aus dem Blickwinkel des § 260 Abs 1 Z 1 StPO nur soweit von Bedeutung, als sie entweder – was hier nicht der Fall ist – ausnahmsweise subsumtionsrelevant oder zur Individualisierung des dem Schuldspruch zugrunde liegenden Sachverhalts erforderlich sind. Werden unter letzterem Aspekt Unklarheiten über Zeit oder Ort der Tat behauptet, hat die Verfahrensrüge (Z 3) daher deutlich zu machen, weshalb dies der Individualisierung der Tat entgegenstehe (15 Os 38/03, SSt 2003/63; RIS‑Justiz RS0117498), welchem Erfordernis die Beschwerde nicht entspricht.

Entgegen der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag auf neuerliche Vernehmung der Zeuginnen Jennifer W*****, Ulike S***** und Lidia H***** (ON 36 S 11) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (ON 36 S 17).

Der Beweisantrag ließ nämlich nicht erkennen, weshalb zu erwarten sei, dass diese Zeuginnen – die ausdrücklich von ihrem Entschlagungsrecht (§ 156 Abs 1 Z 2 StPO) Gebrauch gemacht hatten (ON 10 S 2, ON 11 S 2 und ON 12 S 2) – zur Aussage bereit sein werden, und zielte solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung (13 Os 71/03, SSt 2003/53; RIS‑Justiz RS0117928, jüngst 13 Os 35/17x).

Sofern die Beschwerde als auch auf den Antrag auf ergänzende Vernehmung der Zeugin Lea M***** (ON 30 S 59) bezogen zu verstehen ist, genügt der Hinweis, dass das Erstgericht diesem Beweisantrag ohnedies nachkam (ON 40 S 5 ff).

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider setzten sich die Tatrichter sehr wohl mit der nach den Verfahrensergebnissen (§ 258 Abs 1 StPO) von den Zeuginnen W*****, S*****, H***** sowie M***** eingerichteten WhatsApp‑Gruppe und den solcherart dokumentierten Absprachen zwischen diesen Zeuginnen auseinander (US 6). Dass sie dabei im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) zu anderen Schlussfolgerungen gelangten als die Beschwerde, stellt den insoweit herangezogenen Nichtigkeitsgrund der Urteilsunvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht her (vgl RIS‑Justiz RS0118316).

Die Begründung der Feststellungen zu den dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen mit der als glaubwürdig erachteten Aussage der Zeugin Jennifer W***** (US 7 f) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden.

Die Ausführungen zu den – vom Erstgericht ausdrücklich gewürdigten (US 7 f) – Angaben des Zeugen Lukas B***** wenden sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO) in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 22. September 2017 (ON 49) relevierte die daraus resultierende neuerliche Auslösung der Frist zur Ausführung der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft gegen das gegenständliche Urteil. Da sie sich somit auf keinen Umstand bezog, der im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde als Urteilsanfechtungsgrund geltend gemacht wurde, ist sie ohne inhaltliche Erwiderung erledigt (15 Os 83/16v, 84/16s; RIS‑Justiz RS0126057 [T4]). Hinzugefügt sei, dass die Staatsanwaltschaft ihre Nichtigkeitsbeschwerde und ihre Berufung zurückgezogen hat (ON 1 S 25).

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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