OGH 12Ns1/18w

OGH12Ns1/18w9.4.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in der Strafvollzugssache des Shervan M*****, AZ 46 BE 185/17w des Landesgerichts Salzburg, in dem zwischen diesem Gericht und dem Landesgericht Korneuburg (zum AZ 822 BE 235/17f) geführten Zuständigkeitsstreit nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120NS00001.18W.0409.000

 

Spruch:

Das Verfahren ist vom Landesgericht Korneuburg zu führen.

 

Gründe:

Mit Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 24. Oktober 2017 wurde Shervan M***** unter Bestimmung einer fünfjährigen Probezeit, der Anordnung von Bewährungshilfe und der Erteilung von Weisungen mit Wirkung vom 19. Dezember 2017 bedingt entlassen (ON 7 f). Am 21. Dezember 2017 trat das Landesgericht Korneuburg, offenbar im Hinblick darauf, dass der bedingt Entlassene seine in Aussicht genommene Wohnadresse mit ***** angegeben hatte (ON 2, vgl auch ON 11), die gegenständliche Strafvollzugssache dem Landesgericht Salzburg gemäß § 179 StVG ab (ON 13). Das Landesgericht Salzburg wiederum vertritt die Ansicht, dass die Zuständigkeit nicht ex lege übergegangen sei, zumal auch eine am 2. Jänner 2018 eingeholte Meldeanfrage keine Sachverhaltsgrundlage hiefür geboten hätte (ON 15).

Tatsächlich hat sich Shervan M***** zum 19. Dezember 2017 bis 21. Jänner 2018 im Polizeianhaltezentrum Roßauer Lände befunden, von wo er ohne Angabe einer Entlassungsadresse im Bundesgebiet entlassen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 180 Abs 1 StVG, der das Verfahren nach bedingter Entlassung regelt, gilt § 17 StVG dem Sinne nach. Gemäß § 17 Abs 1 Z 3 StPO sind – soweit das Strafvollzugsgesetz im Einzelnen nichts anderes anordnet – die Bestimmungen der StPO sinngemäß anzuwenden. Da das Strafvollzugsgesetz keine speziellen Regelungen im Falle angenommener Unzuständigkeit und eines negativen Kompetenzkonflikts kennt, sind somit die diesbezüglichen Bestimmungen der StPO anzuwenden.

Gemäß § 16 Abs 1 und Abs 2 Z 12 StVG ist für das gesamte Verfahren im Zusammenhang mit der bedingten Entlassung und den folgenden Entscheidungen sachlich der Einzelrichter des Landesgerichts zuständig. Da das Strafvollzugsgesetz keine Vorschriften für den Fall örtlicher Unzuständigkeit kennt, kommt gemäß §§ 180 Abs 1, 17 Abs 1 Z 3 StVG unmittelbar § 38 StPO zur Anwendung (vgl 11 Ns 75/17v), wonach jenes Gericht, dem die Sache überwiesen wurde, die Entscheidung des gemeinsam übergeordneten Gerichts zu erwirken hat, sofern es seine Zuständigkeit bezweifelt, weil die das Verfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter regelnde Bestimmung des § 485 Abs 1 Z 1 StPO die Prüfung des Strafantrags vor Anordnung der Hauptverhandlung zum Gegenstand hat und daher auf das Verfahren nach bedingter Entlassung nicht anwendbar ist.

Gemäß § 179 Abs 1 StVG geht im Fall der Erteilung von Weisungen oder der Bestellung eines Bewährungshelfers im Zusammenhang mit einer bedingten Entlassung und der Aufnahme eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts durch den Verurteilten im Sprengel eines Landesgerichts, das nicht im selben Bundesland liegt wie das Vollzugsgericht, die weitere Zuständigkeit mit dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die bedingte Entlassung und die damit zusammenhängenden Anordnungen auf dieses Landesgericht (des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts) über. Im vorliegenden Fall hat der bedingt Entlassene jedoch nach der Aktenlage keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel des Landesgerichts Salzburg genommen, sodass die Zuständigkeit des Landesgerichts Korneuburg nicht auf dieses übergegangen ist. Die kurzfristige Anhaltung im Polizeianhaltezentrum Roßauer Lände unmittelbar nach der Strafhaft war ebenfalls nicht geeignet, einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen (vgl 11 Ns 75/17v).

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass für den Übergang der Zuständigkeit der Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung über die bedingte Entlassung maßgebend ist (zur analogen Anwendung des Übergangs bei Rechtskraft der Entscheidung über die bedingte Entlassung vor dem Zeitpunkt der bedingten Entlassung vgl RIS-Justiz RS0088481 [T2]). Ein späterer Wohnsitzwechsel kann dagegen nur gemäß § 39 StPO berücksichtigt werden (RIS-Justiz RS0088481; 11 Ns 75/17v).

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