OGH 8ObA4/18y

OGH8ObA4/18y23.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Stefula sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ingomar Stupar und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat der Angestellten *, vertreten durch Nusterer & Mayer Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Land *, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. November 2017, GZ 7 Ra 44/17t‑21, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 10. Jänner 2017, GZ 22 Cga 57/16k‑16, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121432

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 418,78 EUR (darin enthalten 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Beklagte ist Rechtsträgerin des *klinikums *. Sie stellt ihren Bediensteten am Klinikum seit 1. 1. 2017 die Bezugsnachweise nicht mehr in Form eines Papierausdrucks, sondern nur mehr in elektronischer Form mittels einer IT‑Anwendung („PA‑Selfservice“) zur Verfügung. Eine diesbezügliche Betriebsvereinbarung liegt nicht vor; Verhandlungen mit dem klagenden Betriebsrat der Angestellten des Klinikums waren gescheitert. Die Schlichtungsstelle wurde von keiner Verfahrenspartei angerufen.

Der Kläger begehrt nach § 54 Abs 1 ASGG die Feststellung, dass „die einseitige Einführung eines ausschließlich elektronischen Bezugsnachweises für alle * Landesbediensteten, die Angestellte des *klinikums * sind, mit 1. 1. 2017 in der von der beklagten Partei vorgeschriebenen Form unzulässig und somit rechtswidrig ist“. Für die Einführung wäre nach § 97 Abs 1 Z 3 ArbVG eine Betriebsvereinbarung notwendig gewesen; mangels einer solchen sei die Einführung allein durch die Beklagte rechtswidrig. Die Einführung betreffe alle deren Dienstnehmer am Klinikum, mindestens aber drei, weshalb das Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 ASGG eröffnet sei.

Die Beklagte wandte ein, dass es in dieser Angelegenheit nicht von Vornherein eines Konsenses zwischen ihr als Betriebsinhaberin und dem Betriebsrat bedurft habe und sie auch ohne dessen Zustimmung die entsprechenden Maßnahmen anordnen habe können. Daraus ergäbe sich, dass „das Klagebegehren unschlüssig sowie unzulässig ist (zwingende Schlichtung)“. Im Übrigen sei die Klage abzuweisen, weil es in der Dispositionsbefugnis der Beklagten als Dienstgeberin liege, in welcher Art und Weise sie dem jeweiligen Bediensteten den Bezugsnachweis übermittle.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im klagsabweisenden Sinne ab. Der Einwand der Unzulässigkeit des Rechtswegs sei nicht berechtigt. Berechtigt sei hingegen der (erstmals in der Berufung erhobene) Einwand, das Begehren sei nicht im Sinne des § 228 ZPO feststellungsfähig. Ein Gericht sei jedoch verpflichtet, dem Begehren erforderlichenfalls eine Fassung zu geben, die dem Sinngehalt des Sachvorbringens entspreche. Dies müsse insbesondere dort gelten, wo der vom Kläger formulierte Wortlaut das Begehren – etwa mangels „Feststellungsfähigkeit“ im Sinne des § 228 ZPO – von vornherein unzulässig machen würde. Ein Eingehen hierauf erübrige sich aber, weil die Klage „ohnehin“ (jedenfalls) abzuweisen sei. Das Berufungsgericht begründete dies im Wesentlichen damit, dass zwar eine vertragliche Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag bestehe, wonach der Dienstgeber gegenüber dem Dienstnehmer hinsichtlich dessen monatlichen Bezügen rechnungslegungspflichtig sei, dass hierfür aber keine Aushändigung des Bezugsnachweises in physischer Form erforderlich sei, sondern eine elektronische Zurverfügungstellung genüge, die im Übrigen auch angemessen, zeitgemäß und verkehrsüblich sei.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zu dieser Rechtsfrage keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit einem auf Klagsstattgebung gerichteten Abänderungs‑, hilfsweise einem Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die Beklage beantragt die Zurückweisung der Revision, hilfsweise dieser nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision ist mangels der Erforderlichkeit der Beurteilung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs ist nicht zu prüfen. Die Zulässigkeit des Rechtswegs wurde vom Berufungsgericht ausdrücklich bejaht (RIS‑Justiz RS0035572 [T9]).

2. Nach § 228 ZPO kann „auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts, auf Anerkennung der Echtheit einer Urkunde oder Feststellung der Unechtheit derselben Klage erhoben werden“. Feststellungsfähig sind daher – sieht man vom Spezialfall der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde ab – nur Rechte und Rechtsverhältnisse. Nicht feststellungsfähig sind Rechtshandlungen (RIS‑Justiz RS0039036 [T1]), das sind Erklärungen und Äußerungen, mit denen einem anderen etwas kundgetan werden soll, an das sich Rechtsfolgen knüpfen (Frauenberger‑Pfeiler in Fasching/Konecny 3 III/1 § 228 ZPO Rz 40 mwN), und Tatsachen, auch wenn sie rechtserzeugend oder sonst rechtserheblich sind (RIS‑Justiz RS0113327; RS0038943; Frauenberger‑Pfeiler in Fasching/Konecny 3 III/1 § 228 ZPO Rz 68 mwN). Auch die rechtlichen Eigenschaften von Tatsachen und Rechtshandlungen – beispielsweise ihre „(Un‑)Zulässigkeit“ oder „(Un‑)Wirksamkeit“ – sind nicht feststellungsfähig, sondern nur ein daraus resultierendes Recht oder Rechtsverhältnis (RIS‑Justiz RS0039087 [T8]; RS0039036 [T12, T17, T19]; RS0112755 [T2]).

Hier ist das Klagebegehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit (Unzulässigkeit) der „einseitige[n] Einführung eines ausschließlich elektronischen Bezugsnachweises […]“ gerichtet, somit nicht auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts, sondern auf die Feststellung einer rechtlichen Eigenschaft (Rechtswidrigkeit bzw Unzulässigkeit) einer Handlung (Einführung eines ausschließlich elektronischen Bezugsnachweises). Die Beklagte hat daher zutreffend in der Berufung die mangelnde Feststellbarkeit eingewendet.

3. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist das Klagebegehren so zu verstehen wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom Kläger gemeint ist; das Gericht hat ein nur versehentlich unrichtig formuliertes Begehren richtig zu fassen (RIS‑Justiz RS0037440), wobei es insbesondere nicht an die Formulierung eines Feststellungsbegehrens gebunden ist (RIS‑Justiz RS0037440 [T11]). Maßgeblich ist, welchen Ausspruch des Gerichts der Kläger im Zusammenhalt mit dem Sachvorbringen seinem Sinngehalt nach begehrt (RIS‑Justiz RS0041165 [T3]). Das Gericht ist insoweit in der Regel zur Verdeutlichung verpflichtet. Dies muss insbesondere dort gelten, wo der von der klagenden Partei formulierte Wortlaut das Begehren – etwa mangels „Feststellungsfähigkeit“ im Sinne des § 228 ZPO – von vornherein unzulässig machen würde (1 Ob 25/15f = RIS‑Justiz RS0041165 [T5]).

All dies gilt aber nur für ein versehentlich unrichtig formuliertes Begehren (RIS‑Justiz RS0037440; 1 Ob 25/15f). Nachdem die Beklagte, wenngleich erst in der Berufung, auf die mangelnde Feststellbarkeit im Sinne des § 228 ZPO hingewiesen hat, replizierte der Kläger in der Berufungsbeantwortung, sein Begehren sei „im Hinblick auf das Rechtsverhältnis zwischen den Arbeitnehmern der beklagten Partei und der beklagten Partei […] jedenfalls feststellungsfähig“, die „formelle“ Rechtsrüge der beklagten Partei „daher unrichtig“. Der Kläger beharrte also auf sein (unrichtiges) Begehren und hielt dies auch nach Erörterung in der Entscheidung des Berufungsgerichts aufrecht (siehe auch RIS‑Justiz RS0037440).

Weil hier somit kein versehentlich unrichtiges Begehren vorliegt, muss die Feststellungsklage schon deshalb der Abweisung anheimfallen. Die Klagsabweisung erweist sich jedenfalls im Ergebnis als zutreffend.

4. Auf die vom Berufungsgericht als erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO angesehene Frage kommt es nicht mehr an. Da die Revision des Klägers insgesamt keine erhebliche, hier zu beantwortende Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist sie zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979 [T16]).

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