OGH 3Ob40/18f

OGH3Ob40/18f21.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Ulrich Suppan und andere Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, wider die beklagte Partei U*, vertreten durch Mag. Max Verdino und andere Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, wegen Duldung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgerichtvom 13. Dezember 2017, GZ 1 R 165/17k-36, womit das Urteil des Bezirksgerichts St. Veit an der Glan vom 10. April 2017, GZ 4 C 749/15a-32, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121446

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (hierin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer der aus mehreren Grundstücken bestehenden Liegenschaft EZ 17 Grundbuch *. Er hat sie mit Kaufvertrag vom 13. August 2014 vom (in der Folge verstorbenen) Ehemann der Beklagten erworben, der seit dem Jahr 2003 Alleineigentümer dieser Liegenschaft war.

Die EZ 17 stand seinerzeit im Alleineigentum der Schwiegermutter der Beklagten. Mit Kaufvertrag vom 3. Jänner 1973, der (erst) im Jahr 1982 verbüchert wurde, erwarb der Ehemann der Beklagten die durch Abschreibung des Grundstücks 566 aus der EZ 17 neu geschaffene Liegenschaft EZ 577 von seiner Mutter. Mit Schenkungsvertrag vom 22. September 1988 übertrug er das Hälfteeigentum an der EZ 577 an die Beklagte, welche aufgrund des Einantwortungsbeschlusses vom 17. Oktober 2014 nunmehr Alleineigentümerin dieser Liegenschaft ist.

Bis zum Jahr 1980 waren die Liegenschaften EZ 17 und EZ 577 nicht durch einen Zaun getrennt. Erst im Jahr 1980 wurde der – den Gegenstand dieses Verfahrens bildende – Grenzzaun auf einem Betonsockel errichtet. Er befindet sich nicht exakt an der in der Grundbuchsmappe eingezeichneten Grenze, sondern verläuft über die der EZ 17 zugehörigen Grundstücke .28/2 und 569.

Die Beklagte und ihr Ehemann begannen im Jahr 1983 mit der Errichtung eines Hauses auf der EZ 577. Bis zu dessen Fertigstellung im Jahr 1991, als sie mit den gemeinsamen Kindern in dieses übersiedelten, wohnten sie weiterhin (wie schon zumindest seit 1973) im Haus der Schwiegermutter der Beklagten auf der EZ 17. Einige Jahre nach der Übersiedlung in das neu gebaute Haus zog der Ehemann der Beklagten aus diesem wieder aus; seither lebten die Ehegatten getrennt.

Alle Grundstücke (also: die gesamte EZ 17 und die EZ 577) wurden durchgehend von der Beklagten und ihrer Familie benutzt und bewirtschaftet. Der Gemüsegarten auf beiden Seiten wurde von der Beklagten gepflegt. Die Beklagte und ihr Ehemann mähten auch den Rasen auf beiden Liegenschaften.

Als der Ehemann der Beklagten im Jahr 2014 die EZ 17 verkaufen wollte, erklärte der Vater des Klägers, der ursprünglich selbst ein Kaufanbot stellte, ausdrücklich, dass „nach Mappengrenzen gekauft“ werde; andernfalls müssten die Grundstücke vermessen werden. Der Ehemann der Beklagten war einverstanden; er teilte dem Kläger mit, dass eine Vermessung nicht in Frage komme, weil dafür die Zustimmung der Beklagten erforderlich wäre, mit der er aber nicht zusammenlebe.

Der Wille der Vertragsparteien, „nach Mappengrenzen“ zu kaufen, war auch dem Vertragserrichter bekannt. Im schriftlichen Kaufvertrag wurde insbesondere Folgendes vereinbart:

„II. Kaufvereinbarung

Der Verkäufer verkauft und übergibt hiemit das im Punkt I. beschriebene Kaufobjekt, nämlich die Liegenschaft EZ 17 […] so wie er dieses besessen und benützt hat oder zu besitzen und zu benützen berechtigt war, an den Käufer und dieser kauft und übernimmt hiemit das Kaufobjekt vom Verkäufer in sein Eigentum. [...]

IV. Gewährleistung

Der Verkäufer haftet dem Käufer nicht für ein bestimmtes Ausmaß, Grenzen, Erträgnis, Bauzustand [...] oder eine sonstige Eigenschaft oder Beschaffenheit des Kaufobjekts, welches der Käufer aus eigener Wahrnehmung hinreichend zu kennen erklärt […].“

Nach grundbücherlicher Durchführung des Kaufvertrags strebte der Kläger einen „Flächenausgleich“ mit der Beklagten an, wonach sie die durch den Zaun abgetrennten Teile der EZ 17 und er eine adäquate Fläche im Süden der EZ 577 erhalten sollte; dann könne der Zaun an seinem bisherigen Ort bleiben. Die Beklagte war zu einem solchen Tausch aber nicht bereit.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Duldung der Entfernung des auf den Grundstücken .28/2 und 569 verlaufenden Grenzzauns samt Mauer. Laut Mappengrenze und gemäß den mündlichen Vereinbarungen zwischen ihm und dem Verkäufer befinde sich dieser Zaun auf den von ihm erworbenen Grundstücken. Der Verkäufer habe ihm erklärt, dass die von dem – bei der Besichtigung vom Kläger wahrgenommenen – Zaun umfassten Teile der genannten Grundstücke in seinem Alleineigentum stünden und mitübergeben würden, sodass der Kläger berechtigt sei, den Zaun zu entfernen. Da die Beklagte jedoch bereits Besitzstörungsklage gegen ihn erhoben habe, sei er zur Klageführung gezwungen. Der Zaun sei erst Ende der 80‑er oder Anfang der 90‑er Jahre des vorigen Jahrhunderts errichtet worden.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, dass der Kläger nicht Eigentümer der strittigen Grundstücksteile sei; maßgeblich sei nicht die Mappengrenze, sondern die Naturgrenze. Die streitgegenständlichen Teilflächen der Grundstücke .28/2 und 569 seien „seit jeher“ dem Grundstück 566 „zugezäunt“ gewesen. Es habe sich seinerzeit um eine abgeschlossene Weidefläche gehandelt. Die Grundstücksteile seien von dem im Jahr 1973 abgeschlossenen Kaufvertrag mitumfasst gewesen. Jedenfalls hätten die Beklagte und ihr Ehemann durch ungehinderte, redliche und rechtmäßige Bewirtschaftung seit dem Jahr 1973 das Eigentum daran ersessen. Die Schwiegermutter der Beklagten habe ab 1973 keine Bewirtschaftungshandlungen mehr an den strittigen Flächen vorgenommen. Vielmehr seien diese Flächen seither stets vom Ehemann der Beklagten und von dieser selbst bewirtschaftet worden. Wegen des in der Natur vorhandenen Zauns scheide auch ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb des Klägers aus, weil ihm die Abweichung der Naturgrenzen von den Mappengrenzen bekannt sein hätte müssen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Da der Kläger mit dem Verkäufer den Liegenschaftserwerb laut Mappengrenze vereinbart habe, komme es nicht auf die in der Natur befindliche Grenze an. Die Beklagte sei nicht durch Ersitzung Eigentümerin der strittigen Grundstücksteile geworden: Ihr Rechtsvorgänger im Eigentum (ihr Ehemann) habe zwar den „Schenkungsvertrag“ (richtig: Kaufvertrag) mit seiner Mutter bereits im Jahr 1973 abgeschlossen, sein Eigentumsrecht sei aber erst 1982 verbüchert worden. Die Beklagte sei erst 1988 Hälfteeigentümerin geworden, ihr Ehemann sei 2003 Alleineigentümer der Nachbargrundstücke (gemeint: der EZ 17) geworden und die Beteiligen seien außerdem davon ausgegangen, dass er einmal Eigentümer aller Grundstücke würde. Die Beklagte könne sich auch keine Ersitzungszeit ihres Rechtsvorgängers anrechnen lassen.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Entscheidend für den Umfang des Eigentumserwerbs an einer Liegenschaft sei nicht die Grundbuchsmappe, sondern der Wille der Vertragsparteien. Maßgeblich seien jedoch nicht die Papier-, sondern die Naturgrenzen. Der Kläger habe den als Vorfrage zu prüfenden Verlauf der Grenze zwischen dem Grundstück 566 und den Grundstücken .28/2 und 569, den er aufgrund der Basiskarte des Kärnten Atlas behaupte, nicht beweisen können. Da die Beklagte bei Abschluss des Kaufvertrags Hälfteeigentümerin der EZ 577 gewesen sei, habe ihr Ehemann ohne sie keine Vereinbarung über die Grenzen der EZ 577 treffen können. Die Vertragsparteien hätten nach den Feststellungen zwar die Absicht gehabt, nach der „Papiergrenze“ zu kaufen bzw zu verkaufen, allerdings hätten sie auch die nachträgliche Abwicklung eines Flächentauschs vor Augen gehabt, dem die Beklagte zustimmen hätte müssen. Damit sei eine übereinstimmende Absicht zum (Ver‑)Kauf nach den „Papiergrenzen“ in Frage zu stellen. Außerdem habe diese Absicht der Vertragsparteien im schriftlichen Kaufvertrag vom 13. August 2014 keinen Niederschlag gefunden; vielmehr sei darin auf die tatsächlichen Besitz- und Nutzungsgrenzen abgestellt worden. Abgesehen davon hätten die Vertragsparteien Kenntnis von dem in der Natur vorhandenen Zaun gehabt und gewusst, dass die Beklagte als angrenzende Dritte einem anderen Verlauf der Grenze nicht zustimme. Im Hinblick darauf habe der Verkäufer dem Kläger nicht mehr Rechte übertragen können, als ihm selbst als Eigentümer der EZ 17 gegenüber „den Eigentümern der EZ 577“ zugekommen seien. Alle anderen Fragen, wie die Ersitzung, könnten daher auf sich beruhen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Parteien eines Liegenschaftskaufvertrags, die in Kenntnis der natürlichen Grenzen seien, die „Papiergrenze“ – außerhalb des die Eintragungsgrundlage bildenden schriftlichen Kaufvertrags – als Grenze auch gegenüber dem dieser nicht zustimmenden Nachbarn festlegen könnten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Dem Berufungsgericht ist grundsätzlich dahin zuzustimmen, dass der Mappendarstellung – außer im hier nicht vorliegenden Fall, dass die strittige Grenze im Grenzkataster eingetragen ist – nicht die Bedeutung einer bücherlichen Eintragung zukommt, sondern sie nur dazu bestimmt ist, die Lage der Liegenschaften zu veranschaulichen. Das Vertrauen auf die Darstellung der Grenze wird daher nicht geschützt. Maßgeblich ist vielmehr der in der Natur festzustellende Verlauf (RIS‑Justiz RS0049554 [T1, T2, T7]). Der Kläger verweist jedoch zutreffend auf die Feststellung, wonach er mit dem Verkäufer ausdrücklich den Erwerb „nach den Mappengrenzen“ vereinbart hat. Der Umstand, dass diese – nach den Feststellungen auch dem Vertragserrichter bekannte – mündliche Vereinbarung im schriftlichen Kaufvertrag nicht dezidiert festgehalten wurde, ändert nichts an der Wirksamkeit der (mündlichen) Vereinbarung.

2. Dass sich der Kaufvertrag auch auf die dem Grundstück der Beklagten „zugezäunten“ Teile von Grundstücken der EZ 17 erstreckte, bedeutet allerdings noch nicht zwingend, dass der Verkäufer dem Kläger auch tatsächlich das Eigentum daran verschaffen konnte. Voraussetzung dafür wäre nach dem allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz „nemo plus iuris transferre potest, quam ipse habet“ nämlich, dass ihm selbst das Alleineigentum daran zukam. Dies ist zu untersuchen:

3. Die Beklagte konnte ihre primäre Behauptung, ihr Ehemann habe im Jahr 1973 nicht nur das Grundstück 566, sondern die gesamte eingezäunte Fläche (also einschließlich der hier strittigen Grundstücksteile) von seiner Mutter gekauft und in der Folge derivativ Eigentum daran erworben, nicht beweisen. Zu prüfen ist deshalb, ob sie im Sinn ihres hilfsweisen Vorbringens durch Ersitzung Eigentümerin der strittigen Flächen geworden ist.

4.1. Voraussetzung jeder Ersitzung ist eine Besitzausübung, welche die volle Zugehörigkeit der Sache zum Ausübenden so sichtbar zum Ausdruck bringt, dass sie eine Besitzausübung dritter Personen nicht zulässt (RIS‑Justiz RS0010101). Für die Ersitzung einer Landfläche müssen Handlungen gesetzt werden, die den Eigentümer von der Ausübung seines Rechts ausschließen. Die Besitzausübung muss die volle Zugehörigkeit der Sache zum Ausübenden sichtbar zum Ausdruck bringen. Typische Arten der Ausübung des Sachbesitzes an unbeweglichen Sachen sind das Betreten, Verrainen, Einzäunen, Bezeichnen oder Bearbeiten (RIS‑Justiz RS0034276 [T1, T2]).

4.2. Die Beweislast für das Vorliegen der Ersitzungsvoraussetzungen trifft grundsätzlich den Ersitzungsbesitzer, der Art und Umfang der Besitzausübung und die Vollendung der Ersitzungszeit zu behaupten und zu beweisen hat, wobei es jedoch genügt, wenn das Bestehen des Besitzes zu Beginn und am Ende der Ersitzungszeit feststeht. Hingegen ist es Sache des Gegners, einen in deren Verlauf eingetretenen Verlust des Besitzes oder eine Unterbrechung der Ersitzung oder ein die Ersitzung ausschließendes Verhältnis zu beweisen. Auch die Redlichkeit des Besitzes wird vermutet (RIS‑Justiz RS0034251 [T1, T5 bis T9, T11]).

5.1. Der Umstand, dass die Beklagte und ihr Ehemann ab 1973 – als Mitbewohner der damaligen Eigentümerin der Liegenschaft EZ 17 – (auch) die strittigen Teilflächen der Grundstücke .28/2 und 569 bewirtschafteten bzw benützten, konnte naturgemäß noch keinen Ersitzungsbesitz begründen; dies änderte sich allerdings mit der Errichtung des Zauns und des dazu gehörigen Betonsockels im Jahr 1980, weil ab diesem Zeitpunkt die damalige Eigentümerin der Liegenschaft EZ 17 von der Ausübung ihres Rechts an den nun strittigen Grundstücksteilen ausgeschlossen wurde.

5.2. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts und des Revisionswerbers stand die Tatsache, dass die Beklagte erst 1988 Miteigentümerin der EZ 577 wurde (und zuvor das Eigentumsrecht ihres Ehemannes erst 1982 verbüchert wurde), dem Beginn der Ersitzungszeit mit Errichtung des Zauns nicht entgegen; dem Umstand, ob der Ersitzungsbesitzer bücherlicher Eigentümer eines angrenzenden Grundstücks ist, fehlt nämlich die Relevanz.

5.3. Dass die Beklagte und/oder ihr Ehemann jemals Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Besitzes (also an der Zugehörigkeit der gesamten eingezäunten Fläche zum gekauften Grundstück 566) gehabt hätten, somit unredlich gewesen wären (RIS-Justiz RS0010175 [T6]), hat der Kläger nicht einmal behauptet.

5.4. Da sich an der Besitzausübung der Beklagten ab 1980 (vorerst für ihren Ehemann, ab 1988 für diesen und für sie selbst) bis zum Abschluss des Kaufvertrags im Jahr 2014, also – unter Einrechnung der Ersitzungszeit ihres Vormannes – durch mehr als 30 Jahre, nichts geändert hat, hat sie durch Ersitzung originär Eigentum an den strittigen Grundstücksteilen erworben.

6.1. Mangels bücherlicher Einverleibung des Eigentumsrechts der Beklagten an diesen Grundflächen wäre grundsätzlich ein gutgläubiger Eigentumserwerb des Klägers nach § 1500 ABGB denkbar.

6.2. Um den Liegenschaftserwerber des Schutzes des § 1500 ABGB teilhaftig werden zu lassen, ist jedoch erforderlich, dass diesem sowohl im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs als auch in jenem der Antragstellung auf Einverleibung seines Eigentumsrechts eine allenfalls vom Grundbuchstand abweichende wahre Sachlage unbekannt war (RIS-Justiz RS0034776 [T1]). Der redliche Erwerber wird somit nicht geschützt, wenn seine irrige Vorstellung über den Umfang eines fremden Rechts auf – auch nur leichter – Fahrlässigkeit beruht (RIS-Justiz RS0034776 [T4, T6, T11, T23]). Die Sorgfaltsanforderungen an den Erwerber dürfen zwar nicht überspannt werden, weil sonst das Grundbuch entwertet würde (RIS-Justiz RS0034776 [T3]); dieser muss allerdings Nachforschungen anstellen, wenn der indizierte Verdacht besteht, dass die tatsächlichen Besitzverhältnisse nicht dem Grundbuchstand entsprechen, wenn sich also nach den Umständen des Einzelfalls konkrete Bedenken ergeben (RIS-Justiz RS0034776 [T13, T22]). Wer sich angesichts einer nicht völlig geklärten Rechtslage bloß mit beruhigenden Erklärungen des Verkäufers begnügt, ohne einen weiteren Versuch der Aufklärung der wahren Verhältnisse zu unternehmen, handelt fahrlässig (RIS-Justiz RS0079884). Der Erwerber einer Liegenschaft, dem sich bei gehöriger Aufmerksamkeit Bedenken gegen die Übereinstimmung der tatsächlichen Besitzverhältnisse mit dem Grundbuchstand ergeben, darf sich nicht mit der Einsicht in das Grundbuch und in die Grundbuchsmappe begnügen (RIS‑Justiz RS0011258 [T1]).

6.3. Im vorliegenden Fall war dem Kläger bei Abschluss des Kaufvertrags bekannt, dass der Zaun nicht an der Grenze zwischen der EZ 17 und der EZ 577, sondern auf zur EZ 17 gehörigen, vom Kaufvertrag umfassten Grundstücken errichtet war. In dieser Situation durfte er sich schon deshalb nicht auf die Zusicherung des Verkäufers verlassen, Eigentümer auch der nun strittigen Grundflächen zu sein, weil dieser ihm mitteilte, eine Vermessung der Grundstücke komme wegen der dafür notwendigen Zustimmung der Beklagten nicht in Frage. Es liegt nämlich auf der Hand, dass der Alleineigentümer einer Liegenschaft für deren Vermessung nicht der Zustimmung von Grundstücksnachbarn bedarf. Dass der Verkäufer die Zustimmung der Beklagten als erforderlich – und implizit als nicht zu erlangen – beschrieb, hätte den Kläger hellhörig machen müssen. Er durfte sich deshalb nicht auf die Zusage des Verkäufers verlassen; vielmehr wäre er gehalten gewesen, sich an die Beklagte selbst zu wenden, um Klarheit über das Eigentum an den strittigen Grundflächen zu erlangen. Da er das Eigentum daran wegen seines fahrlässigen Verhaltens nicht gutgläubig erwerben konnte, muss die Beklagte die von ihm begehrte Entfernung des Grenzzauns nicht dulden.

7. Die Revision muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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