OGH 9ObA105/17g

OGH9ObA105/17g21.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Bianca Hammer und Harald Kohlruss als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Mag. Patrick Gaulin, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei P*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Alfons Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 1.208,06 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 1.016,83 EUR brutto) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 13. Juni 2017, GZ 15 Ra 38/17a‑15, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 23. Jänner 2017, GZ 46 Cga 86/16x‑11, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00105.17G.0321.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 335,64 EUR (darin enthalten 55,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten ab 12. 2. 2016 als Bodenleger beschäftigt. Der vereinbarte Lohn betrug 2.032,79 EUR brutto bzw 1.500 EUR netto. Aufgrund eines Bandscheibenvorfalls befand er sich ab 23. 5. 2016 im Krankenstand. Dies teilte er der Beklagten mit SMS vom 24. 5. 2016 mit. Am selben Tag übermittelte er per E‑Mail eine ärztliche Bescheinigung, in der „Krankheit“ sowie der Beginn der Arbeitsunfähigkeit mit 23. 5. 2016 angegeben war, jedoch keine voraussichtliche Dauer des Krankenstands. Auf Nachfrage gab der Kläger dem Dienstgeber bekannt, ab Montag dem 30. 5. 2016 wieder einsatzfähig zu sein. Am 30. 5. 2016 meldete er sich wieder per SMS und erklärte, noch zwei Infusionen erhalten zu haben und die Arbeit daher erst am 31. 5. 2016 wieder antreten zu können.

Entgegen dieser Ankündigung erschien er jedoch am 31. 5. 2016 nicht zur Arbeit und war für die Beklagte auch nicht mehr erreichbar. Daraufhin übermittelte ihm die Beklagte ein mit 6. 6. 2016 datiertes Schreiben, dass ihm, da er angegeben habe, mit 31. 5. 2016 wieder arbeitsfähig zu sein und seitdem nicht mehr erreichbar sei, kein Entgelt mehr ausbezahlt werde. Daraufhin meldete sich der Kläger am 13. 6. 2016 bei der Beklagten und teilte mit, noch nicht arbeitsfähig zu sein. Am 14. 6. 2016 vereinbarten die Parteien die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Kläger noch im Krankenstand.

Der Kläger begehrte zuletzt die Zahlung eines Betrags von 1.208,06 EUR, der sich aus Lohn für den Zeitraum 1. 6. bis 14. 6. 2016, anteilige Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung zusammensetzt. Aufgrund seines Krankenstands, den er der Beklagten auch mitgeteilt habe, habe keine Arbeitspflicht bestanden. Es liege auch kein unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeit vor.

Die Beklagte bestritt und brachte vor, der Kläger sei trotz Ankündigung am 31. 5. 2016 nicht wieder zur Arbeit erschienen und sei auch nicht mehr erreichbar gewesen. Damit sei er der durch seine eigene Bekanntgabe neu ausgelösten Verpflichtung zur Krankmeldung nicht nachgekommen, weshalb er für die Dauer dieser Säumnis den Anspruch auf Entgeltfortzahlung verloren habe. Der Anspruch auf Sonderzahlungen bestehe jedenfalls nicht in der geltend gemachten Höhe.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte, dem Kläger 1.178,43 EUR brutto sA zu zahlen, das Mehrbegehren wies es ab. Nach § 4 Abs 1 EFZG sei ein Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Dienstverhinderung ohne Verzug bekanntzugeben. Eine Verletzung dieser Verpflichtung führe dazu, dass er für die Dauer der Säumnis den Anspruch auf Entgelt verliere. Diese Verpflichtung beziehe sich nur auf den Beginn des Krankenstands, nicht auf die Verlängerung. Der Kläger habe seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit am 24. 5. 2016 mitgeteilt. Damit habe er seiner Meldepflicht entsprochen. Zu einer weiteren Mitteilung, weshalb er am 31. 5. 2016 entgegen seiner vorhergehenden Ankündigung die Arbeit nicht angetreten habe, sei er nicht verpflichtet gewesen. Bei richtiger Berechnung der Sonderzahlungen ergebe sich jedoch nur ein Anspruch von 1.178,43 EUR brutto sA.

Der gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils erhobenen Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht teilweise Folge und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger 191,23 EUR brutto sA zu zahlen. Das Mehrbegehren wies es ab. Es ging ebenfalls davon aus, dass sich die Meldepflicht des Dienstnehmers auf den Beginn des Krankenstands, nicht aber auf eine Verlängerung beziehe. Wenn jedoch der Arbeitnehmer von sich aus die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ausdrücklich begrenze, etwa durch Angabe des letzten Tags des Krankenstands, und sich in der Folge ergebe, dass bei ihm über diesen Tag hinaus eine Arbeitsverhinderung vorliege, bestehe neuerlich die Pflicht zur Mitteilung der (fortdauernden) Arbeitsverhinderung. Vom 1. 6. 2016 bis 13. 6. 2016 liege daher eine Verletzung der Mitteilungspflicht vor, weshalb für diesen Zeitraum kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestehe, ebenso kein Anspruch auf Sonderzahlungen. Unter Berücksichtigung der für den übrigen Zeitraum zustehenden Sonderzahlungen sowie der Urlaubsersatzleistung und dem offenen Lohn habe die Beklagte dem Kläger noch 191,23 EUR brutto sA zu zahlen.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil Rechtsprechung zu der über den Einzelfall hinausgehenden Frage fehle, ob eine durch den Arbeitnehmer vorgenommene zeitliche Eingrenzung eines bestehenden Krankenstands bei sonstigen Säumnisfolgen die Obliegenheit auslöse, die Fortdauer der Arbeitsverhinderung bekanntzugeben.

Gegen die Abweisung eines Betrags von 1.016,38 EUR brutto sA wendet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, der Klage auch in diesem Umfang stattzugeben. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Nach § 4 Abs 1 EFZG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, ohne Verzug eine Arbeitsverhinderung dem Arbeitgeber bekanntzugeben und auf Verlangen des Arbeitgebers, das nach angemessener Zeit wiederholt werden kann, eine Bestätigung des zuständigen Krankenversicherungsträgers oder eines Gemeindearztes über Beginn, voraussichtliche Dauer und Ursache der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Die schuldhafte Verletzung dieser Pflichten durch den Arbeitnehmer führt für die Dauer der Säumnis zum Verlust des Entgeltfortzahlungsanspruchs (§ 4 Abs 4 EFZG). Die Anzeige der Dienstverhinderung dient der unverzüglichen Information des Arbeitgebers über den Ausfall des Arbeitnehmers. Dem Arbeitgeber soll so die Möglichkeit rechtzeitiger Dispositionen gegeben werden, aber auch die Möglichkeit

zur Abwägung verschaffen, ob das Fernbleiben des Arbeitnehmers sachlich gerechtfertigt ist bzw war (RIS‑Justiz RS0027976).

Der Inhalt der Meldung ist einerseits auf das Fernbleiben vom Dienst und andererseits auf die Krankheit (den Unglücksfall) als Grund gerichtet. Die Krankheit selbst muss dabei weder benannt noch müssen die körperlichen oder seelischen Beschwerden erklärt werden, es reicht aus, wenn der Arbeitnehmer als Grund bloß „Krankheit“ nennt (zur insoweit gleichlautenden Bestimmung des § 8 Abs 8 AngG: Burger in Reissner [Hrsg], AngG 2 [2015] § 8 Rz 30 mwN).

Unstrittig ist, dass der Kläger dieser Verpflichtung zunächst durch Bekanntgabe seiner Erkrankung nachgekommen ist und auch, ohne ein Verlangen des Arbeitgebers abzuwarten, eine ärztliche Bestätigung vorlegte. Auch wenn diese keine Angaben zur voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit beinhaltete, liegt darin keine Verletzung einer Nachweispflicht, da die Vorlage einer weitergehenden Bestätigung vom Arbeitgeber nicht verlangt wurde.

2. Grundsätzlich richtig verweist die Revision darauf, dass nur der Beginn des Krankenstands, nicht jedoch das Hinzutreten einer weiteren Erkrankung bei Fortdauer des ununterbrochenen Krankenstands oder die Verlängerung desselben die Verpflichtung zur Krankmeldung auslöst (vgl RIS‑Justiz RS0027976 [T4]; Drs in ZellKomm 2 § 8 AngG Rz 70; Vogt in Mazal/Risak [Hrsg], Das Arbeitsrecht‑System und Praxiskommentar [16. Lfg 2016], Krankheit und Unglücksfall Rz 46).

Daran ändert auch nichts, wenn der Arbeitnehmer selbst eine „voraussichtliche Dauer“ seiner Arbeitsunfähigkeit, sei es von sich aus oder auf Drängen des Arbeitgebers bekannt gibt. Wie vom Obersten Gerichtshof bereits zur ärztlichen Krankenstandsbestätigung ausgeführt wurde, liegt es in der Natur der Sache, dass auch von einem Arzt über den tatsächlichen Krankheitsverlauf immer nur unverbindliche und unsichere Prognosen abgegeben werden können (9 ObA 62/02m). Umso mehr muss das für den Arbeitnehmer gelten, der einen Krankheitsverlauf aufgrund fehlender medizinischer Kenntnisse noch weniger einschätzen kann.

In der Literatur wird vertreten, dass dann, wenn der Arbeitnehmer von sich aus die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ausdrücklich begrenzt (zB durch die Angabe des letzten Tages der Krankheit) und sich in der Folge ergibt, dass über diesen Tag hinaus eine Arbeitsverhinderung gegeben ist, eine neuerliche Pflicht zur Mitteilung der fortdauernden Arbeitsverhinderung besteht ( Kallab/Hauser , Entgeltfortzahlungsgesetz 5 § 4 Erl 2 [148]; vgl auch Geiblinger , Im Zusammenhang mit dem Krankenstand beachtliche Fristen, ASoK 2012, 255 ff [260]; Drs in ZellKomm 2 § 8 AngG Rz 70; Schindler , Der Nachweis des Krankenstandes, in Resch , Krankenstand: Arbeits‑ und Sozialrechtliche Probleme [2007] 13 ff [20]; Rauch , Kommentar zum EFZG [2006] § 4 EFZG Anm 1.6 [94]).

Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Nach dem Gesetz ist der Arbeitnehmer nur verpflichtet, die Arbeitsverhinderung bekanntzugeben. Erst auf Verlangen des Arbeitgebers ist eine Krankenstandsbestätigung, die auch die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit beinhaltet, vorzulegen. Dieses Verlangen kann nach angemessener Zeit wiederholt werden. Das Gesetz fordert daher gerade kein weiteres Tätigwerden des Arbeitnehmers, sondern räumt nur dem Arbeitgeber die Möglichkeit ein, eine Bestätigung über die Fortdauer des Hinderungsgrundes zu verlangen.

Auch wenn der Arbeitnehmer selbst eine Prognose über die voraussichtliche Dauer seines Krankenstands macht, führt dies zu keinen weitergehenden Melde- oder Nachweispflichten als den im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen.

Nur für den Fall der Verletzung der im Gesetz vorgesehenen Melde- und Nachweispflichten sieht § 4 Abs 4 EFZG den Entfall des Anspruchs auf Entgelt vor. Liegt keine solche Pflichtverletzung vor, besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

3. Der vorliegende Fall ist nun dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger gegenüber der Beklagten nicht eine voraussichtliche Dauer des Krankenstands bekanntgegeben hat, sondern – von sich aus – ankündigte, am nächsten Tag die Arbeit wieder anzutreten. Mit dieser Bekanntgabe hat er keine Prognose über die voraussichtliche Dauer des Krankenstands abgegeben, sondern vielmehr dessen Ende gemeldet. Dadurch hat er aber eine Situation geschaffen, in der der Arbeitgeber berechtigt davon ausgehen konnte, dass die Arbeitsfähigkeit des Klägers wiederhergestellt ist und einer Arbeitsaufnahme am nächsten Tag keine Hindernisse entgegenstehen, weshalb bei einer tatsächlich vorliegenden neuerlichen oder fortdauernden Dienstverhinderung im konkreten Fall auch eine neue Meldepflicht resultierte.

Zu Recht ist daher das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger aufgrund dieser Verletzung der Meldepflicht für den nachfolgenden Zeitraum bis zur neuerlichen Kontaktaufnahme mit dem Arbeitgeber nach § 4 Abs 4 EFZG kein Entgelt zusteht. Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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