OGH 9Ob18/18i

OGH9Ob18/18i21.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der beim Oberlandesgericht Wien anhängigen Kartellrechtssache der Antragstellerin M***** GmbH, *****, vertreten durch Hon.‑Prof. Dr. Norbert Gugerbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin W***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Norbert Wiesinger, Rechtsanwalt in Wien, sowie der Amtsparteien Bundeswettbewerbsbehörde, 1020 Wien, Praterstraße 31, und Bundeskartellanwalt 1011 Wien, Schmerlingplatz 11, wegen § 26 KartG, über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 11. Jänner 2018, GZ 12 Nc 25/17v‑3, womit der Antrag auf Ablehnung der vorsitzenden Richterin des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Wien zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00018.18I.0321.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Die abgelehnte Richterin des Oberlandesgerichts ist die Senatsvorsitzende in der dem Ablehnungsverfahren zugrunde liegenden Kartellrechtssache.

In der Tagsatzung vom 9. 10. 2017 (ON 322) beantragte die Antragstellerin zu einem bestimmten Beweisthema die Einvernahme mehrerer Zeugen sowie die Ergänzung des mündlich erörterten Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige erklärte, dass er ohne weitere Erhebungen in Bezug auf das von der Antragstellerin erhobene ergänzende Vorbringen keine weiteren Angaben machen könne. Am Ende der Tagsatzung gab die Senatsvorsitzende bekannt, dass über die weitere Vorgehensweise bzw Beschlussfassung des Senats schriftlich entschieden werde.

Am 12. 10. 2017 (ON 323) richtete die Senatsvorsitzende ein schriftliches Amtshilfeersuchen an den Magistrat der Stadt Wien, MA 46, in dem sie unter Hinweis auf die Relevanz des Sachverhalts für das anhängige Kartellverfahren um bestimmte Auskünfte ersuchte.

Mit Eingabe vom 30. 11. 2017 (ON 332) lehnte die Antragstellerin die Senatsvorsitzende des Kartellsenats Mag. R***** als befangen ab. Die Antragstellerin habe nur durch Zufall von den Erhebungen der Senatsvorsitzenden erfahren. Da sie von diesem Amtshilfeersuchen nicht verständigt und ihr auch nicht die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt worden sei, sei ihr rechtliches Gehör verletzt worden. Es müsse auch davon ausgegangen werden, dass die Senatsvorsitzende beabsichtige, die Parteien vor Zustellung der Sachentscheidung vom Ergebnis ihres Amtshilfeersuchens nicht zu verständigen.

Die Antragsgegnerin trat dem Ablehnungsantrag in ihrer Stellungnahme entgegen (ON 335).

Die abgelehnte Senatsvorsitzende erklärte, sich nicht befangen zu fühlen. Die Behauptung der Antragstellerin, die Senatsvorsitzende würde den Parteien das Ergebnis des Amtshilfeersuchens vor Fällung der Sachentscheidung nicht mitteilen, sei eine unrichtige Mutmaßung (ON 338).

Erst im Jänner 2018 langte die Beantwortung des Rechtshilfeersuchens durch den Magistrat der Stadt Wien beim Oberlandesgericht ein (ON 340).

Das Oberlandesgericht wies mit dem nunmehr bekämpften Beschluss den Ablehnungsantrag zurück. Verfahrensmängel könnten nur dann den Anschein der Befangenheit begründen, wenn es sich dabei um schwerwiegende Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze handle, die an der Objektivität des Richters mit Grund zweifeln ließen. Davon könne hier keine Rede sein. Vielmehr führe die abgelehnte Richterin das Verfahren in Einklang mit den Bestimmungen der § 38 KartG iVm §§ 13, 31 Abs 1 AußStrG. Die im Ablehnungsantrag geäußerte Befürchtung, die abgelehnte Senatsvorsitzende beabsichtige, die Parteien vor Zustellung der Sachentscheidung vom Ergebnis des Amtshilfeersuchens nicht zu verständigen, sei reine Spekulation und ebenfalls nicht dazu geeignet, einen tauglichen Befangenheitsgrund zur Darstellung zu bringen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, dem Ablehnungsantrag stattzugeben.

Die Antragsgegnerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Im kartellgerichtlichen Verfahren gelten die allgemeinen Regelungen der §§ 19 ff JN (RIS‑Justiz RS0123013).

Gemäß § 19 Z 2 JN kann eine Partei einen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnen. Ein Richter ist nach ständiger Rechtsprechung dann als befangen anzusehen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Das Wesen der Befangenheit besteht in einer Hemmung einer unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive (RIS‑Justiz RS0045975). Wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, können Verfahrensmängel nur dann – ausnahmsweise – den Anschein der Befangenheit begründen, wenn es sich dabei um schwerwiegende Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze handelt, die an der Objektivität des Richters mit Grund zweifeln lassen (RIS‑Justiz RS0045916 und RS0046090 [T7]). Dies ist hier nicht der Fall.

Dass die Rekurswerberin die Anwendung des in § 16 AußStrG verankerten Amtswegigkeitsgrundsatzes im Kartellverfahren (vgl 25 Kt 19/08; 16 Ok 2/17f; 2 Ob 4/17b) für rechtsstaatlich unbefriedigend hält, ist kein berechtigter Grund, die Unbefangenheit der Senatsvorsitzenden in Zweifel zu ziehen. Die Rekurswerberin wird mit ihren Überlegungen auf das Rechtsmittelverfahren in der Hauptsache verwiesen. Bei den behaupteten Verfahrensverstößen (ua keine schriftliche Entscheidung des Senats über die Erhebungen beim Magistrat Wien, keine Möglichkeit zur Stellungnahme zu diesem Ersuchen, Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die Bekanntgabe der Ergebnisse des Amtshilfeersuchens, unterlassene Einvernahme von Zeugen und Parteien zum Thema des Amtshilfeersuchens), handelt es sich nicht um die Behauptung derart schwerwiegender Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze, die an der Objektivität der Senatsvorsitzenden mit Grund zweifeln lassen müssen.

Dem Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.

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