OGH 12Os112/17p

OGH12Os112/17p15.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Dr. Oshidari und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ettel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alexandru P***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF 1989/242 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 6. Juli 2017, GZ 34 Hv 129/16t‑188, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00112.17P.0315.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alexandru P***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF (richtig:) 1989/242 (A./1./), der Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (A./2./), der Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 3 StGB (A./3./), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (A./4./), der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, § 15 Abs 1 StGB (B./1./), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (B./2./), der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (B./3./), des Vergehens des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 StGB (C./1./) sowie des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 Z 1 und Abs 4 vierter Fall StGB (C./2./) schuldig erkannt.

Danach hat er in H***** und anderen Orten

A./ zu nicht näher bekannten Zeitpunkten zwischen Sommer 1997 und 7. Oktober 1997

1./ seine am 7. November 1984 geborene Schwester Veronica P***** in drei Angriffen teils mit Gewalt, teils durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Vornahme des Beischlafs genötigt, indem „er sie ins Schlafzimmer rief, die Tür versperrte und teils aufforderte, sich auszuziehen, andernfalls er sie schlagen würde,teils – nach einem Fluchtversuch – in sein Zimmer zurück zerrte, mit einem Holzprügel auf ihre Oberschenkel schlug und äußerte, wenn sie noch einmal versuchen würde wegzulaufen, würde er sie so lange dreschen, bis sie 'hin' sei,sich sodann mit entblößtem Unterkörper auf das Bett legte, Veronica P***** aufforderte, sich auf ihn drauf zu setzen und als sie der Aufforderung nicht nachkommen wollte, sie teils mit einem Holzprügel schlug, teils äußerte, dass er sie schlage, wenn sie nichts tue,woraufhin sich Veronica P***** mit nacktem Unterkörper direkt auf seinen Penis setzte, wobei Alexandru P***** seinen Penis dabei mit der Hand umfasste und in ihre Scheide einführte“;

2./ durch die zu Punkt A./1./ geschilderten Tathandlungen den Beischlaf mit einer unmündigen Person vorgenommen;

3./ durch die zu Punkt A./1./ geschilderten Tathandlungen mit seiner Schwester den Beischlaf vollzogen;

4./ seine am 7. November 1984 geborene Schwester Veronica P***** im Anschluss an die erste zu Punkt A./1./ genannte Tat durch gefährliche Drohung mit dem Tod, nämlich durch die ihr gegenüber getätigte Äußerung, wenn sie irgendwas sage, dann bringe er sie um,zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von einer Anzeigenerstattung bzw von der Schilderung des Vorfalls gegenüber weiteren Personen, genötigt;

B./ seine (Ex-)Ehefrau Mihaiela V*****

1./ durch nachgenannte Tathandlungen teils am Körper vorsätzlich verletzt, teils zu verletzen versucht, und zwar

a./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2006, indem er ihr mit einem Spielzeug-LKW mehrere Male auf den Kopf bzw die rechte Hand schlug, als sie im Zuge einer Abwehrbewegung ihre Hände schützend auf den Kopf hielt, wodurch sie eine Schnittwunde am rechten Daumen, eine Schwellung und Hämatome am rechten Arm sowie starke Kopfschmerzen erlitt;

b./ im Juni oder Juli 2006, indem er ihr drei bis vier Teller auf den Kopf schlug, „wobei es beim Versuch blieb, da sie lediglich Kopfschmerzen erlitt“;

c./ am 1. August 2007, indem er ihr mit der Faust auf die Nase schlug, wodurch sie ein posttraumatisches Ödem der Nase und starke, in die Stirn ausstrahlende Schmerzen erlitt;

d./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2008 oder 2009, indem er ihr mit der Faust unter das linke Schlüsselbein boxte, wodurch sie einen blauen Fleck und eine massive Schwellung erlitt;

e./ am 20. Mai 2012, indem er sie „schupfte“, sodass sie mit dem Rücken gegen den Heizkörper stieß, wodurch sie Hämatome am Rücken und am rechten Oberschenkel erlitt;

f./ am 10. September 2010 in L***** „durch das Erfassen und Würgen am Hals (rötliche Verfärbung)“;

2./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2008 oder 2009 gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr ein Messer an den Hals hielt und äußerte, was sie nun machen würde;

3./ von 2004 bis 2011wiederholt mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr gegenüber äußerte, dass er sie umbringen bzw „behindert oder in Stücke machen würde“;

C./ zu nicht näher bekannten Zeitpunkten

1./ von zumindest September 2005 bis 31. Mai 2009 seinem am 31. August 2002 geborenen Sohn Michael P*****, der seiner Fürsorge und Obhut unterstand und das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, körperliche oder seelische Qualen zugefügt, indem er ihm mehrmals im Jahr sowohl mit der flachen Hand als auch mit einem Hosenledergürtel Schläge gegen den Gesäß- und Rückenbereich versetzte, wobei Michael P***** dadurch blaue Flecken erlitt, ihn gegen die Wand stieß und ihm mit der flachen Hand Schläge in das Gesicht versetzte;

2./ gegen seinen am 31. August 2002 geborenen Sohn Michael P*****, somit gegen eine unmündige Person, vom 1. Juni 2009 bis Februar 2011, also länger als ein Jahr, dadurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, dass er die unter Punkt C./1./ beschriebenen, mit Strafe bedrohten Handlungen gegen Leib und Leben mehrmals im Jahr weiterhin beging.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, Z 4, Z 5, Z 9 lit a und lit b, Z 10 und Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO iVm § 252 StPO liegt bei einem Verstoß gegen die Verlesungsbeschränkungen oder gegen das Umgehungsverbot vor. Ein solcher wird von der Rüge jedoch nicht einmal behauptet. Vielmehr moniert sie – der Sache nach Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 5 (vierter Fall) StPO anstrebend – die Berücksichtigung von Beweismitteln im Urteil, die nicht im Sinn des § 258 StPO zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden wären. Zur prozessordnungsgemäßen Geltendmachung eines derartigen Begründungsmangels sind sowohl die jeweils im einzelnen gerügte Feststellung als auch jene urteilsmäßige Beweisgrundlage zu bezeichnen, die nach Auffassung des Beschwerdeführers nicht im Sinn des § 258 Abs 1 StPO Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen sein soll (vgl RIS-Justiz RS0098481 [insbesondere T15]).

Der Beschwerdeführer rügt zwar vorerst pauschal, sämtliche früheren Angaben in der Hauptverhandlung vernommener Zeugen seien – über seine eigene Antragstellung – mangels Verlesung (ON 187 AS 17) nicht in ihr vorgekommen und hätten im Urteil daher auch nicht verwertet werden dürfen. Konkret beschränkt er sich jedoch darauf, einzelne (wenige) Passagen der Beweiswürdigung zu den einzelnen Faktengruppen samt den dort aufscheinenden Fundstellen im Akt isoliert wiederzugeben, ohne zwischen früheren Angaben, die tatsächlich nicht Gegenstand des Vortrags durch die Vorsitzende gemäß § 252 Abs 2a StPO waren, und solchen zu differenzieren, die wie die vorgeführten (ON 180 S 13 f) kontradiktorischen Vernehmungen der Tatopfer Veronica P***** und Mihaiela V***** sowie der Mihaela P***** schon im Hinblick auf deren Befragung in der Hauptverhandlung (ON 183 AS 11 ff, 19 ff und 27 ff; vgl Kirchbacher, WK‑StPO § 252 Rz 31) ebenso in dieser vorgekommen sind wie die Aufzeichnungen (§ 252 Abs 2 StPO) des behandelnden Hausarztes (ON 14 AS 7 bis 23) und die Angaben weiterer in der Rüge genannter Zeugen im Rahmen der Hauptverhandlung (Dr. Gerald E*****, ON 185 AS 5 f; Luminita K***** (ON 183 AS 63 ff). Die ebenfalls in der Beschwerde explizit angeführten Angaben des Michael P***** blieben im Urteil sogar unberücksichtigt (US 35).

Die Rüge verabsäumt aber auch ein Vorbringen, dass die Tatrichter nicht bereits bestimmten Beweismitteln schon für sich allein volle Überzeugungskraft zugebilligt, das nicht Vorgekommene im Ergebnis also bloß illustrativ erwähnt hätten (RIS-Justiz RS0113210). Letzteres wäre im Hinblick darauf erforderlich gewesen, dass ein Begründungsmangel in diesem Zusammenhang nur dann gegeben ist, wenn aus der Sicht der Tatrichter das in der Hauptverhandlung nicht vorgekommene Beweismittel nicht hinweg gedacht werden könnte, ohne dass ihre volle Überzeugung vom Vorliegen einer subsumtionsrelevanten Tatsache entfiele (RIS-Justiz RS0113209).

Das angefochtene Urteil lässt – in seinem inneren Zusammenhang gelesen – nämlich zweifelsfrei erkennen, dass das Erstgericht die entscheidenden Tatsachenfeststellungen zu allen Tatvorwürfen – neben nicht von der Beschwerde betroffenen Beweisergebnissen (inbesondere die verlesene [ON 183 AS 29] Darstellung der Friederike R***** [ON 166 Beilage ./4] und die Unterlagen über den Aufenthalt der Mihaiela V***** im Frauenhaus [ON 162]) – bereits auf Grund der für glaubwürdig befundenen Aussagen von Veronica P***** und Mihaiela V***** in der Hauptverhandlung, wo letztere auch die ihr vom Angeklagten zugefügten Verletzungen schilderte (ON 183 AS 27), und anlässlich der in dieser vorgeführten kontradiktorischen Vernehmungen (ON 27 iVm ON 40, ON 38) trafen, sodass auf die vorangehenden, im Wesentlichen damit übereinstimmenden (vgl US 13, 21, 35) Aussagen vor der Polizei (ON 22 AS 13 ff, ON 24 AS 3 ff; ON 4 AS 25 ff, ON 10 AS 37 ff) und im ersten Rechtsgang (ON 73 AS 10 ff, 27 ff) erkennbar als bloß zusätzliche illustrative Begründungselemente verwiesen wurde.

Als solche stellen sich auch die außerhalb der Hauptverhandlung getätigten Angaben der Zeugen Dr. Gerald E***** (US 25), Luminita K***** (die ihre belastenden Angaben im Wesentlichen wiederholte; vgl US 25 f), Mihaela P***** (US 26), Veronica P***** (US 27), Mirella Po***** (US 27) und Cristina Ki***** (US 27) dar, die zu Faktum B./ überwiegend bloß mittelbare Wahrnehmungen schilderten.

Schließlich hat auch Mihaela P***** ihre belastenden Angaben zu A./ nicht nur vor der Polizei (ON 15 AS 7), sondern auch im Rahmen ihrer in der Hauptverhandlung vorgeführten kontradiktorischen Vernehmung (ON 39 iVm ON 180 S 14) getätigt (vgl US 17), sodass sie das Erstgericht jedenfalls im Urteil verwerten durfte.

Nach Abweisung mehrerer inhaltsgleicher Begehren (vgl ON 180 S 14, ON 185 AS 15 f) stellte der Beschwerdeführer unter eingehender Bezugnahme auf die vorliegenden Behandlungsunterlagen (ON 14 AS 7 bis 23) und daraus abgeleiteten eigenständigen Erwägungen „zusammenfassend“ den Antrag auf Einholung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens „zum Beweis dafür, dass es sowohl aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung als auch aus gerichtsmedizinischer Sicht (hinsichtlich der Fakten B./1./a./, B./1./c./ und B./1./e./) ausgeschlossen ist, dass die von Mihaiela V***** geschilderten körperlichen Übergriffe seitens des Angeklagten geeignet sind, die von ihr behaupteten Verletzungen hervorzurufen“, sowie zum „Nachweis der Unglaubwürdigkeit von Mihaiela V*****, da deren Aussagen den Angeklagten auch hinsichtlich der Fakten B./1./b./, B./1./d./ und B./1./f./ belasten“ (ON 187 AS 9 ff). Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider durften die Tatrichter dieses Begehren ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abweisen (ON 187 AS 15 f), weil es im Lichte der übrigen Beweisergebnisse (RIS-Justiz RS0099453 [insbesondere T17]), insbesondere der Bekundung des behandelnden Arztes Dr. Gerald E*****, die Verletzungsbilder seien für ihn mit den Schilderungen der Patientin in Einklang zu bringen gewesen (ON 185 AS 5), trotz der weitwendigen Ausführungen nicht erkennen ließ, aus welchen Gründen zu erwarten sei, dass die Durchführung des begehrten Beweises das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erbringen werde.

Warum die (für eine Subsumtion unter § 83 Abs 1 StGB bereits jeweils für sich genügenden) Verletzungen bzw Gesundheitsschädigungen „Schnittwunde am rechten Daumen, Schwellung und Hämatome am rechten Arm sowie starke Kopfschmerzen“ (B./1./a./) nicht durch das mehrmalige Schlagen mit einem Spielzeug-LKW auf den Kopf bzw die rechte Hand, die Verletzung bzw Gesundheitsschädigung „posttraumatisches Ödem der Nase sowie starke, in die Stirn ausstrahlende Schmerzen“ (B./1./c./) nicht durch einen Schlag mit der Faust auf die Nase, sowie zumindest eine der Verletzungen „Hämatome am Rücken oder am rechten Oberschenkel“ (B./1./e.) nicht durch ein „Schupfen“, das ein Anstoßen des Opfers mit dem Rücken gegen den Heizkörper bewirkte, möglich sein sollten, legte der Antragsteller nicht schlüssig dar (vgl 12 Os 102/12k), sodass der Beweisantrag auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung hinausläuft (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330). Weshalb es einen Akt vorgreifender Beweiswürdigung begründen sollte, dass das Erstgericht eine weiters diagnostizierte Sehnenscheidenentzündung nicht dem Schuldspruch zu Grunde legte (vgl in diesem Sinne auch die Abweisung des Beweisantrags) ist nicht einsichtig. Aus welchem Grund im Übrigen hier zu der – dem erkennenden Gericht vorbehaltenen (§ 258 Abs 2 StPO) – Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Mihaiela V***** die Hilfestellung eines Sachverständigen indiziert gewesen wäre (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350), ließ sich dem Antrag ebenso wenig entnehmen (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 344).

Das den Beweisantrag ergänzende Vorbringen hat aufgrund des im Nichtigkeitsverfahren insoweit bestehenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen (vgl RIS‑Justiz RS0099618).

Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider waren die Tatrichter nicht verhalten, sich mit einem in der Hauptverhandlung vom 21. Juni 2017 (ON 183 AS 35 f) vorgelegten Messenger-Protokoll vom 5. August 2015 über eine Kommunikation zwischen Ioan T***** und Nicolae P***** und dessen Verwendung des Wortes „Krieg“ im Zusammenhang mit dem Angeklagten auseinanderzusetzen, weil diese Umstände ungeachtet allfälliger Zwistigkeiten in der Familie P***** keine erheblichen Verfahrensergebnisse zu entscheidenden Tatsachen (vgl RIS-Justiz RS0118316) betreffen, sagen sie doch nichts darüber aus, ob es zu den inkriminierten Tathandlungen gekommen ist.

Entgegen dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) haben die Tatrichter die auf Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 Z 1 und Abs 4 vierter Fall StGB (C./2./) gerichtete subjektive Tatseite

aus dem objektiven Tatgeschehen abgeleitet (US 39 f), was gerade bei leugnenden Angeklagten unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist (vgl RIS‑Justiz RS0116882). Dass die innere Tatseite bei den zuvor gesetzten gleichartigen Tathandlungen nur auf Verwirklichung des Vergehens des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 StGB (C./1./) gerichtet sein konnte, ergibt sich zwingend aus dem Inkrafttreten des § 107b StGB erst durch BGBl I 2009/40 per 1. Juni 2009 und begründet keinen wie immer gearteten Widerspruch zu der in der Folge geänderten rechtlichen Beurteilung.

Zu C./ stellten die Tatrichter Folgendes fest (US 12): „Zu nicht näher bekannten Zeitpunkten im Zeitraum von zumindest September 2005 bis zur Scheidung im Februar 2011 fügte der Angeklagte seinem Sohn Michael P***** körperliche oder seelische Qualen zu, misshandelte und verletzte ihn jeweils vorsätzlich am Körper und übte dadurch längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt gegenüber dem unmündigen Michael P***** aus, indem er ihm jeweils mehrmals im Jahr sowohl mit der flachen Hand als auch mit einem Hosenledergürtel Schläge gegen den Gesäß- und Rückenbereich versetzte, wobei Michael P***** dadurch blaue Flecken erlitt, er ihn gegen die Wand stieß und ihm mit der flachen Hand auch Schläge in das Gesicht versetzte. Im gegenständlichen Zeitraum kam es konkret dazu, dass Michael P***** vom Angeklagten in der dargestellten Weise zumindest zwei bis drei Mal (im Jahr; vgl US 37) mit dem Gürtel und zumindest ebenso oft mit der Hand geschlagen wurde.“

Weshalb diese Konstatierungen ab 1. Juni 2009 einen Schuldspruch wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 3 Z 1 und Abs 4 vierter Fall StGB bei der gebotenen einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung

der Faktoren Dauer, Dichte und Intensität der Gewaltausübung (RIS-Justiz RS0127377) nicht tragen sollten, vermag die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht methodengerecht aus dem Gesetz abzuleiten (RIS-Justiz RS0116569).

Mit der Reklamierung des prozessualen Verfolgungshindernisses der res iudicata zum Schuldspruchfaktum B./1./f./ zufolge rechtskräftigen Freispruchs mit Urteil des Landesgerichts Leoben vom 14. September 2011, GZ 13 Hv 77/11h‑19 (ON 19 in ON 91), vernachlässigt die Rechtsrüge (Z 9 lit b), dass das Strafverfahren in diesem Punkt mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 23. Oktober 2014, GZ 13 Hv 77/11h‑32 (ON 32 in ON 91), gemäß § 355 StPO iVm § 352 Abs 1 Z 2 StPO wiederaufgenommen wurde. Mangels Hinweises auf ein res iudicata indizierendes Sachverhaltssubstrat verfehlt sie solcherart die gesetzmäßige Ausführung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600; RIS-Justiz RS0118580 [T15]).

Die eine Unterstellung sämtlicher zu C./ genannter Tathandlungen bloß unter § 92 Abs 1 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) orientiert sich nicht an der Gesamtheit der zur subjektiven Tatseite des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 3 Z 1 und Abs 4 vierter Fall StGB getroffenen Feststellungen der Erstrichter (US 12 f und US 39 f), sondern übt vielmehr– soweit erkennbar unter Berufung auf angebliche Rechtsunkenntnis bzw einen Rechtsirrtum des Angeklagten – bloß unzulässig Kritik an der Beweiswürdigung des Schöffensenats.

Damit verfehlt sie den vom Gesetz geforderten, im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz

RS0099810).

Das Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall), das Erstgericht hätte bei der Strafrahmenbildung angesichts des Alters der Angeklagten anlässlich der vom Schuldspruch A./ umfassten Tathandlungen (vgl § 1 Z 2 und Z 3 JGG idF BGBl 1988/599) bei der Strafrahmenbildung die Bestimmung des § 5 Z 4 JGG anwenden müssen, verkennt, dass die Anwendung der strafreduzierenden Bestimmungen des § 5 JGG in Fällen, in welchen der Angeklagte strafbare Handlungen teils vor, teils nach Vollendung des (nunmehr) 18. Lebensjahres begangen hat, nur dann in Betracht kommt, wenn nach § 28 Abs 1 StGB eine (ausschließlich) als Jugendlicher begangene Straftat strafbestimmend ist (vgl RIS‑Justiz RS0086935 [T3]), was vorliegend im Hinblick auf den Schuldspruch C./2./ nicht zutrifft.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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