European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00150.17Z.0227.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Auch bei einer Aufhebung nach § 496 Abs 1 Z 3 ZPO können abschließend erledigte Streitpunkte nicht neu aufgerollt werden (vgl RIS‑Justiz RS0042031; RS0042411). Eine Ausnahme wird nur für solche Tatsachen angenommen, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtsgang neu entstanden sind (RIS‑Justiz RS0042411 [T2]). Bei Aufhebungsbeschlüssen wegen des Vorliegens von Feststellungsmängeln ist die Verfahrensergänzung auf den durch die Aufhebung betroffenen Teil einzugrenzen (RIS‑Justiz RS0042031 [T18]). Welche Verfahrensergebnisse im Aufhebungsbeschluss als abschließend erledigt angesehen wurden, ist zwangsläufig einzelfallabhängig (RIS‑Justiz RS0042031 [T20]). Ebenso hängt die Frage, auf welchen Teil des Verfahrens und Urteils das weitere Verfahren nach der Aufhebung und Zurückverweisung beschränkt ist, von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0042411 [T8]).
Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen den Streitpunkt, ob das gegen den Kläger ergangene Disziplinarerkenntnis der Beklagten rechtswirksam zustande gekommen sei und als Grundlage für seine Entlassung herangezogen werden könne, als abschließend erledigt erachtet. Dazu besteht kein Korrekturbedarf: Die fehlende Einstimmigkeit der Beschlussfassung wurde vom Kläger schon im ersten Rechtsgang thematisiert (ON 8 S 4 = AS 73), von ihm im Rahmen seiner Berufung jedoch nicht weiter verfolgt. Im über den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts vom 17. 12. 2015 (ON 37) ergangenen Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 25. 5. 2016, 9 ObA 35/16m, war daher nicht mehr darauf einzugehen. Es handelt sich auch um keine nach Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtsgang neu entstandene Tatsache. Die Frage der Einstimmigkeit (dazu auch 9 ObA 70/17k) war im zweiten Rechtsgang danach nicht mehr zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
2. Auch die Frage, ob ein Entlassungsgrund – wie hier ein genesungswidriges Verhalten des Arbeitnehmers im Krankenstand – verwirklicht ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und begründet damit keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO, sofern keine grobe Fehlbeurteilung vorliegt. Auch das ist hier nicht der Fall.
Wie etwa in der Entscheidung 8 ObA 47/14s (mwN) dargelegt, lassen sich die allgemeinen Rahmenbedingungen für die Beurteilung des Verhaltens des Arbeitnehmers im Krankenstand unter dem Gesichtspunkt der beharrlichen Pflichtverletzung nach § 82 lit f GewO 1859 bzw der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Abs 1 AngG wie folgt zusammenfassen: Aus dem Arbeitsvertrag besteht für den Arbeitnehmer die Verpflichtung, sich im Fall einer Krankheit und einer dadurch ausgelösten Arbeitsunfähigkeit so zu verhalten, dass die Arbeitsfähigkeit möglichst bald wiederhergestellt wird (RIS‑Justiz RS0060869). Schon die Eignung des Verhaltens, den Krankheitsverlauf negativ zu beeinflussen oder den Heilungsprozess zu verzögern, kann den Entlassungsgrund verwirklichen (RIS‑Justiz RS0029337). Wesentlich bleibt aber, dass das objektiv sorgfaltswidrige Verhalten dem Arbeitnehmer auch subjektiv vorwerfbar ist. Ein Dienstnehmer darf ärztlichen Anordnungen jedenfalls nicht schwerwiegend bzw betont und im erheblichen Maß zuwiderhandeln und die nach der allgemeinen Lebenserfahrung allgemein üblichen Verhaltensweisen im Krankenstand nicht betont und offenkundig verletzen.
Die Vorinstanzen beurteilten folgendes Verhalten des Klägers als objektiv sorgfaltswidrig und subjektiv vorwerfbar: Der Kläger litt seit Jahren an Wirbelsäulenbeschwerden. Sein Leiden befand sich nach einem Krankenstand und im Anschluss an einen Urlaub in einer – erneut seine Arbeitsunfähigkeit bedingenden – Akutphase, aufgrund der er am Vortag und am Tag des Vorfalls in fachärztlicher Behandlung Infiltrationen, Schmerzmittel und Kortison erhielt. In dieser Situation hantierte er mit einem 510 kg schweren Anhänger (An- und Abkoppeln; Bewegen des Anhängers zwischen Grundstück mit Einfahrtsrampe und davor abgestelltem PKW in gebückter Körperhaltung; Notwendigkeit, sich gegen den Anhänger zu stemmen). Dieses Verhalten war nach den erstgerichtlichen Feststellungen genesungswidrig. Die Genesungswidrigkeit war dem Kläger auch bewusst, zumal ihm sein Arzt erklärt hatte, Lastbewegungen mit vorgebeugtem Oberkörper zu vermeiden. Von einem Arbeitnehmer in der Situation des Klägers kann erwartet werden, den Heilungsprozess nicht durch Bewegungsabläufe zu beeinträchtigen, die auch ohne genaue ärztliche Anweisung als der Genesung abträglich erkennbar sind. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers aufgrund dieses Verhaltens in Zusammenschau mit bereits im ersten Rechtsgang festgestellten geringeren Dienstpflichtverletzungen (Überschreitung der Ausgehzeiten, verspätete Einlesungen der aus dem Verkauf von Fahrkarten erzielten Einnahmen) unzumutbar sei, ist danach vertretbar.
3. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).
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