European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBS00014.17T.0126.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Bleibt der Arbeitnehmer trotz Nichtzahlung des Lohns im Unternehmen tätig und versucht er die Beträge auch gar nicht ernstlich einbringlich zu machen, so indiziert dies in der Regel, dass er beabsichtigte, in der Folge seine offenen Lohnansprüche gegen den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds geltend zu machen; derartige Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, die auf eine Verlagerung des Finanzierungsrisikos des Arbeitgebers zu Lasten des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds hinauslaufen, mit zumindest bedingtem Vorsatz, mit der Gegenleistung nicht den Arbeitgeber, sondern den Fonds zu belasten, sind nichtig. Entscheidend sind die im Rahmen des Fremdvergleichs zu beurteilenden Faktoren, aus denen erschlossen werden kann, dass dem Arbeitnehmer – anders als dem typischen Arbeitnehmer – die mangelnde Durchsetzbarkeit seiner Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber wegen der zu erwartenden Insolvenz bewusst sein musste und er trotzdem für diesen Arbeitgeber arbeitet und damit das Finanzierungsrisiko für die daraus entstehenden Entgeltansprüche dem IESG-Fonds überträgt (RIS-Justiz RS0112127 [T9]; RS0114470; jüngst 8 ObS 5/17v mwN).
Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann sich auf die ständige oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des Fremdvergleichs stützen. Die Durchführung des Fremdvergleichs ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls, die – von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen – die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann (8 ObS 183/01x ua). Eine solche krasse Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor.
Es steht fest, dass der Kläger von Beginn seiner Tätigkeit an von seinem ständig unbekannt abwesenden Dienstgeber nicht nur keine einzige Entgeltzahlung erhalten, sondern diese auch nie einzumahnen versucht hat, und zwar obwohl er wusste, dass das AMS für ihn eine Einstellungsbeihilfe bewilligt hatte. Seinen Austritt hat er dennoch erst nach einem Jahr erklärt.
Es stand dem Kläger zwar frei, auch ohne jegliches Entgelt allein im von seinem Inhaber verlassenen „Betrieb“ zu verbleiben, so lange er wollte, diese Tätigkeit wies aber mehr Merkmale einer freiwilligen Beschäftigungstherapie als eines typischen Arbeitsverhältnisses auf. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass jene Frist, die ein durchschnittlicher, auf die Erzielung von Einkünften zur Deckung des Lebensunterhalts angewiesener Arbeitnehmer im Betrieb geblieben wäre, vom Kläger bei Weitem überschritten wurde, ist keinesfalls unvertretbar. Ergibt sich aus dem Fremdvergleich der Schluss, dass zumindest der bedingte Vorsatz einer Überwälzung des Finanzierungsrisikos anzunehmen ist, so kann dieser auch nicht durch einen Beweis über die konkreten Absichten und Erwartungen des Arbeitnehmers widerlegt werden (RIS-Justiz RS0114470).
Das Entgelt aus einem völlig atypisch gestalteten Arbeitsverhältnis, das nicht auf Erzielung von Entgelt für die Bestreitung des Lebensunterhalts gerichtet war, ist zur Gänze nicht gesichert (RIS-Justiz RS0111281 [T19] – kein „splitting“).
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