OGH 4Ob230/17b

OGH4Ob230/17b23.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin Österreichische Zahnärztekammer, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagten 1. Dr. M***** L*****, 2. Dr. D***** L*****, beide vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 31.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 24. Oktober 2017, GZ 1 R 122/17v‑11, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00230.17B.0123.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Nach Art 5 lit d der Werberichtlinien gemäß § 35 Abs 5 Zahnärztegesetz (ZÄG) dürfen Angehörige des zahnärztlichen Berufs lediglich einmal pro Kalendervierteljahr eine Anzeige veröffentlichen. Diese darf nur in einem einzigen Printmedium erscheinen. Die Beschränkung auf eine Anzeige pro Kalendervierteljahr und ein einziges Printmedium gilt auch für Gruppenpraxen gemäß § 26 ZÄG und für Ordinations‑ und Apparategemeinschaften gemäß § 25 ZÄG.

Die Beklagten bewarben ihre Ordination in den Niederösterreichischen Bezirksblättern. Diese gehören demselben Verlagsunternehmen und erscheinen in verschiedenen Regionalausgaben. Die Regionalausgaben weisen ein einheitliches Layout auf, führen einen einheitlichen Namen (jeweils mit Regionalzusatz) und die von der einheitlichen Landes- und gleichzeitig Chefredaktion erstellten Inhalte sind für alle Regionalausgaben ident. Weiters bestehen jedoch auch Lokalredaktionen, die für die einzelnen Regionalausgaben Inhalte beistellen, die sich nur in diesen Ausgaben finden und (fallweise auch auf der jeweiligen Titelseite) Themen von besonderem Lokalinteresse behandeln.

Die klagende Zahnärztekammer begehrt, den beklagten Zahnärzten mittels einstweiliger Verfügung zu untersagen, entgegen § 5 lit d WerbeRL mehr als eine Anzeige in Printmedien (nach dem Klagsvorbringen offenbar gemeint: „einem einzigen Printmedium“) pro Kalendervierteljahr zu schalten. Die einzelnen Regionalausgaben der Bezirksblätter seien jeweils für sich ein eigenes „Printmedium“ iSd Art 5 lit d WerbeRL, sodass die Beklagten gegen diese und folglich gegen § 1 UWG verstoßen hätten.

Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des Sicherungsantrags. Die WerbeRL enthalte keine tragfähige Definition des Begriffs „Printmedium“. Die Beklagten hätten vertretbar annehmen können, dass die Niederösterreichischen Bezirksblätter als ein einziges Printmedium iSd Art 5 lit d WerbeRL mit verschiedenen Mutationsausgaben anzusehen seien.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Sicherungsverfügung zu erlassen. Die Klägerin macht geltend, das Rekursgericht sei von der Beurteilung des Oberlandesgerichts Innsbruck zu einem vergleichbaren Sachverhalt abgewichen. Tatsächlich seien die Regionalausgaben des Niederösterreichischen Bezirksblatts jeweils für sich ein „Printmedium“ iSd Art 5 lit d WerbeRL, zumal die einzelnen Ausgaben voneinander abwichen und neben der Landes‑(chef‑)redaktion auch verschiedene Bezirksredaktionen bestünden. Die Beklagten erzielten dadurch einen unlauteren Wettbewerbsvorteil, dass sie solcherart kostengünstigere Inserate schalten könnten, als dies in einer überregional erscheinenden Tageszeitung der Fall wäre.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt die Klägerin jedoch keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 528 Abs 1 ZPO auf:

1. Zunächst liegt eine erhebliche Rechtsfrage nicht schon deswegen vor, weil verschiedene Oberlandesgerichte bei vergleichbarem Sachverhalt zu unterschiedlichen Lösungen gelangt sind (vgl RIS‑Justiz RS0116241; 4 Ob 135/17g).

2. Relevant ist auch bei standesrechtlichen Werbevorschriften (vgl RIS‑Justiz RS0130682) die Frage, ob die Rechtsansicht des Beklagten vertretbar ist (RIS‑Justiz RS0077771; RS0123239). Die Vertretbarkeit einer Rechtsansicht ist aufgrund des Wortlauts und des offenkundigen Zwecks der angeblich verletzten Norm und der dazu ergangenen Entscheidungen der zuständigen Behörden und Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0077771 [T74]; RS0123239 [T8]). Hat das Rekursgericht – wie hier – die Vertretbarkeitsfrage bejaht, ist der Revisionsrekurs nur dann zulässig, wenn diese Ansicht ihrerseits auf einer unvertretbaren Fehlbeurteilung beruht (vgl RIS‑Justiz RS0124004).

3. Ob bei einem bestimmten periodischen Druckwerk ein hinreichend großer Zusammenhang der einzelnen Lokalausgaben besteht, um von einem einheitlichen Printmedium mit bloß regionalen Mutationen zu sprechen, ist nicht nur stark von der – eine erhebliche Rechtsfrage in der Regel ausschließende – Kasuistik des Einzelfalls abhängig (vgl RIS‑Justiz RS0110702; RS0042405), sondern auch für die Normunterworfenen des Art 5 lit d WerbeRL im Vorhinein schwer zu erkennen. Zumal auch der Oberste Gerichtshof die Mutationen der Bezirksblätter wiederholt als Lokal‑ bzw Regionalausgaben einer Zeitung bezeichnet und behandelt hat (vgl 4 Ob 136/02g; 4 Ob 94/05k; 4 Ob 56/06y), ist die Bejahung der Vertretbarkeitsfrage durch das Rekursgericht nicht unvertretbar.

4. Dem steht auch nicht entgegen, dass Inserate in derartigen Regionalausgaben allenfalls mit einem Preisvorteil verbunden sind. Dass offenkundiger Zweck des Art 5 lit d WerbeRL nicht nur eine Begrenzung der Anzahl der den Angehörigen des zahnärztlichen Berufsstands gestatteten Anzeigen, sondern auch eine Regulierung des zu leistenden Einschaltungsentgelts sei, ergibt sich weder aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung 4 Ob 192/05x, noch bestehen dafür aus dem Wortlaut oder der systematischen Stellung der Norm ableitbare Anhaltspunkte. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO liegt aber nicht vor, wenn das Gesetz eine klare, eindeutige Regelung trifft bzw wenn sich für die vom Rechtsmittelwerber vertretene Rechtsansicht keine Anhaltspunkte aus den von ihm herangezogenen Normen ergibt (vgl 4 Ob 207/15t, Rettungsdienst Tirol).

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