OGH 10ObS131/17p

OGH10ObS131/17p23.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten Dr. Schramm und den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Ing. Christian Stangl‑Brachnik MA BA (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Karl Melichar (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei D*****, Serbien, vertreten durch Mag. Peter Zivić, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Abfindung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 22. Juni 2017, GZ 9 Rs 133/16v‑13, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 27. September 2016, GZ 26 Cgs 43/16b‑10, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00131.17P.0123.000

 

Spruch:

 

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und in der Sache zu Recht erkannt:

Das die Klage abweisende Urteil des Erstgerichts wird wiederhergestellt.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war mit dem am 6. 8. 1937 geborenen und am 12. 11. 2013 verstorbenen M***** verheiratet.

Der verstorbene Gatte der Klägerin erwarb in Österreich acht Beitragsmonate (Versicherungsdatenauszug vom 27. 6. 2014 im Verwaltungsakt der Beklagten) und unstrittig in Serbien in der Zeit vom 15. 6. 1979 bis 8. 9. 1991 insgesamt 12 Jahre, 2 Monate und 23 Tage an Versicherungszeiten. Der verstorbene Gatte der Klägerin bezog eine Pensionsleistung des serbischen Versicherungsträgers. Er hinterließ neben der Klägerin eine gemeinsame Tochter, die vom serbischen Versicherungsträger eine Waisenpension bezieht.

Die am 14. 3. 1941 geborene Klägerin bezieht seit dem 15. 3. 2001 unstrittig eine Alterspension nach serbischem Recht. Einen Antrag auf Zuerkennung einer serbischen Witwenpension hat die Klägerin beim serbischen Versicherungsträger nicht gestellt.

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 1. 7. 2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung einer Witwenpension ab, weil der verstorbene Gatte der Klägerin nicht mindestens 12 Versicherungsmonate erwarb.

Am 21. 5. 2014 beantragte die Klägerin die Zuerkennung einer Abfindung in gesetzlicher Höhe. Über diesen Antrag sprach die Beklagte nicht mit Bescheid ab.

Mit ihrer am 8. 4. 2016 beim Erstgericht eingebrachten Säumnisklage begehrt die Klägerin die Zuerkennung einer Abfindung gemäß § 269 Abs 1 Z 1 ASVG in gesetzlicher Höhe. Die von der Tochter in derselben Säumnisklage begehrte Waisenabfindung ist infolge Klagsrückziehung nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Die Klägerin brachte vor, dass ihr Anspruch auf eine serbische Eigenpension auf eigenen Versicherungszeiten beruhe. Einen Antrag auf Witwenpension habe sie in Serbien nicht gestellt, weil sie infolge ihrer höheren Eigenpension keinen Anspruch auf Witwenpension in Serbien habe. Bei der Gewährung der Invaliditätspension an den verstorbenen Gatten der Klägerin habe der serbische Versicherungsträger dessen in Österreich erworbene Versicherungszeiten von acht Monaten nicht übernommen und zahlungsmäßig nicht berücksichtigt, sodass kein Anwendungsfall des § 8a des Sozialversicherungs‑Ergänzungsgesetzes, BGBl 1994/154 (SV‑EG) vorliege.

Die Beklagte wandte dagegen ein, dass der serbische Versicherungsträger entsprechend dem bestehenden Sozialversicherungsabkommen die österreichischen Versicherungszeiten des verstorbenen Gatten der Klägerin in seine Versicherungslast übernommen und diesem eine Invaliditätspension gewährt habe. Die Klägerin habe dem Grund nach einen Anspruch auf Witwenpension in Serbien, sie habe aber keinen Bescheid über die Ablehnung dieses Anspruchs vorgelegt. Dem von der Klägerin begehrten Anspruch stehe daher § 8a SV‑EG entgegen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Witwenpension nach österreichischem Recht, weil ihr verstorbener Gatte nicht zumindest ein Jahr an Versicherungszeiten in Österreich erworben habe. Ihr stehe aber gemäß § 8a SV‑EG auch kein Anspruch auf Abfindung zu, weil der serbische Versicherungsträger die vom verstorbenen Gatten der Klägerin in Österreich erworbenen Versicherungszeiten in seine Versicherungslast übernommen und die Klägerin in Serbien einen Anspruch auf Witwenpension dem Grunde nach habe.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobenen Berufung Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Sozialrechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. § 8a SV‑EG stehe entgegen der Ansicht des Erstgerichts einer Abfindung gemäß § 269 ASVG nur dann entgegen, wenn die österreichischen Versicherungszeiten von einem anderen Staat aufgrund eines Abkommens für die Berechnung der Leistung tatsächlich übernommen und berücksichtigt werden. Die Abfindung habe den Zweck, als einmalige Geldleistung für die Hinterbliebenen den Übergang in die durch den Tod des Versicherten eingetretene neue Situation zu erleichtern. § 8a SV‑EG regle nicht, dass innerstaatliche Versicherungszeiten vom fremdstaatlichen Versicherungsträger nach dem Abkommen hypothetisch zu berücksichtigen wären. Es komme daher nicht darauf an, dass die Klägerin keinen Antrag auf Zuerkennung einer serbischen Witwenpension gestellt habe. Mangels tatsächlicher Berücksichtigung der österreichischen Versicherungszeiten durch den serbischen Versicherungsträger habe die Klägerin daher dem Grunde nach einen Anspruch auf Abfindung gemäß § 269 Abs 1 Z 1 ASVG. Neben ihrer Tochter habe die Klägerin nach dieser Bestimmung allerdings nur Anspruch auf die Hälfte der Abfindung. Da Feststellungen zur Berechnung der Höhe des Anspruchs fehlten und die Fällung eines Grundurteils nach § 89 Abs 2 ASGG nicht zulässig sei, erweise sich das Verfahren zur Berechnung der Höhe des Anspruchs als ergänzungsbedürftig.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil zur Frage, wann im Sinn des § 8a SV‑EG von der Übernahme österreichischer Versicherungszeiten in die Versicherungslast eines fremden Staats auszugehen ist, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der von der Klägerin beantwortete Rekurs der Beklagten, mit dem diese die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Sinn des Antrags auf Wiederherstellung des die Klage abweisenden Ersturteils auch berechtigt.

Die Rekurswerberin führt zusammengefasst aus, dass § 8a SV‑EG nicht dahin zu verstehen sei, dass der Vertragsstaat tatsächlich eine Leistung gewähre. Es komme vielmehr darauf an, dass der Vertragsstaat dem Grunde nach die in Österreich erworbenen Versicherungszeiten übernehme. Keinesfalls könne aus dem bloßen Umstand, dass die Klägerin keinen Antrag auf Zuerkennung einer serbischen Leistung gestellt habe, ein österreichischer Leistungsanspruch entstehen.

Dem kommt Berechtigung zu:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Anspruch auf Abfindung haben im Falle des Todes des (der) Versicherten gemäß § 269 Abs 1 Z 1 ASVG die Witwe (der Witwer) oder der hinterbliebene eingetragene Partner (die hinterbliebene eingetragene Partnerin) und zu gleichen Teilen die Kinder, sofern Hinterbliebenenpensionen nur mangels Erfüllung der Wartezeit (§ 236) nicht gebühren, jedoch mindestens ein Beitragsmonat vorliegt.

1.2 Im Verfahren ist nicht strittig (ON 1), dass die Wartezeit (§ 236 ASVG) für die Gewährung einer (österreichischen) Witwenpension an die Klägerin aufgrund der vom Verstorbenen in Österreich erworbenen Versicherungszeiten nicht erfüllt ist und dass der verstorbene Gatte der Klägerin mehr als einen Beitragsmonat in der österreichischen Sozialversicherung erworben hat.

2.1 Im vorliegenden Fall ist, wovon auch die Vorinstanzen ausgegangen sind, der sachliche, persönliche und zeitliche Geltungsbereich des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Serbien über soziale Sicherheit, BGBl III 2012/155 (AbkSozSi‑Serbien) eröffnet (Art 2, 3 und 38 AbkSozSi‑Serbien; Inkrafttreten am 1. 12. 2012: Baumann/Spiegel in Spiegel, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht [33. Lfg], Abk Serbien, Vorbemerkungen Rz 1).

2.2 Art 20 Abs 1 AbkSozSi‑Serbien lautet:

„Erreichen die Versicherungszeiten, die nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates zu berücksichtigen sind, insgesamt nicht zwölf Monate für die Berechnung der Leistung, so wird nach diesen Rechtsvorschriften keine Leistung gewährt. Dies gilt nicht, wenn nach diesen Rechtsvorschriften ein Leistungsanspruch allein auf Grund dieser Versicherungszeiten besteht.“

Diese Bestimmung dient der Vermeidung von „Zwergleistungen“ durch einen Vertragsstaat, in dem weniger als 12 Versicherungsmonate zurückgelegt worden sind (Spiegel in Spiegel, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht [60. Lfg], Abk Allg Teil Rz 87), weshalb die Klägerin (unabhängig von der nicht erfüllten Wartezeit) keinen Anspruch auf eine österreichische Witwenpension hat.

2.3 Die von der Klägerin begehrte Abfindung ist eine Geldleistung aus der Pensionsversicherung (§ 222 Abs 1 Z 3 lit b ASVG iVm Art 1 Z 9 und Art 2 Abs 1 Z 1 lit c AbkSozSi‑Serbien) und damit als „Leistung“ im Sinn des Art 20 Abs 1 AbkSozSi‑Serbien anzusehen. Da der Anspruch gemäß § 269 Abs 1 Z 1 ASVG aber bereits bei Vorliegen eines einzigen Beitragsmonats in der österreichischen Sozialversicherung erworben wird, kommt Art 20 Abs 1 Satz 2 AbkSozSi‑Serbien zur Anwendung, sodass Satz 1 dieser Bestimmung nicht gilt. Art 20 Abs 1 Satz 2 AbkSozSi‑Serbien trägt dem in Abkommen über soziale Sicherheit im Bereich der Pensionsversicherung allgemein normierten Grundsatz Rechnung, wonach innerstaatlich gebührende Leistungsansprüche durch zwischenstaatliche Regelungen nicht gemindert werden dürfen (10 ObS 150/08v, SSV‑NF 22/82 zum vergleichbaren Art 18 AbkSozSi‑Türkei, BGBl III 2000/219).

3.1 In der Entscheidung 10 ObS 150/08v bejahte der Oberste Gerichtshof bei einem vergleichbaren Sachverhalt den Anspruch der damaligen Klägerin, deren verstorbener Ehegatte ebenfalls (nur) acht Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der österreichischen Pensionsversicherung erworben hatte, auf Abfindung gemäß § 269 Abs 1 Z 1 ASVG, obwohl die Klägerin in der Türkei Anspruch auf Gewährung einer Witwenpension hatte.

3.2 Auf die Entscheidung 10 ObS 150/08v reagierte der Gesetzgeber des SRÄG 2011, BGBl I 2011/122, mit der Schaffung des § 8a SV‑EG. Diese Bestimmung lautet seither:

Abfindung

§ 8a Besteht wegen Nichterfüllung der Wartezeit kein Anspruch auf eine österreichische Pension und werden die österreichischen Versicherungszeiten von einem anderen Staat aufgrund eines Abkommens oder der Verordnung für die Berechnung der Leistung nach dessen Rechtsvorschriften übernommen, besteht kein Anspruch auf Abfindung nach § 269 Abs 1 Z 1 ASVG, § 148a Abs 1 Z 1 GSVG, § 139a Abs 1 Z 1 BSVG oder § 59 NVG.“

3.3 In den Gesetzesmaterialien führt der Gesetzgeber aus (ErläutRV 1512 BlgNR 24. GP  22 f):

„Nach § 269 Abs 1 Z 1 ASVG (bzw den korrespondierenden Bestimmungen) besteht Anspruch auf eine Abfindung, wenn im Fall des Todes eines Versicherten eine Hinterbliebenenpension nur mangels Erfüllung der Wartezeit nicht gebührt, sofern zumindest ein Beitragsmonat vorliegt. Mit der Regelung in § 8a soll klargestellt werden, dass dieser Anspruch nicht besteht, wenn die weniger als 12 Monate betragende Anzahl der österreichischen Versicherungszeiten auf Grund eines Sozialversicherungsabkommens (zB Art 18 des Sozialversicherungsabkommens mit der Türkei, BGBl III Nr 219/2000) oder auf Grund von europarechtlichen Bestimmungen (Art 57 der Verordnung (EG) Nr 883/2004) bei der Pensionsfeststellung durch einen anderen Staat bei der Berechnung der Leistung dieses anderen Staates übernommen wurden. Diese Klarstellung im innerstaatlichen Recht ist notwendig, da der OGH zur bisherigen Rechtslage in einem Fall im Verhältnis zur Türkei ausgesprochen hat, dass 'auch eine allfällige Berücksichtigung der österreichischen Versicherungszeiten durch den türkischen Versicherungsträger nicht zu einer Kürzung der sich aus der Anwendung der österreichischen Rechtsvorschriften ergebenden Ansprüche führen [darf]' (OGH 25. 11. 2008, 10 ObS 150/08v). Diese Judikatur führte zu einer doppelten Honorierung solcher österreichischen Zeiten, was den Intentionen der jeweiligen zwischenstaatlichen Regelungen entgegenläuft. Die Neuregelung bezieht sich aber nur auf jene Regelungen, nach denen eine Übernahme solcher kurzen Versicherungszeiten in der Leistungsberechnung des jeweils anderen Staates vorgesehen ist, und nicht auf Abkommen, nach denen bei Versicherungszeiten unter 12 Monaten überhaupt keine Leistungen anfallen (zB Art 12 Abs 3 des Abkommens mit Chile).“

3.4 Der Gesetzgeber hat mit § 8a SV‑EG daher klargestellt, dass ein Anspruch auf Abfindung nach § 269 ASVG ausgeschlossen ist, wenn die österreichischen Versicherungszeiten von einem anderen Staat aufgrund eines Abkommens oder der Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit für die Pensionsberechnung nach dessen Rechtsvorschriften berücksichtigt werden (Neumayr in SV‑Komm [91. Lfg] § 269 ASVG Rz 4).

4.1 Die Abfindung gemäß § 269 ASVG hat nicht nur den bereits vom Berufungsgericht genannten Zweck, den Übergang in die durch den Tod des/der Versicherten eingetretene neue Situation für die Hinterbliebenen zu erleichtern (10 ObS 9/05d mwH). Sie dient auch dazu, dass nahe Angehörige eine pauschalierte Abgeltung für ansonsten zwecklos erbrachte Sozialversicherungsbeiträge erhalten (2 Ob 118/67). Denn eine Pflicht zur Rückerstattung von Sozialversicherungsbeiträgen, die nicht zu einer Sozialversicherungsleistung führen, ist dem österreichischen Sozialversicherungsrecht fremd und ergibt sich auch nicht aus § 269 ASVG (RIS‑Justiz RS0116064 [T2]).

4.2 Die Abkommen über die soziale Sicherheit verfolgen ihrerseits den Zweck, die im Hinblick auf ihre Gebietsbeschränktheit bei Auslandsbeziehungen eingeschränkten innerstaatlichen Gesetzgebungen auszudehnen und die sich daraus für die Wanderarbeitnehmer ergebenden Unzulänglichkeiten zu überwinden (Siedl/Pöltl in Tomandl, SV‑System [25. ErgLfg], 7.2.1., [776]).

4.3 Für das Schicksal der in einem Vertragsstaat zurückgelegten „unterjährigen“, also weniger als 12 Versicherungsmonate umfassenden nicht honorierten Zeiten gibt es im Bereich der zwischenstaatlichen Abkommen über die soziale Sicherheit einerseits das Modell, dass solche Zeiten untergehen, daher auch im anderen Vertragsstaat nicht zu berücksichtigen sind (zB Art 10 Abs 2 AbkSozSi‑Republik Korea, BGBl III 2010/83). Nach dem anderen Modell hat der andere Vertragsstaat solche „unterjährigen“ Versicherungszeiten so zu berücksichtigen, als wären es nach seinen Rechtsvorschriften zurückgelegte Zeiten. Diese Zeiten sind nicht nur zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen zusammenzurechnen, sondern auch leistungsmäßig zu honorieren. Allerdings müssen unter Hinzurechnung der „unterjährigen“ Zeiten die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein.

4.4 Diesem Modell entspricht auch Art 20 Abs 2 AbkSozSi‑Serbien (Spiegel in Spiegel, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Abk Allg Teil, Rz 88 und FN 119), welche Bestimmung lautet:

„Die in Absatz 1 erster Satz dieses Artikels genannten Versicherungszeiten sind von dem Träger des anderen Vertragsstaates für den Erwerb, die Aufrechterhaltung und das Wiederaufleben eines Leistungsanspruches sowie dessen Ausmaß so zu berücksichtigen, als wären es nach den von ihm anzuwendenden Rechtsvorschriften zurückgelegte Versicherungszeiten.“

4.5 Zusammenfassend ergibt sich: Eine Abfindung gemäß § 269 ASVG ist dann nicht zu zahlen, wenn der andere Vertragsstaat nach einem Abkommen über die soziale Sicherheit „unterjährige“ österreichische Versicherungszeiten zu übernehmen, daher bei der Beurteilung von von ihm allenfalls zu erbringenden Leistungen (grundsätzlich) zu berücksichtigen hat (Spiegel in Spiegel, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Abk Allg Teil, Rz 90). Dies entspricht dem dargestellten Zweck der Abfindung und der vom Gesetzgeber mit der Schaffung des § 8a SV‑EG mit dem SRÄG 2011 verfolgten Intention: Eine Abgeltung der in Österreich bezahlten Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 269 ASVG soll nicht in jenen Fällen erfolgen, in denen solche Zeiten vom anderen Vertragsstaat übernommen werden, sodass diese im anderen Vertragsstaat grundsätzlich leistungswirksam werden (können).

5.1 Der Oberste Gerichtshof kann gemäß §

 519 Abs 2 letzter Satz ZPO über einen Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts nach §

 519 Abs 1 Z 2 ZPO durch Urteil in der Sache selbst erkennen, wenn die Sache zur Entscheidung reif ist.

5.2 Gemäß Art 20 Abs 2 Abk SozSi‑Serbien hat Serbien als Vertragspartnerstaat die vom verstorbenen Gatten der Klägerin in Österreich erworbenen Versicherungszeiten (grundsätzlich) zu übernehmen. Schon daher besteht der von der Klägerin begehrte Anspruch gemäß § 269 ASVG nicht zu Recht. Weder kommt es darauf an, ob die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Hinterbliebenenleistung nach den serbischen Rechtsvorschriften gestellt hat, noch darauf, ob sie – auch unter Berücksichtigung der von ihrem verstorbenen Gatten in Österreich erworbenen und von Serbien infolge des Sozialversicherungsabkommens zu berücksichtigenden Versicherungszeiten – die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch nach den serbischen Rechtsvorschriften erfüllt. Ausgehend davon, erweist sich die Rechtssache bereits als im klageabweisenden Sinn entscheidungsreif, ohne dass es der vom Berufungsgericht geforderten Verbreiterung der Tatsachengrundlage bedarf.

Dem Rekurs der Beklagten war dahin stattzugeben, dass der angefochtene Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts aufgehoben und in der Sache das klageabweisende Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage (RIS‑Justiz RS0085829 [T1]).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte