OGH 5Ob199/17a

OGH5Ob199/17a21.12.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Martin H*****, vertreten durch Dr. Norbert Winkler, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Antragsgegner 1. Franz A*****, 2. Werner W*****, 3. Dr. Josef H*****, 4. Ana S*****, 5. Dr. Armin L*****, 6. Dr. Christine B*****, 7. Dora N*****, 8. Katharina W*****, alle vertreten durch Krall & Kühnl Rechtsanwälte in Innsbruck, 9. Claudia K*****, 10. Dr. Ludwig H*****, 11. Dr. Ferdinand K*****, 12. Karl Heinz L*****, 13. Mag. Edgar G*****, 14. Marianne O*****, 15. Norbert F*****, 16. Ing. Bernhard B*****, 17. Rainer L*****, 18. Oliver N*****, 19. Dr. Nadka M*****, 20. Hubert J*****, 21. Mag. Astrid F*****, 22. Martina H*****, 23. Franz P*****, 24. DI Gerhard N*****, 25. Otto G*****, 26. Herta W*****, vertreten durch die Sachwalterin Dagmar K*****, 27. Luzia G*****, 28. Martin P*****, 29. Mag. Elisabeth M*****, 30. Elgar F*****, 31. Marianne F*****, 32. Reinhard S*****, 33. Monika S*****, 34. Sandra S*****, 35. Markus S*****, wegen § 16 Abs 2 iVm § 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den (richtig: Sach‑)Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 20. September 2017, GZ 1 R 155/17a‑44, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00199.17A.1221.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

Die Parteien sind Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit der Wohnungseigentumsanlage ***** in *****. Der Antragsteller hat das als Geschäftsraum gewidmete Objekt GR 2, dem ein im Keller gelegener Raum als Lager zugeordnet worden war, von der Voreigentümerin mit Kaufvertrag vom 14. Jänner 2014 mit der Absicht gekauft, das Objekt in eine Wohnung umzuwidmen und umzubauen. Diese Umbauarbeiten wurden mit Baubescheid vom 8. April 2014 bewilligt und weitgehend bereits durchgeführt. Im Zuge dessen wurde der im Keller befindliche Lagerraum in eine Garage umgestaltet und die räumliche Verbindung zur eigentlichen Wohnungseigentumseinheit beseitigt.

Das Erstgericht sprach aus, die Antragsgegner hätten hinsichtlich der Wohnungseigentumseinheit GR 2 die Widmung von Geschäftsraum zu Wohnung und die Durchführung der – näher bezeichneten – baulichen Maßnahmen entsprechend dem Baubescheid vom 18. Dezember 2014 samt Plan zu dulden, ausgenommen die Maßnahmen, mit denen die interne Verbindung von der Erdgeschosseinheit zum Kellerlager in fester Bauweise beseitigt werde. Die weiteren Anträge auf wohnungseigentumsrechtliche Teilung des Objekts GR 2 in selbständige Einheiten (Top 2 und Garage G 8) und auf Änderung der Widmung des im Keller befindlichen Lagers auf „Garage“ einschließlich der auf Duldung der in diesem Zusammenhang getätigten – näher beschriebenen – baulichen Maßnahmen wies das Erstgericht ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers gegen die Teilabweisung seines Antrags nicht Folge, wohl aber dem gegen den stattgebenden Teil gerichteten Rekurs der Erst‑ bis Achtantragsgegner und wies sämtliche Anträge ab.

Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts, die Trennung der Wohnung vom Keller und die Teilung der Einheit in Wohnung und Garage sei aufgrund Inanspruchnahme allgemeiner Teile nach § 16 Abs 2 Z 2 WEG zu prüfen, diese Änderung entspreche nicht der Übung des Verkehrs. Soweit der Antragsteller erstmals im Rekurs auf ein wichtiges Interesse an dieser Änderung Bezug nehme, widerspreche dies dem Neuerungsverbot. Die nach den Feststellungen mit den Bauarbeiten verbundene Unterschreitung der Mindestbreite jenes Durchgangs, der zur in das Kellergeschoss führenden Stiege hinführe, bewirke eine Gefährdung der Antragsgegner. Deren Weigerung, dem Umbau des Antragstellers zuzustimmen sei, sei schon deshalb gerechtfertigt, weil damit eine wesentliche Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer verbunden sei. Die Änderungen unter dauernder Inanspruchnahme von Allgemeinflächen entsprächen im Übrigen gerade nicht mehr der Übung des Verkehrs und einem wichtigen Interesse des Antragstellers, der die Geschäftseinheit bereits in der Absicht gekauft habe, sie umzuwidmen und umzubauen, sei nicht zu erkennen. Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 10.000 EUR, der ordentliche Revisionsrekurs sei aber mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

Den vom Antragsteller an das Rekursgericht gerichteten Antrag auf Abänderung des Zulassungsausspruchs verbunden mit ordentlichem Revisionsrekurs wertete bereits das Erstgericht zutreffend als außerordentlichen Revisionsrekurs und legte ihn direkt dem Obersten Gerichtshof vor (RIS‑Justiz RS0123405 [T2]). Eine erhebliche Rechtsfrage wird darin allerdings nicht aufgezeigt:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0042828). Gegenteiliges würde im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann gelten, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar wäre oder gegen die Denkgesetze verstieße (RIS‑Justiz RS0042828 [T11]), das Auslegungsergebnis daher als unvertretbar anzusehen wäre (RIS‑Justiz RS0042828 [T30]). Auch die Beantwortung der Frage, ob eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerung vorliegt, geht in ihrer Bedeutung über den Einzelfall nicht hinaus (RIS‑Justiz RS0042828 [T35]). Ob sogenannte „überschießende Feststellungen“ vom Rechtsmittelgericht berücksichtigt werden können, weil sie sich im Sinn der ständigen Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0040318) im Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einwendungen halten, hat grundsätzlich keine über den einzelnen Rechtsstreit hinausgehende Bedeutung (RIS‑Justiz RS0040318 [T3], RS0037972 [T15]).

1.2. Das Rekursgericht ging davon aus, der Antragsteller habe kein wichtiges Interesse an der Umwidmung und Umgestaltung des Lagers in eine Garage in erster Instanz behauptet, seine diesbezüglichen Behauptungen im Rekurs seien daher unzulässige Neuerungen. Diese Auslegung seines Prozessvorbringens ist jedenfalls vertretbar. Zwar hat der Antragsteller in Punkt 2 seines Antrags zum Vorliegen eines wichtigen Interesses auf dessen Punkt 1 verwiesen, wo er sich aber im Wesentlichen mit dem Umbau der Geschäftseinheit in die Wohnung beschäftigte, nicht aber konkret anführte, worin sein wichtiges Interesse daran begründet sein sollte, dass der Wohnung anstelle eines Lagerraums ein Garagenplatz zugeordnet werden solle. Im Hinblick darauf, dass er dort ausdrücklich die Auffassung vertrat, die Änderung des als Zubehör gewidmeten Teils des Eigentumsobjekts unterliege ausschließlich der Prüfung nach § 16 Abs 2 Z 1 WEG 2002, ist die Auslegung seines Vorbringens in dem Sinn, dass es insoweit weder der Behauptung einer Verkehrsüblichkeit noch eines wichtigen Interesses bedürfe, im Einzelfall nicht korrekturbedürftig. Selbst wenn man das weitere – recht allgemein gehaltene –Vorbringen des Antragstellers zum wichtigen Interesse auch auf die Umgestaltung des Lagers in eine Garage beziehen wollte, ginge dies nicht über die bloße Behauptung eines Interesses an der Wertsteigerung seines Objekts hinaus, was in der Regel für ein wichtiges Interesse im Sinn des § 16 Abs 2 Z 2 WEG aber nicht ausreicht, zumal mit der Vergrößerung einer Wohnungseigentumseinheit die Steigerung des Verkehrswerts grundsätzlich einhergeht (RIS‑Justiz RS0083345 [T1], RS0083341 [T4]). Die Auffassung des Rekursgerichts, die im Revisionsrekurs angesprochene Parteiaussage des Antragstellers könne Prozessvorbringen zum wichtigem Interesse nicht ersetzen, entspricht ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0043157) und ist nicht korrekturbedürftig. Dass das Rekursgericht die Rechtsmittelausführungen zum Interesse an der Umgestaltung des Lagers in Garage als unzulässige Neuerungen wertete, ist somit keineswegs unvertretbar.

1.3. Dass das Rekursgericht bei seiner Beurteilung der Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen der übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer die vom Erstgericht festgestellte Verringerung der Breite eines Hauptgangs im Bereich des Stiegenabgangs zur Tiefgarage berücksichtigte, bedarf keiner Korrektur im Einzelfall. Das Gericht darf zwar bei seiner Beweisaufnahme hervorgekommene Umstände grundsätzlich nur insoweit berücksichtigen, als sie im Parteivorbringen Deckung finden (RIS‑Justiz RS0040318), dies gilt auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren (RIS‑Justiz RS0040318 [T8]). Allerdings sind sogenannte „überschießende Feststellungen“, die an sich nicht durch entsprechendes Prozessvorbringen gedeckt sind, nach ständiger Rechtsprechung insoweit zu berücksichtigen, als sie in den Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einwendungen fallen (RIS‑Justiz RS0037972 [T9, T15], zum wohnrechtlichen Außerstreitverfahren RS0037972 [T17]; RS0040318 [T1]; RS0037964 [T1, T2]).

Hier wendeten die sich am Verfahren beteiligenden Antragsgegner sehr wohl ein, aufgrund der durch die Umwidmung und bauliche Umgestaltung der Geschäftsräumlichkeit in eine Wohnung erforderlichen Baumaßnahmen werde die Durchgangsbreite eines als Fluchtweg ausgeschilderten Gangs auf einen nicht mehr den einschlägigen Vorschriften entsprechenden Wert, nämlich von 123 cm Breite auf 112,5 cm Breite verringert. Als Ursache führten sie die Anbringung der Wanddämmung ins Treffen; dass das Rekursgericht davon ausging, die festgestellte Verringerung der Durchgangsbreite (auch) durch ein Geländer halte sich im Rahmen dieser Einwendungen, ist jedenfalls vertretbar. Im Übrigen gesteht der Antragsteller eine – wenn auch geringfügige – Verringerung der Durchgangsbreite aufgrund der Errichtung der Wärmedämmung in seinem Rechtsmittel sogar ausdrücklich zu. Auch in der Berücksichtigung der angeblich überschießenden Feststellungen durch das Rekursgericht liegt somit keine Fehlbeurteilung vor, die der Korrektur durch das Höchstgericht bedürfte.

2.1. Grundsätzlich ist bei der Zulässigkeit von Änderungen eines Wohnungseigentumsobjekts auf den Einzelfall abzustellen, wobei alle in Betracht kommenden Umstände der Interessensbeeinträchtigung zu berücksichtigen sind und § 16 Abs 2 WEG einen weiten Wertungs‑ und Ermessensspielraum einräumt (RIS‑Justiz RS0083309 [T16], RS0083345 [T20]). Das Vorliegen einer von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Ermessensentscheidung schließt das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen aber in der Regel aus, soweit nicht dem Rekursgericht ein gravierender Ermessensfehler vorzuwerfen wäre (RIS‑Justiz RS0007104 [T6]). Dies ist hier nicht der Fall.

2.2. Beide Vorinstanzen haben die Verkehrsüblichkeit der geplanten Umwidmung und Umgestaltung des Lagerraums in eine Garage (als selbständiges Wohnungseigentumsobjekt) verneint, diese Beurteilung wird im Revisionsrekurs nicht konkret in Zweifel gezogen. Sie hält sich auch im Rahmen der Rechtsprechung, wonach insbesondere auch Beispielswirkungen bei einer vorzunehmenden Gleichbehandlung von Mit‑ und Wohnungseigentümern heranzuziehen sind (RIS‑Justiz RS0083229; 5 Ob 228/03w unter Verweis auf 5 Ob 120/89). Das Argument, das Lager sei bereits ursprünglich zunächst als Garage geplant gewesen, widerspricht dem Neuerungsverbot. Überdies wurde nach den Feststellungen lediglich eine der ursprünglich geplanten sieben Garagen als Lagerraum ausgeführt und dem Geschäftsraum GR 1 zugeordnet (nicht hingegen dem nun vom Antragsteller erworbenen Objekt GR 2). Dass auch die Umwidmung und bauliche Umgestaltung des Lagers im Keller in eine Garage aufgrund der Inanspruchnahme allgemeiner Teile den Anforderungen des § 16 Abs 2 Z 2 WEG zu genügen hat, zieht der Revisionsrekurswerber nicht in Zweifel. Bei Nichtvorliegen der Verkehrsüblichkeit wäre aber ein wichtiges Interesse des Antragstellers Voraussetzung für eine Antragsstattgebung gewesen, das dieser (siehe hiezu oben Punkt 1.2) nach der vertretbaren Rechtsauffassung der Vorinstanzen nicht ausreichend konkret behauptet hatte.

3.3. Die Beurteilung des Rekursgerichts, die Umwidmung des Geschäftsraums in eine Wohnung sei in diesem Haus zwar grundsätzlich als verkehrsüblich zu werten, die konkreten Änderungen (insbesondere die dauerhafte Inanspruchnahme von Allgemeinflächen) würden aber nicht mehr der Übung des Verkehrs entsprechen, bedarf keiner Korrektur im Einzelfall, zumal nach der Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0083341 [T10]) die Inanspruchnahme allgemeiner Teile des Hauses möglichst gering zu halten ist und nach den Feststellungen die Verbauung von Allgemeinflächen von insgesamt 3,3 m² zur Erreichung der angestrebten Änderung des Geschäftslokals in Wohnung gar nicht unbedingt erforderlich gewesen wäre.

3.4. Letztlich liegt nahe, die Erwägungen der Entscheidung 5 Ob 82/95 – im Sinn des Rekursgerichts – auf den hier zu beurteilenden Fall umzulegen. Auch dort war eine Verengung des Stiegenhauses bzw des Geschossgangs (durch eine nach außen aufschlagende zusätzliche Wohnungstür) zu beurteilen, hier geht es um die Verringerung der Durchgangsbreite eines der allgemeinen Benutzung offenstehenden Gangs. Zu 5 Ob 82/95 wurde bei der Beurteilung der Offenkundigkeit einer Gefährdung durch eine Verringerung der Durchgangsbreite insbesondere auf außergewöhnliche Situationen wie einem Brandfall hingewiesen. Diese Beurteilung gilt hier ebenso. Auch die Notwendigkeit des Begehens durch benachteiligte Personen (etwa mit einem Rollstuhl) gilt es dabei zu berücksichtigen. Die im Revisionsrekurs ins Treffen geführte Zulässigkeit der Änderung nach baurechtlichen Vorschriften ist für sich allein nicht geeignet, eine Duldungspflicht der anderen Wohnungseigentümer zu begründen, weil die Baubewilligung zu den selbstverständlichen Erfolgsvoraussetzungen eines Änderungsvorhabens gehört (RIS‑Justiz RS0082982); ob aufgrund einer zu Unrecht erteilten Bau‑ bzw Benützungsbewilligung allenfalls die Baubehörde haften würde, ist in diesem Verfahren nicht zu erörtern.

4. Insgesamt gelingt es dem Antragsteller somit nicht, eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Rekursgerichts aufzuzeigen, sein Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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