OGH 8Ob124/17v

OGH8Ob124/17v20.12.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann‑Prentner, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H***** und 2. K*****, beide vertreten durch Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** Bank AG, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte GmbH in Wien, und 2. A***** Limited, *****, vertreten durch Dorda Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 25.958,88 EUR sA, über die Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Juli 2017, GZ 2 R 88/17a‑27, mit dem der Berufung der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 12. April 2017, GZ 661 Cg 54/16g‑21, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00124.17V.1220.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 1.809,13 EUR (darin 301,52 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Kläger kauften zwischen 2005 und 2007 über die erstbeklagte Bank von der Zweitbeklagten emittierte aktienvertretende Zertifikate. Sie begehren von den Beklagten 25.958,88 EUR sA aus Schadenersatz und arglistiger Irreführung. Ohne die den Beklagten zurechenbare irreführende Werbung, die Kursmanipulationen und die unrichtigen bzw unvollständigen Ad-hoc-Meldungen hätten sie nicht in diese Zertifikate investiert, sondern ihr Geld auf einem Sparbuch veranlagt und keinen Schaden erlitten.

Die Ansprüche seien auch nicht verjährt. Die Kläger hätten sich am 23. Juli 2010 dem gegen die Beklagten geführten Strafverfahren (Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Wien) mit einem ausreichend konkretisierten und individualisierten Vorbringen als Privatbeteiligte angeschlossen.

Die Beklagten wendeten – soweit für das Revisionsverfahren noch von Relevanz – die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche ein. Der Privatbeteiligtenanschluss habe nicht den Formerfordernissen der StPO entsprochen, weil er mittels CD-ROM erfolgt sei. Die Ansprüche der Kläger seien in ihm nicht ausreichend individualisiert worden. Die im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Vorwürfe seien weder Gegenstand des Strafverfahrens noch des Privatbeteiligtenanschlusses gewesen.

Die Kläger und die Zweitbeklagte vereinbarten Ruhen des Verfahrens.

Die Vorinstanzen gaben der Klage gegen die Erstbeklagte statt. Sie bejahten eine Haftung der Erstbeklagten aufgrund der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung. Aufgrund der Unterbrechungswirkung des Privatbeteiligtenanschlusses seien die Ansprüche der Klägerin nicht verjährt.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Unterbrechungswirkung von Privatbeteiligtenanschlüssen einer größeren Anzahl Geschädigter durch Datenträger bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Erstbeklagten, die nur mehr die Verjährung der Ansprüche der Kläger geltend macht, ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig. Dieser hat in der Entscheidung 10 Ob 45/17s zu den auch im vorliegenden Verfahren entscheidungswesentlichen Rechtsfragen eingehend Stellung genommen. Diesen Ausführungen hat sich auch der 4. Senat in den Entscheidungen 4 Ob 141/17i, 4 Ob 194/17h, 4 Ob 196/17b und 4 Ob 199/17v angeschlossen und das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage verneint. Darauf kann verwiesen werden. Weder die vom Berufungsgericht aufgeworfenen Rechtsfragen noch die Ausführungen im Rechtsmittel geben Anlass von dieser Rechtsprechung abzugehen.

1. Zunächst ist die Feststellung hervorzuheben (Ersturteil S 20), dass die Daten auf der CD-ROM ausgedruckt und zum Akt genommen wurden. Damit kommt es auf die Frage, ob ein Privatbeteiligtenanschluss (nur) mittels Übergabe einer CD-ROM wirksam ist, nicht an.

2. Zusammengefasst hat der Oberste Gerichtshof in 10 Ob 45/17s im Wesentlichen ausgeführt:

Es entspricht der ganz herrschenden Ansicht, dass auch der Anschluss als Privatbeteiligter (§ 67 Abs 2 und 3 StPO) in einem Strafverfahren, das sich gegen denjenigen richtet, der sich nun auf die Verjährung beruft, zur Verjährungsunterbrechung führt. Für die Unterbrechung der Verjährung genügt es, dass der Kläger seine Ansprüche innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist ausreichend konkretisiert und individualisiert im Strafverfahren als Privatbeteiligter geltend macht. Es muss sich nur um einen vermögensrechtlichen Schaden handeln, der unmittelbar oder mittelbar durch die strafbare, von Amts wegen zu verfolgende Handlung entstanden ist. Eine Beschränkung auf den „tatbestandsrelevanten Schaden“ besteht nicht; es genügt, wenn die Straftat zur privatrechtlichen Schädigung des Verletzten führt. Gegen den Täter muss nur irgendein aus der strafbaren Tat hervorgegangener privatrechtlicher Anspruch gestellt werden. Dabei reicht es aus, wenn das Bestehen eines aus der Straftat entstandenen, im Zivilrechtsweg geltend zu machenden Anspruchs schlüssig behauptet wird und sich ein Zusammenhang zwischen Tat und Anspruch ableiten lässt. Erkennbar muss sein, weswegen der Privatbeteiligte Ersatz verlangt. Maßgeblich ist nicht der Rechtsgrund, auf den ein Begehren gestützt wird, sondern ob im Straf‑ und im Zivilverfahren der Schädiger vom Berechtigten wegen des gleichen vermögensrechtlichen Nachteils belangt wurde.

3. Nach den Feststellungen enthielt der Privatbeteiligtenanschluss den Namen der Kläger und den von ihnen geltend gemachten Schadensbetrag. Weiters wurde auf die Werbeunterlagen der Erstbeklagten Bezug genommen und vorgebracht, dass durch diese Unterlagen bei den Anlegern, die beim Ankauf der Zertifikate den Angaben in der Werbung vertrauten, absichtlich unrichtige Vorstellungen hinsichtlich der Erstbeklagten und den zum Kauf angebotenen Zertifikaten geweckt wurde, um mit diesen absichtlichen Fehlangaben möglichst viele Personen zum Kauf von Zertifikaten zu bewegen. Wenn das Berufungsgericht auf dieser Basis davon ausgegangen ist, der dem Anspruch der Kläger zugrunde liegende Sachverhalt sei ausreichend individualisiert und der Höhe nach konkretisiert dargestellt worden, bedarf dies keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

4. Im vorliegenden Verfahren haben die Kläger den ihnen nach Verkauf der Wertpapiere verbliebenen Verlust eingeklagt und dazu vorgebracht, sie seien durch die (den beiden Beklagten zurechenbare) Beraterin und die Werbeunterlagen über wesentliche Umstände betreffend die Wertpapiere unrichtig informiert und in die Irre geführt worden. Eventualiter stützten sie die Klage auch auf vorsätzliche (arglistige) Irreführung. Es sind somit dieselben Handlungen zu beurteilen wie im Strafverfahren. Liegt dem Strafverfahren derselbe Lebenssachverhalt zugrunde wie dem Zivilverfahren, ist es für die Frage der verjährungsunterbrechenden Wirkung des Privatbeteiligten-anschlusses nicht maßgeblich, ob vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln vorliegt bzw ob die angeklagte Straftat überhaupt begangen wurde. Auch der strafrechtliche Tatbegriff orientiert sich am konkreten Lebenssachverhalt (dem der Anklage zugrunde liegenden historischen Geschehen) und nicht an den daraus allenfalls abzuleitenden Tatbeständen (vgl RIS‑Justiz RS0113142; 11 Os 2/15a mwN).

5. Die Revision der Erstbeklagten ist somit ungeachtet ihrer Zulassung durch das Berufungsgericht mangels einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen. Allerdings war die Bemessungsgrundlage entsprechend dem Streitwert zu korrigieren.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte