OGH 8ObA47/17w

OGH8ObA47/17w29.11.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. 

Stefula sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ulrike Hammerschmidt und Helmut Frick in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. B***** H*****, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei E***** AG, *****, vertreten durch Barnert Egermann Illigasch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.384,06 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Juli 2017, GZ 9 Ra 1/7h‑14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:008OBA00047.17W.1129.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

Die Beklagte ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, an der das Land Niederösterreich über die Niederösterreichische Landesbeteiligungsholding GmbH zu 51 % beteiligt ist, die übrigen 49 % der Aktien befinden sich im privaten Streubesitz. Die Beklagte unterliegt der Kontrolle durch den Rechnungshof (§ 15 Abs 1 RechnungshofG 1948).

Der Kläger ist ehemaliger Dienstnehmer der Beklagten und bezieht 14 Mal jährlich Betriebspension, deren Höhe im Monat Jänner 2015 14.371,24 EUR brutto betrug. Die Beklagte behielt in diesem Monat von der Betriebspension den Klagsbetrag (1.384,06 EUR) als Pensionssicherungsbeitrag gemäß § 24a des NÖ Landes- und GemeindebezügeG 1997 ein.

Die Vorinstanzen wiesen die Leistungsklage des Klägers, mit der er die Auszahlung des einbehaltenen Beitrags begehrt, ab. In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO):

Das Rechtsmittelgericht hat zwar grundsätzlich, wenn es in einer Rechtsfrage angerufen ist, die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen hin zu prüfen (RIS‑Justiz RS0043352). Soweit aber ein bestimmter Rechtsgrund ausdrücklich geltend gemacht wird, ist das Gericht daran gebunden und darf der Klage nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattgeben (RIS‑Justiz RS0037610). Es ist daher an eine Beschränkung der Klagegründe durch den Berufungswerber gebunden (RIS‑Justiz RS0043352 [T24]).

Der Kläger hat sein Begehren in erster Instanz auf eine verfassungskonforme Interpretation von § 24a des NÖ Landes- und GemeindebezügeG 1997 gestützt und dazu im Wesentlichen vorgebracht, die Beklagte hätte den Pensionssicherungsbeitrag nicht abziehen dürfen, weil davon beinahe zur Hälfte im Privateigentum stehende Unternehmen wie die Beklagte nicht erfasst sein könnten. Weiter stützte er sich auf eine Verfassungswidrigkeit der Norm mit dem Vorbringen, die Bestimmung sei gleichheitswidrig und stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Eigentum dar. Es habe keine Kompetenz des Landesgesetzgebers zur Schaffung des Pensionssicherungsbeitrags bestanden. Dessen Ermächtigung durch § 10 Abs 6 BezBegrBVG sei zudem zu unbestimmt. Der Gleichheitssatz sei verletzt, weil das Kriterium der „Rechnungshofkontrolle“ ein unsachliches Differenzierungskriterium sei. Auch stehe der plötzliche Abzug von (rund) 9,6 % der Betriebspensionen außer jedem Verhältnis und diene keinem öffentlichen Interesse. Damit sei auch das Grundrecht auf Eigentum verletzt. Da sich der Kläger erst in der Berufung darauf stützte, dass der gesetzlich vorgesehene Abzug der Pensionssicherungsbeiträge einen Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung, gegen das Gleichbehandlungsgebot des BPG oder das Beihilfenverbot der EU darstellen könnte, war das Berufungsgericht nicht zur entsprechenden Überprüfung gehalten.

2. Das diesbezügliche Vorbringen im Berufungsverfahren wurde vom Berufungsgericht aber auch zutreffend als Verstoß gegen das Neuerungsverbot beurteilt (s RIS‑Justiz RS0042025), hätte es doch zum Verbot der Altersdiskriminierung eines entsprechenden Tatsachenvorbringens etwa zur Frage, im Verhältnis zu welcher Vergleichsgruppe der Kläger eine Schlechterstellung erfahren habe, bedurft. Auch zum Gleichbehandlungsgebot des BPG wurde kein entsprechendes Vorbringen – etwa zur Frage, im Verhältnis zu welchen anderen Betriebspensionsbeziehern der Kläger ungleich behandelt worden sei – erstattet. Nicht zuletzt fand das Beihilfenverbot der EU und ein entsprechendes Sachsubstrat in erster Instanz keine Erwähnung.

3. In rechtlicher Hinsicht vermisst der Revisionswerber in der Zulassungsbeschwerde eine Klärung, „welche Rechtsnatur der Betrag gemäß SpBegrG“ habe, was genau durch diesen Betrag finanziert werden solle, ob eine vergleichbare Gruppe im Sinne der Altersdiskriminierung vorliege und ob § 24a des NÖ Landes- und GemeindebezügeG 1997 und die diese Bestimmung „absichernden“ Verfassungsbestimmungen des Art 1 SpBegrG unionsrechtswidrig seien.

4. Festzuhalten ist, dass der Kläger infolge des Urteils des Erstgerichts in einem Parteiantrag gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B‑VG die Aufhebung ua des § 24a NÖ Landes-und GemeindebezügeG 1997 begehrte. Die darin geltend gemachten Verfassungswidrigkeiten wurden vom Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf sein Erkenntnis vom 12. 10. 2016, G 478‑479/2015 (Pensionssicherungsbeiträge OeNB), als so wenig wahrscheinlich erachtet, dass er keine Aussicht auf Erfolg sah und eine Behandlung des Antrags ablehnte. Hervorzuheben ist insbesondere, dass der Verfassungsgerichtshof offensichtlich auch den Umstand, dass die Beklagte nicht im Allein-, sondern im (indirekten) Mehrheitseigentum des Landes Niederösterreich steht, nicht als ausreichendes Differenzierungskriterium für eine weitere Prüfung erachtet hat. Auch die Ausführungen des Klägers zu einem Verstoß gegen das rechtsstaatliche Prinzip und zur mangelnden Kompetenz des Landesgesetzgebers veranlassten den Verfassungsgerichtshof nicht zur Prüfung der angefochtenen Norm. Das erneute Vorbringen zur Verfassungswidrigkeit des § 24a NÖ Landes- und GemeindebezügeG 1997 vor dem Obersten Gerichtshof ist damit nicht zielführend.

5. Die vermeintliche Unionsrechtswidrigkeit der Norm stützt der Revisionswerber weiter auf Art 17 (Eigentum), Titel III (Gleichheit) und Art 41 und 47 (effizientes Rechtsschutzsystem) der GRC. Zu deren Maßgeblichkeit nahm der Verfassungsgerichtshof bereits im erwähnten Erkenntnis vom 12. 10. 2016, G 478‑479/2015,– verneinend – Stellung.

6. Danach ist auch nicht ersichtlich, was aus der Klärung der Frage, welche Rechtsnatur der Betrag gemäß SpBegrG habe und was dadurch finanziert werden solle, für den Kläger zu gewinnen wäre.

7. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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