European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120349
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Die am * geborene A* S* ist Alleineigentümerin der Liegenschaften EZZ * und *, jeweils KG *. Am 9. 12. 2014 erteilte sie dem Antragsteller eine Vorsorgevollmacht im Sinne des § 284f ABGB.
Unter Vorlage dieser Vorsorgevollmacht und der Bestätigung über die Registrierung des Eintritts des Vorsorgefalles im Österreichischen Zentralen Vertretungsregister (ÖZVV) vom 8. 2. 2017 beantragte der Antragsteller unter Bezugnahme auf § 20 GBG ob den EZZ * und *, jeweils KG * die Ersichtlichmachung des Eintritts des Vorsorgefalls aufgrund der am 8. 2. 2017 rechtswirksam gewordenen Vorsorgevollmacht vom 9. 12. 2014.
Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, eine Anmerkung (Ersichtlichmachung) von persönlichen Beschränkungen könne (nur) nach den Vorschriften des GBG oder eines anderen Gesetzes erfolgen. Die Anmerkung der Bestellung eines Sachwalters sei in § 126 Abs 2 AußStrG geregelt. Diese Bestimmung sei nicht analog auf die Anmerkung des Eintritts des Vorsorgefalles anzuwenden.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge. Die grundbücherliche Anmerkung des Eintritts des Vorsorgefalles sei gesetzlich nicht vorgesehen und daher unzulässig. Anders als die – nach § 20 lit a GBG anmerkungstaugliche – Sachwalterbestellung habe die Vorsorgevollmacht keine Auswirkung auf die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers. Die Registrierung des Wirksamwerdens der Vorsorgevollmacht im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis habe nur deklarative Wirkung und führe nicht zu einer typisierten Beschränkung der Geschäftsfähigkeit. Der Vollmachtgeber könne also auch nach Registrierung der Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht für sich selbst handeln, sofern er nur in concreto die nötige Einsichtsfähigkeit habe. Schon aus diesem Grund komme eine Ersichtlichmachung des Eintritts des Vorsorgefalles nicht in Frage.
Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil Rechtsprechung zur Zulässigkeit der grundbücherlichen Anmerkung des Eintritts eines Vorsorgefalles fehle.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen abzuändern und die beantragte Anmerkung– zufolge mittlerweiliger Veräußerung der anderen Liegenschaft und des damit verbundenen Wegfalls der Beschwer nur mehr – ob der Liegenschaft EZ * KG * zu bewilligen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1. Grundbücherliche Anmerkungen können zur Ersichtlichmachung persönlicher Verhältnisse (§ 20 lit a GBG) oder zur Begründung bestimmter, nach den Vorschriften des GBG oder eines anderen Gesetzes damit verbundener Rechtswirkungen eingetragen werden (§ 20 lit b GBG). Anmerkungen, die in keinem Gesetz vorgesehen sind und deren Wirkungen auch gesetzlich nicht geregelt sind, sind unzulässig (5 Ob 10/09w mwN; RIS‑Justiz RS0060628 [T2], RS0060679 [T2]; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht² § 20 GBG Rz 1; 42; Feil/Marent/Preisl 2 § 20 Rz 1).
2. Zu den nach § 20 lit a GBG ersichtlich zu machenden persönlichen Verhältnissen zählen nach dem Gesetzestext „insbesondere“ Beschränkungen der Vermögensverwaltung, „zum Beispiel“ die Anmerkung der Minderjährigkeit, der Bestellung eines Sachwalters, des Eintritts der Volljährigkeit oder der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Die Anmerkung dieser im § 20 lit a GBG erwähnten Verhältnisse sowie die Löschung dieser Anmerkung erfolgt dabei auf Ansuchen der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter oder der hiezu berufenen Gerichte aufgrund beweiswirkender Urkunden (§ 52 GBG). Ein unbeschränkter Vertrauensschutz im Sinne des Vertrauens auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchs kommt diesen Anmerkungen nicht zu. Die sich etwa aus der Minderjährigkeit, Bestellung eines Sachwalters oder Insolvenzeröffnung ergebenden Verfügungsbeschränkungen wirken ungeachtet ihre Anmerkung im Grundbuch; umgekehrt kann eine unrichtige derartige Anmerkung keinen Vertrauensschutz insofern begründen, als der Vertrauende hinsichtlich der Anmerkung so gestellt wird, als entspräche sie der von ihm angenommenen Rechtslage (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht² § 20 GBG Rz 11).
3. Die in § 20 lit a GBG enthaltene Aufzählung der anzumerkenden persönlichen Verhältnisse ist bloß beispielhaft. Die Tatsache, dass Anmerkungen nur zulässig sind, soweit sie das Grundbuchsgesetz oder ein anderes Gesetz vorsieht, schließt daher eine Analogie zwar nicht aus, sie schränkt sie aber auf Umstände ein, die in Gegenstand und Funktion einer der Anmerkung zugänglichen Tatsache entsprechen (für die Klagsanmerkung RIS-Justiz RS0016506 [T1]).
4. Bei den in § 20 lit a GBG erwähnten persönlichen Verhältnissen Buchberechtigter geht es grundsätzlich um Verfügungsbeschränkungen aufgrund persönlicher Eigenschaften und Fähigkeiten des Buchberechtigten, nicht aber um rechtsgeschäftliche Willensbindungen (5 Ob 9/99f = RIS‑Justiz RS0111416; Kodek aaO § 20 GBG Rz 11; vgl auch Kodek aaO § 20 GBG Rz 30, nach dem die Bestellung eines Abwesenheitskurators im Grundbuch deshalb nicht anzumerken ist, weil die Dispositionsfähigkeit des Abwesenden dadurch nicht beschränkt wird). Auch die – vom Revisionsrekurswerber im gegebenen Zusammenhang als Analogiebasis gesehene – Sachwalterbestellung hat (nach dem derzeit geltenden Recht) nach § 280 ABGB zur Folge, dass die betroffene Person mit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses über die Sachwalterbestellung innerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters ohne dessen ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten kann. In diesem Sinn ist die Sachwalterbestellung also konstitutiv (RIS‑Justiz RS0125589; Feil/Marent/Preisl 2 § 20 Rz 8).
5. Bereits das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Vorsorgevollmacht im Unterschied zur Bestellung eines Sachwalters selbst im Falle ihres Wirksamwerdens zu keiner solchen konstitutiven Beschränkung der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers führt. Eine Vorsorgevollmacht stellt vielmehr (nur) einen Anwendungsfall der zivilrechtlichen Vollmacht dar (5 Ob 47/13t). Soweit in den §§ 284f ff ABGB keine Abweichungen vorgesehen sind, ist daher auch auf diese besondere Art der Vollmacht allgemeines Vollmachtsrecht (§§ 1002 ff ABGB) anzuwenden (Stabentheiner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 284f Rz 2; Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 284f Rz 17). Die Vorsorgevollmacht ist darauf gerichtet, dass der Bevollmächtigte den (zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung noch entscheidungsfähigen) Vollmachtgeber dann vertritt, wenn dieser im weiteren Zeitverlauf die für die Besorgung der anvertrauten Angelegenheiten erforderliche Geschäftsfähigkeit (soweit es den vermögensrechtlichen Bereich betrifft) oder Einsichts- und Urteilsfähigkeit (soweit es Agenden der Personensorge anlangt) oder auch seine Äußerungsfähigkeit verlieren sollte. Entsprechend diesem Zweck wird die Vorsorgevollmacht – grundsätzlich – erst zum Zeitpunkt des Verlustes der entsprechenden Fähigkeiten (also bei Eintritt des „Vorsorgefalls“) wirksam (5 Ob 47/13t; Stabentheiner aaO§ 284f Rz 2). Auf Grundlage eines ärztlichen Zeugnisses darüber, dass dem Vollmachtgeber die erforderliche Geschäftsfähigkeit, Einsichts- und Urteilsfähigkeit oder Äußerungsfähigkeit fehlt, kann gemäß § 140h Abs 6 NO das Wirksamwerden der Vorsorgevollmacht im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) registriert werden. Diese Registrierung des Wirksamwerdens der Vorsorgevollmacht im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) hat aber nur deklarative Wirkung, ist also keine Wirksamkeitsvoraussetzung (RIS‑Justiz RS0125529). Der zur Registrierung befugte Notar (§ 140h Abs 1 Z 4 und Abs 6 NO) hat dem Bevollmächtigten eine Bestätigung über die Registrierung des Wirksamwerdens der Vorsorgevollmacht auszuhändigen. Ein (gutgläubiger) Dritter, dem der Bevollmächtigte bei einer Vertretungshandlung diese Bestätigung vorlegt, darf auf den Eintritt des Vorsorgefalls (der das Wirksamwerden der Vorsorgevollmacht auslöst) und damit bei Vorlage der Vollmachtsurkunde grundsätzlich auch auf die darin ausgewiesene Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten vertrauen (§ 284h Abs 2 ABGB). Dieser besondere Vertrauensschutz gilt auch für das Grundbuchsgericht. Legt ein Machthaber die Vorsorgevollmacht samt Bestätigung über ihr Wirksamwerden vor, darf das Grundbuchsgericht auf die Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht vertrauen (5 Ob 47/13t; Stabentheiner aaO § 284h Rz 5; Schauer aaO § 284h Rz 8 f). Der Bevollmächtigte kann den Vollmachtgeber also auch dann vertreten, wenn das Wirksamwerden der Vorsorgevollmacht nicht im Grundbuch eingetragen wird.
6. Die §§ 284f ff ABGB sehen bei einer Vorsorgevollmacht abgesehen von der Registrierung im ÖZVV keine weiteren Publizitätsakte vor. Mit dieser Registrierung des Wirksamwerdens einer Vorsorgevollmacht ist auch keine Beschränkung der Verfügungsfähigkeit des Vollmachtgebers konstitutiv verbunden. Diese ist daher in Wesen und Funktion der in § 20 lit a GBG erwähnten Bestellung eines Sachwalters nicht gleich zu halten. Für die begehrte grundbücherliche Ersichtlichmachung des Eintritts des Vorsorgefalles besteht somit weder direkt noch im Wege der Analogie eine Rechtsgrundlage.
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