OGH 9ObA106/17d

OGH9ObA106/17d30.10.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn und Dr. Weixelbraun‑Mohr sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Mag. Thomas Dürrer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. N*****, vertreten durch Mag. Hubertus P. Weben, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, wegen 898.593,40 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Juni 2017, GZ 13 Ra 5/17h‑90, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00106.17D.1030.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Allgemein werden bei der Beschlussfassung einer GmbH von der Rechtsprechung besondere Förmlichkeiten jedenfalls dann nicht gefordert, wenn alle Gesellschafter zustimmen (RIS-Justiz RS0059949).

Im vorliegenden Fall steht fest, dass bereits am 17. Oktober 2013 der Vorstand der Alleingesellschafterin der Beklagten (nach mehreren Gesprächen und Informationen per E-Mail, im Rahmen einer Telefonkonferenz) entschied, sich vom Kläger (als Geschäftsführer der Beklagten) zu trennen. Das dem Kläger am Folgetag übergebene Schreiben, mit dem die Entlassung – dem Dienstvertrag entsprechend – auch schriftlich erklärt wurde, haben der (zweite) Geschäftsführer der Beklagten und die Prokuristin unterfertigt, womit auch der im Firmenbuch eingetragenen Vertretungsregelung der Beklagten entsprochen wurde. Der vom Revisionswerber genannte Gesellschafterbeschluss der Alleingesellschafterin der Beklagten vom 21. Oktober 2013, mit dem der Kläger seiner Funktion als Geschäftsführer (nochmals) „mit sofortiger Wirkung“ enthoben wurde, hat – wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte – für die Wirksamkeit der bereits zuvor rechtswirksam ausgesprochenen Entlassung des Klägers keine Relevanz. Auf die in der Berufung aufgeworfene Frage einer Beendigung eines Anstellungsvertrags eines Geschäftsführers vor seiner Abberufung aus seiner Organfunktion ist daher nicht einzugehen.

2. Nach der (bereits vom Berufungsgericht zitierten) ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind die Gründe für die vorzeitige Lösung eines Dienstverhältnisses bei sonstiger Verwirkung des Entlassungsrechts unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, geltend zu machen. Der Dienstgeber darf mit der Ausübung seines Entlassungsrechts nicht wider Treu und Glauben so lange warten, dass der Angestellte aus diesem Zögern auf einen Verzicht des Dienstgebers auf die Geltendmachung der Entlassungsgründe schließen muss; der Dienstnehmer, dem ein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen wird, soll darüber hinaus nicht ungebührlich lange über sein weiteres dienstrechtliches Schicksal im Unklaren gelassen werden (RIS-Justiz RS0031799).

Bei Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer Entlassung ist bei juristischen Personen darauf Bedacht zu nehmen, dass die Willensbildung umständlicher ist als bei physischen Personen; es müssen solche Verzögerungen anerkannt werden, die in der Natur des Dienstverhältnisses oder sonst in den besonderen Umständen des Falls sachlich begründet sind (RIS-Justiz RS0029328). Auch dafür sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich (RIS-Justiz RS0031799 [T28]).

Im Anlassfall sind die dem Kläger seit Jahren bekannten (erheblichen) Reklamationen (insbesondere) an dem vom Unternehmen meistverkauften Bodensystem, die der Kläger gegenüber der Alleingesellschafterin der Beklagten systematisch verschwieg, erstmals am 15. Oktober 2013 einem Vorstandsmitglied der Beklagten zur Kenntnis gelangt. Der Kläger konnte bis zum Ausspruch seiner Entlassung am 18. Oktober 2013 nicht annehmen, dass die Beklagte auf ihr Entlassungsrecht verzichtet hätte.

Die Vorinstanzen haben daher in Anwendung der Grundsätze der ständigen Rechtsprechung die Entlassung als rechtzeitig angesehen. Diese Beurteilung ist vertretbar und bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

3. Die Revision zeigt insgesamt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss gemäß § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO nicht.

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