European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E119411
Spruch:
Der „außerordentliche“ Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei wird als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.
Begründung:
Mit Beschluss vom 14. März 2017 erließ das Erstgericht – nachdem es den Gegner der gefährdeten Partei gehört hatte – die beantragte einstweilige Verfügung.
Dagegen erhob der Gegner der gefährdeten Partei Widerspruch.
Das Erstgericht wies den Widerspruch zurück, dem Gegner der gefährdeten Partei sei die Möglichkeit zur Äußerung zum Sicherungsantrag gegeben worden, eine solche sei auch erfolgt. Ein Widerspruch sei zwar dann zulässig, wenn der Gegner der gefährdeten Partei zu einer Ergänzung des Sicherungsantrags nicht neuerlich gehört worden sei. Im vorliegenden Fall sei jedoch keine Ergänzung, sondern nur eine geringfügige Modifikation durch die gefährdete Partei vorgenommen worden.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Zwar ordnet § 402 Abs 1 EO an, dass Revisionsrekurse gegen einen Beschluss über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, über einen Widerspruch nach § 397 EO oder über einen Antrag auf Einschränkung oder Aufhebung einer einstweiligen Verfügung nicht (allein) deshalb unzulässig sind, weil das Gericht zweiter Instanz den angefochtenen Beschluss zur Gänze bestätigt hat. Diese Bestimmung erfasst jedoch nach ständiger Rechtsprechung nur Sachentscheidungen, nicht aber formelle Entscheidungen, wie solche über Prozesshindernisse (RIS‑Justiz RS0097225, 7 Ob 106/16p mwN). Hintergrund dieser Entscheidungen ist, dass auch die Verneinung einer gerügten Nichtigkeit durch die zweite Instanz nicht weiter anfechtbar ist (RIS‑Justiz RS0097225, vgl allgemein RS0043405 [T32], RS0042981 [T2] ua). Diese generelle Unanfechtbarkeit einer Verneinung einer Nichtigkeit durch die zweite Instanz erfasst naturgemäß auch so gravierende Verstöße wie die Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl RIS‑Justiz RS0097225 [T6], RS0042981 [T8] ua).
Auch wenn der Gegner der gefährdeten Partei grundsätzlich zutreffend darauf hinweist, dass aufgrund der Entscheidung des EGMR vom 15. 10. 2009, Micallef gegen Malta, 17056/06, im Regelfall nunmehr auch im Provisorialverfahren die Garantien des Art 6 EMRK voll anwendbar sind (RIS‑Justiz RS0074799 [T11] = RS0028350 [T8], vgl auch RS0127445), hat der Oberste Gerichtshof doch auch bereits klargestellt, dass eine Erweiterung der Anfechtungsmöglichkeiten im Fall einer die Nichtigkeit oder die Mangelhaftigkeit des Verfahrens ablehnenden Rekursentscheidung aus der geänderten Rechtsprechung des EGMR nicht abzuleiten ist (RIS‑Justiz RS0028350 [T10] = RS0074799 [T13]).
Der Revisionsrekurs ist daher jedenfalls unzulässig, wenn das Rekursgericht den Beschluss bestätigt, mit dem das Erstgericht den Widerspruch des Gegners der gefährdeten Partei gegen die einstweilige Verfügung zurückgewiesen hat (RIS‑Justiz RS0112855). Diese Rechtsprechung wurde in der Entscheidung 4 Ob 177/08w für den Fall fortgeschrieben, dass der Widerspruchsgegner vor Ergehen des Zurückweisungsbeschlusses nicht angehört wurde.
Im vorliegenden Fall wurde mit der Zurückweisung des Widerspruchs aus formellen Gründen (Ausschluss des Widerspruchs wegen erfolgter Anhörung des Antragsgegners) und deren Bestätigung keine Sachentscheidung über den Widerspruch getroffen und die gefährdete Partei als Widerspruchsgegnerin vor Erlassung des Zurückweisungsbeschlusses nicht gehört, sodass der Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen ist (vgl 7 Ob 106/16p).
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