OGH 13Os74/17g

OGH13Os74/17g6.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Michael W***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach §§ 15, 205 Abs 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 21. März 2017, GZ 22 Hv 1/17p‑32, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00074.17G.0906.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael W***** des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (1/a), des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach §§ 15, 205 Abs 1 StGB (1/b) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er in T***** (US 4 f)

(1) in der Nacht zum 27. August 2015

a) eine fremde Sache beschädigt, indem er das Mobiltelefon der Verena W***** zu Boden warf, wodurch das Display zerbrach;

b) eine wehrlose Person, nämlich die nach Einnahme von Antidepressiva im Tiefschlaf befindliche (US 4) Verena W*****, unter Ausnutzung dieses Zustands durch die Vornahme des Beischlafs zu missbrauchen versucht, indem er sie an den Fußknöcheln fesselte, an den Handgelenken fixierte, sich nackt auf sie legte und im Begriff war, ihre Unterhose auszuziehen, wobei es infolge Erwachens und Gegenwehr des Opfers beim Versuch blieb;

(2) am 4. März 2016 Atilla K***** in Form einer Rissquetschwunde an der Stirn sowie Prellungen am Oberkörper am Körper verletzt, indem er ihm ein Bierglas ins Gesicht warf und Schläge gegen den Körper versetzte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also – soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden von der Beschwerde nicht angesprochen) – über schuld- oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS-Justiz RS0106268).

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS-Justiz RS0118316).

Allfällige Anrufversuche von „23:11 Uhr bis 00:56 Uhr“ sind für die Wehrlosigkeit zur Tatzeit schon deswegen unerheblich, weil die Tat nach den Urteilskonstatierungen „in der Nacht vom 26. 08. 2015 auf den 27. 08. 2015“ begangen worden und solcherart eine exakte Tatzeit gar nicht festgestellt ist.

Widersprüchliche Depositionen des Opfers zur Flucht des Täters sowie unpräzise Aussagen zum Tatverlauf anlässlich der kontradiktorischen Vernehmung erörterte das Erstgericht entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen sehr wohl (US 7 f).

Sich mit jedem Aussagedetail der kontradiktorischen Vernehmung des Opfers auseinanderzusetzen war das Erstgericht, dem Gebot der gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend, nicht gehalten (RIS-Justiz RS0098778, RS0106295 und RS0106642).

Soweit die Beschwerde die Feststellungen zu den subjektiven Tatbestandselementen des § 205 Abs 1 StGB als willkürlich begründet (Z 5 vierter Fall) beanstandet, nimmt sie prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0119370) nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (US 11 f).

Mit dem übrigen Vorbringen zu den zeitlichen und örtlichen Tatumständen sowie dem Einwand, wonach die Erwägungen des Erstgerichts zu den Aussagen des Opfers im Rahmen der kontradiktorischen Vernehmung eine Scheinbegründung darstellen würden, erschöpft sich die Beschwerde in einem im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) mit Hinweis auf eine Textpassage der kontradiktorischen Vernehmung und widersprüchliche Angaben des Opfers gegenüber der Polizei erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit „der Tatsachenfeststellungen des Gerichts“ behauptet, ohne die aus ihrer Sicht bedenklichen Konstatierungen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) konkret zu bezeichnen, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung (11 Os 29/16y, jüngst 13 Os 3/17s).

Die Kritik an den erstgerichtlichen Feststellungen zum Tiefschlaf verfehlt mangels Aktenbezugs die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0117961).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Dabei wird dieses zu beachten haben, dass sich die Begründung des Widerrufs bedingter Strafnachsicht entgegen § 53 Abs 1 StGB auch auf generalpräventive Erwägungen stützt.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte