OGH 3Nc16/17h

OGH3Nc16/17h30.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Ordinationssache des Antragstellers R*****, Deutschland, vertreten durch Mag. Andrea Lehner, Rechtsanwältin in Zell am See, wegen Exekution nach § 353 EO, über den Antrag auf Ordination gemäß § 28 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030NC00016.17H.0830.000

 

Spruch:

Als zuständiges Gericht wird das Bezirksgericht Saalfelden bestimmt.

 

Begründung:

Der Antragsteller, der einen deutschen Wohnort angibt, erwirkte als Kläger ein rechtskräftiges Urteil eines österreichischen Bezirksgerichts vom 31. Jänner 2014, in dem die beiden Beklagten mit Wohnsitz in Deutschland schuldig erkannt wurden, die Baumaßnahmen laut näher bezeichnetem Baubescheid in einer im Sprengel des Titelgerichts gelegenen Wohnungseigentumsanlage rückgängig zu machen (den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen) und es in Hinkunft zu unterlassen, derartige oder ähnliche Baumaßnahmen laut dem erwähnten Bescheid ohne Vorliegen der erforderlichen zivilrechtlichen Voraussetzungen durchzuführen.

Mit seinem Antrag vom 10. Juli 2017 begehrt der Antragsteller die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts für die Bewilligung und Vollziehung der beabsichtigten Exekution auf der Grundlage dieses Urteils gegen die Beklagten. Er bringt dazu im Wesentlichen vor, die in Österreich vom Erstgericht erlassene Exekutionsbewilligung nach § 353 EO sei vom Rekursgericht aus Anlass des Rekurses der Verpflichteten (= Beklagten) als nichtig aufgehoben und die (örtliche) Unzuständigkeit des Erstgerichts ausgesprochen worden, weil eine taugliche Abgabestelle der in Deutschland wohnhaften Verpflichteten im Sprengel des angerufenen Erstgerichts fehle. Der daraufhin am 2. Dezember 2016 beim für die erste Exekutionshandlung örtlich zuständigen Landgericht in Deutschland gestellte Antrag auf Zwangsvollstreckung gemäß § 887 dZPO („Vertretbare Handlungen“) sei am 12. April 2017 als aussichtslos zurückgenommen worden, weil der dort zuständige Richter Bedenken im Hinblick auf die Bestimmtheit des Titels und dahin geäußert habe, im Exekutionstitel fände sich auch keine Verpflichtung zur Erlegung eines Kostenvorschusses bei Nichtbeseitigung, was in Deutschland erforderlich sei. Der Antragsteller habe ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis iSd § 28 Abs 1 Z 2 JN nicht nur, weil dem Exekutionstitel die für die Exekutionsführung in Deutschland notwendigen Angaben fehlten, sondern insbesonders auch, weil in einem österreichischen Beseitigungs- und Unterlassungstitel keine Verpflichtung zur Erlegung eines Kostenvorschusses für den Fall der Nichtbeseitigung und zur Zahlung eines Zwangsentgelts ausgesprochen werden könne. Deutsche Gerichte würden aber die Auferlegung eines nicht beantragten Kostenvorschusses und die Festsetzung einer Geldstrafe ablehnen, weshalb die Exekutionsführung in Deutschland praktisch unmöglich sei. Die Titelschuldner hätten Handlungen in Bezug auf ihre in Österreich gelegene Eigentumswohnung zu setzen und zu unterlassen, jedoch dem Titel zuwidergehandelt; da allfällige Beugestrafen in dieses in Österreich gelegene Vermögen der Titelschuldner zu vollstrecken wären, bestehe eine ausreichende Inlandsbeziehung.

Rechtliche Beurteilung

Die Voraussetzungen für eine Ordination nach § 28 JN liegen vor:

1.  Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine Ordination auch in Exekutionssachen möglich, wenn bei einer Exekution – wie hier – zwar die inländische Gerichtsbarkeit zu bejahen ist, es aber an einem örtlich zuständigen inländischen Gericht mangelt (RIS‑Justiz RS0046326 [T2]; RS0053178). Für die Exekution zur Erwirkung vertretbarer Handlungen (nur diese bildete bisher den Gegenstand der Exekutionsanträge) ist gemäß der Generalklausel des § 18 Z 4 zweiter Fall EO jenes Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel die erste Exekutionshandlung, nämlich die Zustellung der Exekutionsbewilligung, zu bewirken ist (3 Nc 4/08f). Bei einem Verpflichteten mit Wohnsitz in Deutschland fehlt es daher an einem zuständigen Exekutionsgericht im Inland.

2.  Als Rechtsgrundlage für die Bestimmung eines zuständigen Gerichts kommt allein § 28 Abs 1 Z 2 JN in Betracht. Diese Möglichkeit der Ordination besteht aber nur, wenn der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Die in § 28 Abs 1 Z 2 JN genannten Voraussetzungen – inländischer Kläger oder Kläger mit Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland – müssen kumulativ vorliegen. Fehlt eine davon, hat eine Ordination nicht zu erfolgen ( Garber in Fasching/Konecny ³ § 28 JN Rz 68).

3.  Zwar ist im Geltungsbereich der EuGVVO eine Ordination nach § 28 JN bei Verpflichteten, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, nur in Ausnahmefällen möglich (RIS‑Justiz RS0053178 [T3 und T6]).

3.1.  Zur Exekution nach § 353 EO hat der erkennende Senat aber bereits klargestellt, dass deren Gegenstand die Durchsetzung der vertretbaren Handlung im Wege der Ersatzvornahme bildet und dass es – weil diese (wie hier) ausschließlich in Österreich vorzunehmen ist – für die betreibende Partei unzumutbar ist, den Weg über das Gericht am Wohnsitz der Verpflichteten einschlagen zu müssen (RIS‑Justiz RS0053178 [T13] = 3 Nc 23/14h; so bereits 3 Nc 4/08f).

3.2. Daran ist auch hier festzuhalten.

Da der Exekutionstitel vom 31. Jänner 2014 stammt, muss die Klage vor dem 10. Jänner 2015 eingebracht worden sein. Daher ist noch die EuGVVO alt anzuwenden (Art 66 EuGVVO nF). Zu Art 49 EuGVVO aF wird vertreten, dass zwar grundsätzlich die Gerichte des Ursprungsmitgliedsstaats für die Festsetzung eines Zwangsgelds international zuständig sind, auch wenn das zu erzwingende Verhalten im Zweitstaat erfolgen soll; diese Bestimmung schließe aber nicht aus, dass die Gerichte des Vollstreckungsstaats ihrerseits ein Zwangsgeld aussprechen, der Gläubiger also die Wahl hat, ob er die Festsetzung des Zwangsgelds im Urteilsstaat erwirkt und dieses nach Art 49 EuGVVO aF vollstrecken lässt oder ob er nach den Vorschriften des Vollstreckungsstaats (hier in Deutschland somit nach §§ 887, 888, 890 dZPO) die Vollstreckung aus dem Unterlassungstitel betreibt (siehe dazu Hein in Kropholler/Hein, Europäisches Zivilprozessrecht9 Art 49 Rz 1 und 3; Schütze, Das internationale Zivilprozessrecht in der ZPO² § 722 Rz 73; vgl BGH vom 13. 8. 2009, I ZB 43/08, NJW‑RR 2010, 279). Selbst wenn man also von einer möglichen Exekutionsführung in Deutschland ausgeht, muss die Möglichkeit bedacht werden, dass sich die Verpflichteten weigern, die Ersatzvornahme durchführen zu lassen, dh den Zutritt zu ihrer Liegenschaft in Österreich zu verhindern. Den Widerstand des Schuldners gegen die Duldung der Ersatzvornahme kann der Gläubiger im Ausland (hier in Österreich) aber nicht durch Zuziehung eines Gerichtsvollziehers nach § 892 dZPO brechen (BGH vom 13. 8. 2009, I ZB 43/08).

Daher ist die Rechtsdurchsetzung in Deutschland für den Betreibenden als unzumutbar anzusehen und es bedarf der Prüfungen der personenbezogenen Voraussetzungen.

4. Hier ist nach dem Akteninhalt nicht an der deutschen Staatsangehörigkeit des Antragstellers zu zweifeln.

Die Bezugnahme auf die österreichische Staatsbürgerschaft in § 28 Abs 1 Z 2 JN verstößt aber nach hA in der Lehre im Fall, dass der Betreibende EU-Bürger sein sollte, gegen das Diskriminierungsverbot des Art 18 AEUV (vgl Garber in Fasching/Konecny³ § 28 JN Rz 65 mwN). Da das nationale Recht unionrechtskonform (und daher auch primärrechtskonform) auszulegen ist, muss die Bezugnahme auf die österreichische Staatsbürgerschaft so gelesen werden, dass damit die Staatsangehörigkeit eines EU‑Mitgliedsstaats gemeint ist (vgl RIS‑Justiz RS0125925; 10 Ob 6/16d; 10 Ob 19/16s).

Demgemäß ist auch von der Erfüllung der personenbezogenen Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Z 2 JN auszugehen.

5. Aus den dargelegten Gründen war das Bezirksgericht, in dessen Sprengel die Ersatzvornahme vorzunehmen sein wird, als zuständig zu bestimmen.

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