OGH 3Ob142/17d

OGH3Ob142/17d30.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen L*****, geboren am ***** 2012, Mutter A*****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, Vater C*****, vertreten durch Dr. Brigitte Bierbaumer‑Vergeiner, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 29. Juni 2017, GZ 21 R 79/17i, 80/17m‑432, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00142.17D.0830.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Richtig ist, dass die Anordnung der gemeinsamen Obsorge beider Eltern ein

Mindestmaß an Kooperations- und

Kommunikationsfähigkeit beider Elternteile voraussetzt, die bereit und in der Lage sein müssen, an der gemeinsamen Erfüllung der mit der Obsorge verbundenen Aufgaben mitzuwirken (RIS‑Justiz RS0128812 [T19]), wobei die diesbezügliche Einzelfallbeurteilung jedoch im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage begründet (jüngst: 3 Ob 7/17a mwN). Dass es den Eltern bereits ursprünglich weitgehend an Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft mangelte, war seinerzeit nur deshalb kein Hindernis für die Anordnung der gemeinsamen Obsorge, weil es sich dabei – angesichts der Alternativen (Belassung der alleinigen Obsorge der Mutter oder Übertragung der Alleinobsorge an den Vater) – aus den im Sachverständigengutachten ON 278 dargelegten Gründen (nicht um die beste, sondern nur) um die am wenigsten schlechte Lösung handelte.

2. Eine nachträgliche Entziehung oder Einschränkung der Obsorge, wie sie der Vater mit seinem Begehren, mit der alleinigen Obsorge betraut zu werden, anstrebt, setzt eine ansonsten bestehende Gefährdung des Kindeswohls und eine dadurch bedingte Notwendigkeit der Änderung eines bestehenden Zustands voraus (RIS‑Justiz RS0127207).

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass eine solche Änderung der Obsorgeverhältnisse nicht dem Kindeswohl entspräche, ist nicht zu beanstanden: Aufgrund des Verhaltens beider Elternteile leidet der Minderjährige zwar schon jetzt unter einem massiven, tendenziell noch wachsenden Loyalitätskonflikt. Daran würde sich aber entgegen der Ansicht des Vaters durch den von ihm angestrebten Wohnsitzwechsel des Kindes (vom Haushalt der Mutter und Hauptbezugsperson, wo er auch mit seiner älteren Halbschwester zusammenlebt, mit der ihn ein inniges Verhältnis verbindet) nichts ändern, weil auch in diesem Fall weitere Konflikte zwischen den Eltern im Rahmen des dann der Mutter einzuräumenden Kontaktrechts drohten.

Sofern nicht beide Elternteile ihr Verhalten grundlegend ändern, was insbesondere durch die ihnen vom Erstgericht aufgetragene Erziehungsberatung (siehe Beschluss ON 400) erreicht werden sollte, könnte daher letztlich zur Wahrung des Kindeswohls eine Übertragung der Obsorge an den Kinder- und Jugendhilfeträger – allenfalls sogar bei gleichzeitiger Fremdunterbringung des Kindes – die einzige taugliche Alternative zur bestehenden Obsorgeregelung sein.

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