European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00122.17W.0727.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Vorinstanzen haben den wegen Verstoßes der beklagten Partei gegen Art 3 lit h WR‑ÖZÄK auf § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Fallgruppe Rechtsbruch) gestützten Unterlassungsanspruch abgewiesen, wobei das Rekursgericht den Anspruch wegen der von ihm zumindest als vertretbar qualifizierten Rechtsansicht der beklagten Zahnärztin verneint hat. Demnach sei es aus gutem Grund vertretbar, dass eine Werbung mit einem Stadtplan, der nur bei touristischen Einrichtungen zur freien Entnahme aufliegt und nicht mit einer verbotenen Werbung mittels aktiv (bzw „aufdrängend“) verteilten Postwurfsendungen oder Flugblättern vergleichbar sei, das Ansehen des Berufsstandes nicht beeinträchtige.
Rechtliche Beurteilung
Die klagende Kammer macht keine erhebliche Rechtsfrage geltend, von deren Beurteilung die Entscheidung abhängt.
Bei Beurteilung der lauterkeitsrechtlichen Vertretbarkeit einer Rechtsansicht durch den Obersten Gerichtshof sind zwei Prüfungsstufen zu unterscheiden: Schon auf der ersten – für die Beurteilung durch die Vorinstanzen nach § 1 UWG maßgebenden – Stufe geht es nur um die Frage nach einer vertretbaren Auslegung der Normen, um die Verwirklichung eines zurechenbaren Rechtsbruchs bejahen oder verneinen zu können. Auf der zweiten – für die zulässige Anfechtung eines Urteils beim Obersten Gerichtshof gemäß § 502 Abs 1 ZPO (bzw hier: § 528 Abs 1 ZPO) hinzutretenden – Stufe geht es sodann nicht um die Frage, ob das Zweitgericht jene Vertretbarkeitsfrage richtig, sondern nur, ob es sie ohne eine krasse Fehlbeurteilung gelöst hat (RIS‑Justiz RS0124004).
Eine solche krasse Fehlbeurteilung zeigt das Rechtsmittel nicht auf. Das Rekursgericht hat die Grundsätze der Judikatur zur Vertretbarkeitsfrage umfassend und richtig referiert. Es hat sich bei der Lösung der Vertretbarkeitsfrage auf den Wortlaut sowie den Normzweck der WR‑ÖZÄK und die dazu ergangene Rechtsprechung gestützt. Aus dieser Judikatur lässt sich – entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Ansicht – ableiten, dass bei einem Verstoß gegen Art 3 h WR‑ÖZÄK darauf abzustellen ist, „ob die Art der Verbreitung dem Standesansehen abträglich ist“ (4 Ob 2228/96t). An die erwähnten Kriterien anknüpfend hat das Rekursgericht die Vertretbarkeitsfrage jedenfalls vertretbar gelöst.
Schließlich stützt auch der Umstand, dass es im Zusammenhang mit Stadtplänen keine Rechtsprechung zu Art 3 h WR‑ÖZÄK gibt, nicht die Zulässigkeit des Rechtsmittels. Dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, bedeutet nämlich keineswegs, dass die Entscheidung von der Lösung einer im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt (RIS‑Justiz RS0102181).
Die Abweisung des Sicherungsbegehrens bedarf daher keiner höchstgerichtlichen Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
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