European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00116.17P.0727.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die klagende Partei übt das Augenoptikergewerbe aus. Der Beklagte ist Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie und betreibt in derselben Stadt eine Ordination.
Der Beklagte begann 2014 bei langjährigen Patienten, bei denen aufgrund massiver Sehschwäche bereits verschiedene Formen vergrößernder Sehhilfen zur Anwendung gelangt waren, auf deren Nachfrage, welche Sehhilfen noch eine gewisse Sehleistung ermöglichen könnten, bestimmte Produkte einer GmbH zu verordnen. Der Beklagte verordnete zum Teil ab 2014 auch direkt Produkte anderer Hersteller. Dem Beklagten war die Produktpalette nicht bekannt, die die klagende Partei an vergrößernden Sehhilfen ständig vertrieb. Der Beklagte akzeptiert, dass Patienten andere als von ihm verordnete vergrößernde Sehhilfen beziehen, insbesondere wenn eine für sie zufriedenstellende Sehleistung erreicht wird. Ein Patient bezog eine verordnete Leselupe direkt von der klagenden Partei, die dieses Produkt von der GmbH problemlos bekam. Patienten bestanden der klagenden Partei gegenüber nicht auf das konkret vom Beklagten verordnete Produkt.
Die Vorinstanzen haben den Unterlassungsanspruch, der sich auf einen Verstoß des beklagten Augenarztes gegen § 3 der von der Ärztekammer erlassenen VO „Arzt und Öffentlichkeit 2014“ stützt, wonach einem Arzt die Werbung für Arzneimittel, Heilbehelfe und sonstige medizinische Produkte untersagt ist, mit Hinweis auf die zumindest als vertretbar qualifizierte Rechtsansicht des Beklagten abgewiesen. Das Berufungsgericht bezog sich mehrfach auf die Entscheidung 4 Ob 133/16m und hob hervor, dass der Beklagte seinen Patienten nur über Nachfrage und ohne finanzielle oder andere sachfremde Motive Sehbehelfe verschiedenster Hersteller empfohlen hatte, wobei die Patienten die Möglichkeit hatten, auch andere Produkte zu erwerben, was vom Beklagten akzeptiert worden sei. Ausgehend von diesen Umständen sei das Verhalten des Beklagten nicht als unvertretbarer Verstoß gegen die Verordnung anzusehen, weil er nicht für die Richtigkeit seiner Rechtsansicht einzustehen habe.
Rechtliche Beurteilung
Das klagende Optikerunternehmen macht keine erhebliche Rechtsfrage geltend, von deren Beurteilung die Entscheidung abhängt.
Bei Beurteilung der lauterkeitsrechtlichen Vertretbarkeit einer Rechtsansicht durch den Obersten Gerichtshof sind zwei Prüfungsstufen zu unterscheiden: Schon auf der ersten – für die Beurteilung durch die Vorinstanzen nach § 1 UWG maßgebenden – Stufe geht es nur um die Frage nach einer vertretbaren Auslegung der Normen, um die Verwirklichung eines zurechenbaren Rechtsbruchs bejahen oder verneinen zu können. Auf der zweiten – für die zulässige Anfechtung eines Urteils beim Obersten Gerichtshof gemäß § 502 Abs 1 ZPO (bzw hier: § 528 Abs 1 ZPO) hinzutretenden – Stufe geht es sodann nicht um die Frage, ob das Zweitgericht jene Vertretbarkeitsfrage richtig, sondern nur, ob es sie ohne eine krasse Fehlbeurteilung gelöst hat (RIS‑Justiz RS0124004).
Die Revision legt umfassend dar, warum der Beklagte nach Ansicht des Klägers gegen die Verordnung verstoßen haben soll. Sie zieht daraus auch die (knappe) Schlussfolgerung, dass der Beklagte nicht vertretbar davon ausgehen konnte, er würde seine Patienten nur sachlich informieren. Mit der für die Beurteilung der Erheblichkeit des Rechtsmittels aber entscheidenden Frage, ob die lauterkeitsrechtliche Vertretbarkeit vom Berufungsgericht in unvertretbarer Weise angenommen wurde, setzt sich die Revision nicht ansatzweise auseinander. Das geschieht auch nicht mit dem pauschalen Hinweis, dass der Sachverhalt von den Vorinstanzen krass fehlbeurteilt worden sei.
Schon aus diesem Grund bedarf die Abweisung des Klagebegehrens keiner höchstgerichtlichen Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung, sodass auf die weiteren Ausführungen in der Revision nicht mehr eingegangen werden muss.
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