European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00122.17P.0704.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit insgesamt 4.231,05 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Kläger hat es aufgrund einer einstweiligen Verfügung des Landesgerichts St. Pölten vom 16. September 2013 zu unterlassen, Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu betreiben oder den Betrieb von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu ermöglichen, insbesondere durch Aufstellung und/oder Zugänglichmachung solcher Geräte, insbesondere in einem näher bezeichneten Lokal, solange er nicht über die dafür erforderliche behördliche Bewilligung verfügt.
Die aus dem Titel Berechtigte führt (ua) gegen den Kläger als (Zweit‑)Verpflichteten zu 5 E 5493/13y des Erstgerichts wegen behaupteter Verstöße gegen das Unterlassungsgebot Exekution nach § 355 EO. Das Erstgericht verhängte (ua) über den Kläger mehrfach Geldstrafen.
Die Beklagte führt aufgrund dreier Bescheide des Präsidenten des Landesgerichts St. Pölten vom 14. und 15. September und vom 6. Oktober 2015, mit denen dem Kläger die Zahlung von insgesamt 248.024 EUR (rechtskräftig verhängte Geldstrafen von insgesamt 248.000 EUR und 24 EUR Einhebungsgebühr) aufgetragen wurde, zu 13 E 1015/16g des Erstgerichts zur Hereinbringung dieses Betrags gegen den Kläger Fahrnisexekution und Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung.
Mit seiner Oppositionsklage begehrt der Kläger den Ausspruch des Erlöschens des betriebenen Anspruchs. Bereits im Verfahren vor dem Landesgericht St. Pölten habe er (wenn auch erfolglos) eingewendet, dass eine Bestrafung nach dem GSpG aufgrund von Unionsrechtswidrigkeit nicht zulässig sein könne. Bis zum 30. März 2016 sei es ständige Rechtsprechung sowohl des Obersten Gerichtshofs als auch des Verwaltungsgerichtshofs gewesen, dass das GSpG unionsrechtskonform sei und keine Bedenken betreffend Inländerdiskriminierung bestünden. Diese einheitliche und seit Jahren verfolgte Judikaturlinie der Höchstgerichte sei durch eine gravierende Wende in der Rechtsprechung durchbrochen worden: Seit dem Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 30. März 2016, 4 Ob 31/16m, gehe die höchstgerichtliche Rechtsprechung von einer Unionsrechtswidrigkeit des GSpG und einer bestehenden Inländerdiskriminierung aus. Diese Judikaturwende stelle einen Oppositionsgrund dar.
Die Beklagte wendete ua Unzulässigkeit des Rechtswegs ein. Ein Oppositionsbegehren, das sich gegen einen im Verwaltungsverfahren geschaffenen Titel richte, sei im Verwaltungsweg geltend zu machen. Dies gelte auch für Zahlungsaufträge nach § 6 Abs 1 GEG.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Gemäß § 6 Abs 1 GEG sei die für die Vorschreibung der nach § 1 GEG einzubringenden Beträge zuständige Behörde auch für die Entscheidung über sonstige mit der Einbringung zusammenhängende Anträge, einschließlich Rückzahlungsanträge und Einwendungen nach § 35 EO zuständig.
Das Rekursgericht hob diesen Beschluss infolge Rekurses des Klägers „ersatzlos“ auf [richtig: verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs] und trug dem Erstgericht die Fortführung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund auf. Die Vorschreibung von Gerichtsgebühren und Kosten nach dem GEG sei Angelegenheit der Justizverwaltung und stelle daher kein gerichtliches, sondern ein Verwaltungsverfahren dar. Der vom Kostenbeamten erlassene Zahlungsauftrag (§ 6a GEG) bilde somit einen verwaltungsbehördlichen Exekutionstitel gemäß § 1 Z 12 EO. Nach § 35 Abs 2 letzter Satz EO seien Einwendungen gegen einen Anspruch, der sich auf einen der in § 1 Z 10 und 12 bis 14 EO angeführten Exekutionstitel stütze, bei jener Behörde anzubringen, von der der Titel ausgegangen sei. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (3 Ob 199/03s; 3 Ob 258/07y) leite daraus ab, dass für die Oppositionsklage gegen Zahlungsaufträge von Kostenbeamten der Rechtsweg ausgeschlossen sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 14. September 2004, 2004/06/0074, jedoch dargelegt, dass die Verwaltungsbehörden nicht berechtigt seien, über Oppositionsansprüche zu entscheiden, die sich letztlich gegen die dem Zahlungsauftrag zugrundeliegende gerichtliche Entscheidung richteten. An dieser Auffassung habe der Verwaltungsgerichtshof seither in ständiger Rechtsprechung festgehalten (vgl Erkenntnis vom 22. Dezember 2010, 2010/96/0173). Diese nach dem geltend gemachten Oppositionsgrund differenzierende Auffassung vertrete auch die Lehre. In der Entscheidung 6 Ob 78/09b sei der Oberste Gerichtshof im Hinblick auf die in der Literatur geäußerte Kritik von seiner Rechtsprechung abgegangen, wonach das Firmenbuchgericht nach Erlassung eines Zahlungsauftrags durch den Kostenbeamten nicht mehr befugt sei, von der Vollstreckung der Zwangsstrafe abzusehen. Der für Exekutionssachen zuständige Fachsenat des Obersten Gerichtshofs habe sich demgegenüber bisher nicht mit den aktuelleren Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofs auseinanderzusetzen gehabt, wonach die Geltendmachung von Einwendungen gegen den Anspruch iSd § 35 EO überhaupt unmöglich sei. Der Kläger releviere mit seinem Vorbringen gerade keinen einer Prüfung im Verwaltungsweg zugänglichen Fehler des Kostenbeamten, sondern richte sich gegen den den Zahlungsaufträgen zugrunde liegenden Anspruch. Für seine Einwendungen gegen den Anspruch iSd § 35 EO sei der Rechtsweg zulässig.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil divergierende Rechtsprechung der Höchstgerichte vorliege und jüngere Rechtsprechung des für Exekutionssachen zuständigen Fachsenat des Obersten Gerichtshofs fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
1. Gemäß § 1 Z 2 GEG 1962 sind (ua) Geldstrafen aller Art, die von dem Gericht verhängt wurden, von Amts wegen im Justizverwaltungsweg hereinzubringen. Werden die nach § 1 GEG einzubringenden Beträge nicht sogleich entrichtet oder ist die Einziehung erfolglos geblieben, sind sie gemäß § 6a Abs 1 GEG durch Bescheid (Zahlungsauftrag) zu bestimmen, der einen Exekutionstitel iSd EO bildet.
2. Gemäß § 35 Abs 2 letzter Satz EO sind Einwendungen gegen einen Anspruch, der sich auf einen der in § 1 Z 10 und 12 bis 14 EO angeführten Exekutionstitel stützt, bei jener Behörde anzubringen, von welcher der Exekutionstitel ausgegangen ist. Im Hinblick darauf hat der erkennende Fachsenat zu 3 Ob 199/03s und 3 Ob 258/07y ausgesprochen, dass der Rechtsweg für eine Oppositionsklage gegen einen Zahlungsauftrag – also einen Exekutionstitel nach § 1 Z 12 EO (RIS‑Justiz
RS0123129) – unzulässig ist, obwohl dieser Titel letztlich auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht, mit der die einzubringenden Geldstrafen (in den Anlassfällen jeweils Zwangsstrafen nach dem FBG) verhängt wurden.
2. Dem Rekursgericht ist dahin zuzustimmen, dass der Verwaltungsgerichtshof (bisher) in ständiger Rechtsprechung die gegenteilige Ansicht vertritt und die oben zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs von der Lehre (Jakusch in Angst/Oberhammer 3 § 35 EO Rz 6/5; Dullinger in Burgstaller/Deixler-Hübner § 35 EO Rz 81) mit durchaus beachtlichen Argumenten kritisiert wurde.
3. Allerdings hat sich die Rechtslage seit den vom Berufungsgericht angesprochenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs entscheidend geändert, sodass diese Judikatur als überholt anzusehen ist:
Seit Inkrafttreten der Novelle BGBl I Nr 190/2013 (insoweit) mit 1. Jänner 2014 (§ 19a Abs 11 GEG) normiert § 6 Abs 1 GEG, wie bereits das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, ausdrücklich, dass die für die Vorschreibung der nach § 1 GEG einzubringenden Beträge zuständige Behörde insbesondere auch für die Entscheidung über Einwendungen nach § 35 EO zuständig ist.
4. Das Erstgericht hat die Oppositionsklage deshalb zu Recht wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)