OGH 12Ns36/17s

OGH12Ns36/17s22.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juni 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Charles U***** wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 2a SMG und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 64 Hv 25/17b des Landesgerichts Salzburg, in dem zwischen diesem Gericht und dem Landesgericht für Strafsachen Wien (zum AZ 144 Hv 46/17s) geführten Zuständigkeitsstreit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120NS00036.17S.0622.000

 

Spruch:

Die zur Entscheidung über einen Zuständigkeitsstreit vorgelegten Akten werden dem Landesgericht für Strafsachen Wien zur Ausfertigung und Zustellung des am 4. April 2017 gefassten Beschlusses, mit dem es seine örtliche Unzuständigkeit (§ 485 Abs 1 Z 1 erster Fall StPO) ausgesprochen hat (ON 1 S 5), zurückgestellt.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Staatsanwaltschaft Wien brachte gegen den Jugendlichen Charles U***** Strafantrag wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 2a SMG und einer weiteren strafbaren Handlung bei der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien zum AZ 144 Hv 46/17s ein (ON 1 S 3; ON 4). Diese sprach am 4. April 2017 nach – am Antrags- und Bewilligungsbogen dokumentierter – Prüfung des Strafantrags gemäß § 485 Abs 1 StPO unter Hinweis auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Angeklagten in W***** der Sache nach („B./Vfg“, ON 1 S 5) die örtliche Unzuständigkeit des Landesgerichts für Strafsachen Wien aus (§ 485 Abs 1 Z 1 erster Fall StPO) und verfügte die Übermittlung des Aktes an das Landesgericht Salzburg „gem. § 29 JGG“ (ON 1 S 5). Die Ausfertigung sowie die Zustellung des Beschlusses (§ 86 Abs 2 StPO) sind aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich.

Die Einzelrichterin des Landesgerichts Salzburg (AZ 64 Hv 25/17b) veranlasste am 7. April 2017 die Rückübermittlung des Aktes mit der Begründung, dass eine Überweisung des Aktes nach Prüfung des Strafantrags und Begründung der Zuständigkeit ohne Delegierung nicht möglich sei (ON 1 S 5).

Der Akt wurde daraufhin am 20. April 2017 von der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien neuerlich dem Landesgericht Salzburg übermittelt. Dabei verwies sie darauf, dass sich die örtliche Zuständigkeit des letztgenannten Gerichts aus § 29 JGG ergebe (ON 1 S 6).

Das Landesgericht Salzburg legte in der Folge den Akt dem Obersten Gerichtshof gemäß § 38 letzter Satz StPO zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt vor (ON 1 S 7).

§ 485 Abs 1 Z 1 StPO verweist den mit Strafantrag angerufenen Einzelrichter des Landesgerichts im Fall seiner örtlichen oder sachlichen Unzuständigkeit auf eine beschlussmäßige Erledigung. Nicht anders als bei der Prüfung der Anklage im kollegialgerichtlichen Verfahren nach Maßgabe der von § 212 StPO genannten Kriterien (vgl dazu 13 Ns 1/09i) kommt es gemäß § 485 StPO demnach zu beschlussförmigen Aussprüchen über die Unzuständigkeit, die beim übergeordneten Gericht mit Beschwerde bekämpfbar sind. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat aufschiebende Wirkung (§§ 87 Abs 3, 485 Abs 1a StPO; vgl 13 Ns 44/09p).

Einen solchen Beschluss hat die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien zwar gefasst, diesen aber bislang weder ausgefertigt noch zugestellt. Ein vom Obersten Gerichtshof zu entscheidender negativer Kompetenzkonflikt liegt demgemäß derzeit nicht vor.

Hinzugefügt sei, dass im Einzelrichterverfahren die örtliche Zuständigkeit – anders als im Verfahren vor dem Schöffen- oder Geschworenengericht – nicht durch die Rechtswirksamkeit der Anklage (§ 213 Abs 5 StPO) festgelegt wird. Die örtliche Unzuständigkeit ist daher entgegen der Ansicht der Einzelrichterin des Landesgerichts Salzburg selbst nach Anordnung der Hauptverhandlung – bei sonstiger Nichtigkeit (§§ 489 Abs 1, 468 Abs 1 Z 1 StPO) – bis zur Urteilsfällung von Amts wegen wahrzunehmen und gegebenenfalls die Abtretung an das zuständige Landesgericht vorzunehmen (Oshidari, WK‑StPO § 38 Rz 7).

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