OGH 17Os10/17z

OGH17Os10/17z12.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Juni 2017 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Safet O***** wegen des Vergehens der Vorteilszuwendung nach § 307a Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 22. Februar 2017, GZ 50 Hv 86/16y‑26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0170OS00010.17Z.0612.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen verfehlten (vgl RIS-Justiz RS0115553) Freispruch vom Vorwurf (in Idealkonkurrenz begründeter) versuchter Bestimmung zum Missbrauch der Amtsgewalt enthält, wurde Safet O***** des Vergehens der Vorteilszuwendung nach § 307a Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 15. Juni 2016 in H***** einem Amtsträger für die pflichtgemäße Vornahme eines Amtsgeschäfts einen ungebührlichen Vorteil angeboten oder versprochen, indem er dem „Vollzugsleiter der JA H*****“, Herbert P*****, anlässlich seiner Vorsprache zwecks neuerlicher Gewährung von Ausgängen und einer „Verlegung in den Modulbau“ (im Rahmen des Strafvollzugs in gelockerter Form [vgl US 4]) die Zahlung eines Geldbetrags in Aussicht stellte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Nach den Feststellungen sei es Aufgabe von Herbert P***** gewesen, als Mitglied des sogenannten „Fachteams“ in der Justizanstalt H***** über Anträge auf Strafvollzug in gelockerter Form (§ 126 StVG) zu entscheiden. Gerhard B***** nehme derartige Anträge entgegen, treffe eine „Vorauswahl“ und lege die von ihm als geeignet erachteten dem „Fachteam“ (dessen Mitglied er selbst gewesen sei) vor. Herbert P***** habe Safet O***** bei dessen Vorsprache mitgeteilt, dass dieser wegen von ihm begangener Ordnungswidrigkeiten längere Zeit nicht in den Genuss von Vollzugslockerungen kommen werde. Safet O***** habe daraufhin Herbert P***** in Kenntnis dessen Befugnis einen Geldbetrag in nicht näher spezifizierter Höhe für den Fall angeboten, dass dieser ihm – als Teil des Fachteams – (ungeachtet der Ordnungswidrigkeiten) Strafvollzug in gelockerter Form gewähre.

Dem Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben die Tatrichter die Angaben des Zeugen Gerhard B***** ohnehin erörtert (US 5). Dessen Aussage, Anträge von Strafgefangenen, die (wie der Beschwerdeführer) mehrere Ordnungswidrigkeiten begangen hätten, üblicherweise wegen Aussichtslosigkeit nicht dem „Fachteam“ zur Entscheidung vorzulegen (ON 25 S 10 f), steht den Feststellungen zum Konnex zwischen angebotenem Vorteil und (vom Beschwerdeführer angestrebtem) Amtsgeschäft des Herbert P***** nicht erörterungsbedürftig entgegen (vgl RIS‑Justiz RS0098646).

Indem der Beschwerdeführer den (als ernst gemeint) festgestellten Bedeutungsinhalt seines Angebots (US 4) als bloße Frage im Hinblick auf angeblich bestehende Gerüchte zu relativieren sucht, kritisiert er die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Die Behauptung eines Widerspruchs (Z 5 dritter Fall), weil sich die inkriminierte Äußerung bloß auf die Gewährung eines Ausgangs (§ 99a StVG) bezogen habe, während „die weitere Begründung sich ausschließlich mit der Gewährung von Vollzugslockerungen“ (also einem anderen Amtsgeschäft) beschäftige, nimmt nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370). Das Erstgericht hat den Bedeutungsinhalt des Angebots nämlich dahingehend festgestellt, dass sich dieses darauf bezogen habe, für die Gewährung einer Vollzugslockerung zu zahlen (US 4). Beschwerdeausführungen dazu, ob der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Ausgang gehabt hätte, können daher dahingestellt bleiben.

Schließlich moniert der Beschwerdeführer das Fehlen weiteren Konstatierungen (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a) dahingehend, dass der „angebotene Geldbetrag die landesübliche Aufmerksamkeitsgrenze des § 305 Abs 4 Z 3 StGB überschritten hätte“. Vorweg ist festzuhalten, dass für Herbert P***** als Justizwachebeamten § 59 BDG einschlägig ist. Dessen Abs 1 untersagt dem Beamten, im Hinblick auf seine amtliche Stellung für sich oder einen Dritten ein Geschenk, einen anderen Vermögensvorteil oder einen sonstigen Vorteil zu fordern, anzunehmen oder sich versprechen zu lassen. Von diesem grundsätzlichen Verbot besteht nach Abs 2 eine Ausnahme für orts- oder landesübliche Aufmerksamkeiten von geringem Wert. Herbert P***** wäre daher bloß die Annahme solcher Vorteile im Sinn des § 305 Abs 4 Z 1 StGB gesetzlich erlaubt. Die (inhaltsgleiche, subsidiäre) Legaldefinition der Z 3 kommt hier nicht zur Anwendung (vgl JAB 1833 BlgNR 24. GP  6 f und 14; Hauss/Komenda , SbgK § 305 Rz 38 ff; Hinterhofer/Rosbaud , BT II 6 § 305 Rz 7 und 9).

Nur wenn der (hier gegenständliche) Vorteil die in § 59 Abs 2 BDG genannten Kriterien (Orts- oder Landesüblichkeit und geringen Wert) kumulativ erfüllte, wäre er nicht ungebührlich. Prozessordnungskonforme Darstellung des Einwands fehlender Feststellungen zu diesen – vom Gesetz als Ausnahmesatz zum Tatbestand (§ 305 Abs 1 StGB) konzipierten – Kriterien hätte eines (hier unterlassenen) Hinweises auf ein indizierendes, in der Hauptverhandlung vorgekommenes Sachverhaltssubstrat bedurft (RIS-Justiz RS0118580; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 602; vgl RIS‑Justiz RS0121699 [zu § 70 StGB aF]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Bleibt anzumerken, dass der Urteilssachverhalt die Annahme von Missbrauch der Amtsgewalt (in der Täterschaftsform versuchter Bestimmung) und Bestechung in objektiver Hinsicht getragen hätte. Die auf Kommentarstellen ( Bertel in WK 2 StGB § 304 Rz 14 und § 307 Rz 6) gestützte Ansicht des Erstgerichts, bei Ermessensentscheidungen kämen (ersichtlich gemeint) Fehlgebrauch der Befugnis und Pflichtwidrigkeit des Amtsgeschäfts nicht in Betracht, widerspricht der ständigen Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0095932, RS0096099; insbesondere 17 Os 20/13i, EvBl 2014/28, 181; 17 Os 13/14m [17 Os 14/14h ua]). Ohne Urteilsanfechtung zum Nachteil des Angeklagten war es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, diesen Subsumtionsfehler aufzugreifen.

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