OGH 3Ob83/17b

OGH3Ob83/17b7.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Emilio Stock, Mag. Gerhard Endstrasser, Rechtsanwälte in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei Dr. R*****, vertreten durch Föger & Pall, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wörgl, wegen zuletzt 487.686,71 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 27. Februar 2017, GZ 4 R 7/17m‑33, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00083.17B.0607.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Die Klägerin erwarb mit zwei Kaufverträgen vom 6. Dezember 2013 zwei Liegenschaften mit mehreren Grundstücken.

Nach dem unstrittigen und daher im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden (RIS‑Justiz RS0121557 [T3]) Inhalt der von der Klägerin selbst vorgelegten Kaufvertragsurkunden Beilage ./H und ./I sollte der Nettopreis für den Erwerb zweier Grundstücke der einen Liegenschaft 730.000 EUR und der Kaufpreis für weitere Grundstücke der anderen Liegenschaft 330.000 EUR, insgesamt somit 1.060.000 EUR, betragen.

In Punkt 2.3 Abs 2 der Kaufverträge ist jeweils festgehalten, dass die Kaufpreise von der Klägerin bereits bezahlt und für die Abdeckung der Verbindlichkeiten des Verkäufers bei einer Bank (erstrangiger Hypothekargläubigerin) verwendet wurden.

Diesem Passus in den Kaufverträgen lag eine mehrere Monate vor Abschluss der Kaufverträge getroffene Vereinbarung zwischen der Klägerin und einer Bank zugrunde, wonach sich die auf den Liegenschaften des Verkäufers erstrangig besicherte Bank gegen Zahlung von 1.060.000 EUR zur Freistellung verpflichtete. Ab 19. März 2013 war der – in der Folge in dieser Höhe als Kaufpreis für die Liegenschaften vereinbarte – Betrag von 1.060.000 EUR zur Gänze beim Beklagten, der Rechtsvertreter der Bank war, als Treuhänder erlegt. Ende April 2013 beauftragte die Klägerin den Beklagten, den Treuhanderlag gegen Übergabe der bereits ausgestellten Löschungsquittungen für die vorrangig eingetragenen Pfandrechte an die Bank auszufolgen. Zuvor hatte der Beklagte die Klägerin darauf hingewiesen, dass er nur die Löschungserklärungen bezüglich der Pfandrechte der Bank habe und dass sich die Klägerin auch um die Löschung der übrigen Belastungen, insbesondere um die Löschung der auf den Liegenschaften einverleibten nachrangigen Pfandrechte, kümmern müsse, weil sie sonst nicht grundbücherliche Eigentümerin werden könne.

Mit Beschluss vom 17. Februar 2014 wurde über das Vermögen des Verkäufers das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Die Liegenschaften mit dem darauf errichteten Hotel waren bereits an die Klägerin übergeben. Eine grundbücherliche Durchführung der Kaufverträge scheiterte allerdings an den fehlenden Löschungserklärungen nachrangiger Buchgläubiger, zu deren Beibringung sich der Verkäufer vertraglich verpflichtet hatte. Der Insolvenzverwalter trat daher mit Schreiben vom 19. Februar 2015 gemäß § 21 IO von den Liegenschaftskaufverträgen zurück.

Beide Liegenschaften wurden dem Ersteher am 29. Juni 2015 in einem ua von den nachrangigen Pfandgläubigern betriebenen Zwangsversteigerungsverfahren um ein Meistbot von insgesamt 536.500 EUR zugeschlagen.

Wäre der Klägerin der Nachweis einer Forderungseinlösung und eines Pfandrechtsübergangs hinsichtlich der vorrangig einverleibten Pfandrechte der Bank geglückt, wäre ihr im Exekutionsverfahren ein Betrag von 448.206,71 EUR zugewiesen worden.

Nach rechtskräftiger Teilabweisung eines Begehrens von 611.793,29 EUR sA im ersten Rechtsgang ist Gegenstand des Revisionsverfahrens das Begehren der Klägerin auf Zahlung von 487.686,71 EUR sA gegen den beklagten Rechtsanwalt.

Soweit für das Revisionsverfahren noch relevant, stützte die Klägerin ihr Begehren auf die Verpflichtung des Beklagten, die Klägerin darüber aufzuklären, dass ein Übergang des Pfandrechts auf sie eine Forderungseinlösung iSd § 1422 ABGB vorausgesetzt hätte. Zu einer Forderungseinlösung sei es nicht gekommen. Wäre eine Forderungseinlösung erfolgt, wäre die Klägerin im Zwangsversteigerungsverfahren vorrangig befriedigt worden. Selbst wenn eine Forderungseinlösung anzunehmen sei, habe es der Beklagte verabsäumt, der Klägerin ein näher bezeichnetes E‑Mail herauszugeben, mit welchem ihr der Nachweis der Forderungseinlösung im Zwangsversteigerungs-verfahren gelungen wäre.

Das Berufungsgericht bestätigte das klageabweisende Endurteil des Erstgerichts.

In ihrer außerordentlichen Revision macht die Klägerin als erhebliche Rechtsfragen geltend

‑ eine Forderungseinlösung habe nicht stattgefunden, weil das Berufungsgericht von der – nicht näher bezeichneten – „gefestigten Judikatur“ abgewichen sei, wonach für die Wirksamkeit einer Einlösung iSd § 1422 ABGB eine Zahlungswidmung bei bloß teilweiser Zahlung der Gesamtforderungen vorzunehmen sei;

‑ es fehle Rechtsprechung dazu, ob der Beklagte bereits vor „formeller Beauftragung“ der Klägerin mit der Erstellung von Kaufvertragsentwürfen Vertreter der Klägerin iSd § 12 RAO gewesen und damit zur Herausgabe des Schreibens (E‑Mails) vom 5. April 2013 verpflichtet gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zeigt die Klägerin mit diesem Vorbringen nicht auf.

1. Das Berufungsgericht übernahm zwar die erstgerichtliche Feststellung nicht, wonach der Verhandlungsbeauftragte der Klägerin sämtliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer wirksamen Forderungseinlösung kannte. Es steht allerdings unbekämpft fest, dass der Beklagte der Klägerin in Grundzügen das Wesen einer Forderungseinlösung und die von der Bank an eine Forderungseinlösung geknüpften Bedingungen erklärte. Die Negativfeststellung, dass nicht festgestellt werden konnte, ob der Beklagte auf die Konsequenzen einer nicht ausdrücklich begehrten Forderungseinlösung hinwies, geht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zu Lasten der Klägerin, die für die Aufklärungspflichtverletzung beweispflichtig ist (RIS‑Justiz RS0026338 [T1]; jüngst ausführlich 2 Ob 99/16x).

2. Ob der Beklagte verpflichtet war, der Klägerin jenes E-Mail vom 5. April 2013 auszuhändigen, in welchem sie den Wunsch nach einer Forderungseinlösung äußerte, muss nicht geprüft werden, weil schon die Vorfrage, ob und welche Forderungen der Bank gegen den Verkäufer von der Klägerin iSd § 1422 ABGB eingelöst wurden, für das Verfahren ohne Relevanz ist.

2.1 In den Kaufverträgen wurde ausdrücklich und entsprechend dem wirtschaftlichen Hintergrund der gesamten Transaktion vereinbart, dass die Kaufpreise „von der Klägerin bereits bezahlt und für die Abdeckung der Verbindlichkeiten des Verkäufers bei der Bank verwendet wurden“. Die Klägerin zahlte somit die vereinbarten Kaufpreise nicht bar, sondern durch Begleichung der Schulden des Verkäufers bei der Bank im Ausmaß von 1.060.000 EUR. Die allenfalls auf die Klägerin übergegangene Forderung der Bank gegen den Verkäufer verwendete die Klägerin somit unstrittig zur Zahlung des Kaufpreises. Dadurch wurde aber auch das Erlöschen der allenfalls übergegangenen Forderung der Klägerin gegen den Verkäufer bewirkt.

2.2 Der im Verkäuferkonkurs erklärte Rücktritt des Insolvenzverwalters von den Kaufverträgen ändert an dieser Beurteilung nichts: Ein Rücktritt nach § 21 Abs 1 IO führt nach ständiger Rechtsprechung nicht zur Aufhebung des Vertrags; es unterbleibt vielmehr nur die weitere Erfüllung. Der Erfüllungsanspruch des Vertragspartners wird in einen Schadenersatzanspruch umgewandelt (RIS‑Justiz RS0064493). Ein bereicherungsrechtlicher Ausgleich zwischen dem Vertragspartner des Schuldners und der Masse ist die Folge (9 Ob 40/16x = RIS‑Justiz RS0064493 [T14]).

2.3 Daraus folgt aber, dass der Klägerin zum Zeitpunkt der Meistbotsverteilung im Zwangsversteigerungs-verfahren hypothekarisch besicherte Forderungen der Bank gegen den Verkäufer auch dann nicht (mehr) zustanden, wenn sie diese Forderungen ursprünglich iSd § 1422 ABGB eingelöst hätte. Diese Forderungen wären vielmehr im Einlösungsfall durch die in den Kaufverträgen vereinbarte Verrechnung und die dadurch bewirkte Tilgung der Kaufpreisschuld der Klägerin erloschen.

2.4 Aus diesem Grund ist unerheblich, ob der Beklagte verpflichtet war, der Klägerin das E-Mail vom 5. April 2013 auszuhändigen. Aus den dargelegten Gründen bestand zum Zeitpunkt der Zwangsversteigerung der Liegenschaften jedenfalls keine auf die Klägerin übergegangene hypothekarisch besicherte Forderung gegen den Verkäufer, die bei der Meistbotsverteilung zu berücksichtigen gewesen wäre.

3. Die außerordentliche Revision ist daher mangels Relevanz der geltend gemachten Rechtsfragen zurückzuweisen.

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