OGH 25Ds3/17h

OGH25Ds3/17h23.5.2017

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 23. Mai 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Niederleitner und Mag. Dorn sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Mag. *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über den Einspruch und die Berufung wegen Schuld und Strafe des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom (richtig:) 26. September 2016, AZ D 14/15, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Koenig, des Kammeranwalts Dr. Tschurtschenthaler und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0250DS00003.17H.0523.000

 

Spruch:

 

Der Einspruch wird zurückgewiesen.

Hingegen wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für Kärnten verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen – in der Ausfertigung irrig mit 24. November 2016 datierten – Erkenntnis wurde Rechtsanwalt Mag. ***** des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt schuldig erkannt (ES 2 zweiter Absatz) und hiefür zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt.

Danach hat er

1./ in seinem an das Landesgericht Klagenfurt zu Handen des Richters Mag. ***** gerichteten Schreiben vom 25. August 2015 ausgeführt, er wisse zwar wie „balkanisiert“ Gerichtsverfahren in Ländern des ehemaligen Jugoslawien nach wie vor ablaufen, er habe aber eine Vorgehensweise, wie jene dieses Richters im Verfahren AZ 50***** des Landesgerichts Klagenfurt bisher noch nicht erlebt; sowie

2./ im selben Schreiben weiters geäußert, er habe sehr aktiv dazu beigetragen, dass das Verfahren AZ 24***** vor dem Landesgericht Klagenfurt „ohne größeren Aufwand“ für den Richter, nämlich durch einen gerichtlichen Vergleich abgeschlossen werden konnte und er habe geglaubt, dass ihm dieser Umstand einmal zugute kommen werde, er werde „daher in Zukunft tunlichst versuchen, weitere Verfahren mit dem Richter zu vermeiden“.

Rechtliche Beurteilung

Gegen das – in Abwesenheit des zur Verhandlung nicht erschienenen Beschuldigten ergangene – Erkenntnis richten sich dessen Einspruch und dessen Berufung wegen Schuld und Strafe.

Der Einspruch war zurückzuweisen, weil er Gründe im Sinn des § 35 DSt iVm § 427 Abs 3 StPO nicht einmal behauptet.

Hingegen kommt der Berufung wegen Schuld Berechtigung zu.

Der Sache nach zutreffend zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nämlich zu 1./ einen Feststellungsmangel zu einem nach den Verfahrensergebnissen (ON 23 S 2) indizierten Tatsachensubstrat auf, das eine andere rechtliche Beurteilung ermöglichen würde (RIS‑Justiz RS0118580).

Der Disziplinarrat maß dem Vergleich der Vorgehensweise des Richters mit „balkanisierten“ Gerichtsverfahren in Ländern des ehemaligen Jugoslawien den Bedeutungsinhalt zu, der Richter habe nicht auf Basis der Rechtsordnung verhandelt (ES 5), und beurteilte diese Aussage als standeswidrig. Dabei verabsäumte er es aber, Konstatierungen zu den im Schreiben des Beschuldigten als Begründung für diesen Vorwurf zusätzlich angeführten konkreten Sachverhaltsbehauptungen (der Richter habe die beklagte Partei bei der ersten Tagsatzung gefragt, was sie hier überhaupt mache und was sie eigentlich wolle, er habe beiden Streitparteien unberechtigterweise mehrmals einen ergänzenden Kostenvorschuss auferlegt, ohne ihnen dabei eine Möglichkeit einzuräumen, diese Thematik besprechen zu können, sowie er habe die von der beklagten Partei beantragten Zeugen nicht geladen; ON 1) und deren Richtigkeit zu treffen. Auf Basis dazu getroffener Feststellungen hätte die Beurteilung, ob eine sachliche Kritik oder ein – dem Standesansehen zuwider laufendes – abfälliges Werturteil ohne entsprechendes Sachverhaltssubstrat vorlag (vgl RIS‑Justiz RS0075702; 15 Os 130/16f, 131/16b), uU zu einem anderen Ergebnis führen können.

Im Recht ist auch die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zum festgestellten Bedeutungsinhalt der weiters inkriminierten Textpassage des Schreibens (2./), demzufolge der Beschuldigte dem Richter mit der angeführten Formulierung unterstellt habe, „dass er nicht gesetzmäßig vorgegangen sei“ (ES 5). Hiefür sind im Erkenntnis keine Gründe angegeben, die aber umso mehr anzuführen gewesen wären, als sich diese Auslegung aus dem bloßen Wortlaut nicht ergibt (vgl auch RIS‑Justiz RS0123503).

Die aufgezeigten Fehler des Erkenntnisses erfordern dessen Kassation und die Anordnung eines neuen Rechtsgangs.

In diesem wird sich der Disziplinarrat auch damit auseinanderzusetzen haben, dass eine Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach ständiger Rechtsprechung nur dann vorliegt, wenn die Tat einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangt oder aber das Fehlverhalten so schwerwiegend ist, dass selbst mit einer auf wenige Personen beschränkten Kenntnis die Gefahr der Beeinträchtigung verbunden ist (RIS‑Justiz RS0054876, RS0054927; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 9 § 1 DSt Rz 12 f). Dementsprechend werden Feststellungen zur Publizität des – an die dienstliche E‑Mail‑Adresse des Richters gesandten – Schreibens zu treffen sein.

Im Fall einer – im ersten Rechtsgang nicht erfolgten (ES 2 zweiter Absatz, s jedoch ES 1 und 6), vom Verbot der reformatio in peius aber nicht umfassten (RIS‑Justiz RS0098900) – Unterstellung des Verhaltens des Beschuldigten (auch) dem Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt werden Feststellungen zu treffen sein, die die Beurteilung ermöglichen, ob der Beschuldigte das inkriminierte Schreiben in Ausübung seines Berufs, also (noch) in Besorgung von Angelegenheiten von Mandaten, oder aber in eigener Sache verfasst hat (RIS‑Justiz RS0054900).

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