OGH 20Os17/16z

OGH20Os17/16z25.4.2017

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 25. April 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Rothner und Dr. Haslinger als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 19. September 2016, AZ D 62/15 (DV 26/16), TZ 30, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Koenig, und des Kammeranwalts der Oberösterreichischen Rechtsanwalts-kammer Dr. Hackl zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0200OS00017.16Z.0425.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde *****, Rechtsanwalt in *****, vom gegen ihn erhobenen Vorwurf freigesprochen, er habe als Vertreter des Karl H***** im Schreiben vom 31. August 2015 an Jasmine F***** mit der Ausführung „sollten Sie daher das Exekutionsverfahren ***** nicht ehestens einstellen, werde ich umgehend eine Strafanzeige wegen Betrugs gegen Sie erstatten“, einerseits die Grenzen einer notwendigen Vertretung überschritten, anderseits unzulässigen Druck und unangemessene Härte ausgeübt, und dadurch gegen die §§ 9 RAO, 1 DSt und 2 RL‑BA (1977) verstoßen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen gerichteten, ausschließlich auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten Berufung des Kammeranwalts wegen Nichtigkeit kommt keine Berechtigung zu.

Der festgestellten Tatsachengrundlage zufolge wurde in einem vor dem Bezirksgericht ***** geführten Verfahren der klagenden Partei Jasmine F*****, vertreten durch ihren Ehegatten Martin F*****, gegen die beklagten Parteien Gerhard N***** und Karl H***** wegen Besitzstörung in der Tagsatzung am 28. Mai 2015 ein Vergleich geschlossen, wonach sich die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand verpflichteten, der klagenden Partei einen Betrag von 1.600 Euro binnen 14 Tagen ab Rechtswirksamkeit des Vergleichs zu bezahlen. Trotz fristgerechter Zahlung des Vergleichsbetrags (Barzahlung von 800 Euro durch N***** am 29. Mai 2015, bestätigt seitens der Ehegatten F***** mit E‑Mail, und Überweisung der weiteren 800 Euro durch H***** am 11. Juni 2015 auf das von den Ehegatten F***** dafür angeführte Konto) erwirkte Jasmine F*****, wiederrum vertreten durch Martin F*****, am 14. August 2015 beim Bezirksgericht ***** einen Beschluss, mit welchem die Fahrnis‑ und Forderungsexekution über eine Kapitalforderung von 800 Euro aus dem Vergleich vom 28. Mai 2015 gegen Karl H***** bewilligt wurde. Dieser kontaktierte nach Empfang der Exekutionsbewilligung „emotional aufgeladen“ den Disziplinarbeschuldigten, wies diesem die E‑Mail Bestätigung der Ehegatten F***** über den Zahlungseingang des Verpflichteten N***** sowie seinen eigenen Überweisungsbeleg vor und beauftragte ihn, er möge alles unternehmen, auch eine Anzeige erstatten („sinngemäß sagte er, wenn die Exekution zur Einstellung gebracht werde, sei ihm die Anzeige egal, wenn die Exekution nicht zur Einstellung gebracht werde, dann solle der Disziplinarbeschuldigte Anzeige erstatten“ ES 4).

Nach den weiteren Erkenntnisannahmen erschloss sich dem Disziplinarbeschuldigten durch die ihm gezeigten Urkunden, dass die Exekution gegen seinen Mandanten zu Unrecht betrieben wurde und im Verhalten der betreibenden Partei Jasmine F***** bzw des für sie handelnden Vertreters Martin F***** „durchaus eine betrügerische Handlungsweise zu erblicken und zu interpretieren gewesen“ wäre (ES 6), zumal es sich beim Vertreter der betreibenden Partei, Martin F*****, um eine den Behörden sowie der Rechtsanwaltskammer Oberösterreich einschlägig bekannte Person handle und sich schon „aus dem äußeren Tatgeschehen eine Bereicherungsabsicht der betreibenden Partei durch Einleitung einer haltlosen Exekution“ ergeben hätte (ES 5).

Der Disziplinarbeschuldigte verfasste und versandte daraufhin namens seines Mandanten Karl H***** an Frau F***** das inkriminierte Schreiben vom 31. August 2015 mit dem Hinweis auf die erfolgte Bezahlung des Vergleichsbetrags unter Angabe der jeweiligen Zahltage, und der Erklärung „sollten sie daher das Exekutionsverfahren [...] nicht ehestens einstellen, werde ich umgehend eine Strafanzeige wegen Betrugs gegen Sie erstatten“. Er erhob im Weiteren nach Unterbleiben einer Einstellung der Exekution mit Schriftsatz vom 23. September 2015 Oppositionsklage beim Bezirksgericht ***** und einen Antrag auf Aufschiebung der bewilligten Forderungsexekution. Mit Urteil des Bezirksgerichts ***** vom 10. August 2016 wurde der Anspruch der Jasmine F***** aus dem Vergleich vor dem Bezirksgericht ***** für erloschen erklärt. Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2015 übersandte der Disziplinarbeschuldigte als Vertreter Karl H*****s im Weiteren eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Steyr, in welcher ein Verdacht in Richtung Prozessbetrug formuliert wurde (ES 4).

Die Drohung mit einer Strafanzeige ist aus disziplinarrechtlicher Sicht dann zulässig, wenn ein Rechtsanwalt nach sorgfältiger Überprüfung zur Überzeugung gelangt, dass das Verhalten des Gegners strafgesetzwidrig ist und ein durchsetzbarer Anspruch vorliegt (vgl 20 Os 6/16g, 20 Os 7/14a; RIS‑Justiz RS0056214; Feil/Wennig AnwR8 § 9 RAO Rz 15, § 2 RL‑BA 1977 Rz 2). Da dem Disziplinarbeschuldigten den unbekämpft gebliebenen Konstatierungen zufolge zum Zeitpunkt der Verfassung seines Schreibens mit unbedenklichen Urkunden einen konkreten (Prozess‑)Betrugsverdacht rechtfertigende Informationen vorlagen, kann ein disziplinär fassbares Verhalten zufolge Anwendung unzulässiger Druckmittel gemäß § 2 RL‑BA (1977) nicht erblickt werden. Im Rahmen der Abwehr eines trotz vorhergehender Zahlung bewirkten Exekutionstitels kann der Drohung mit einer Strafanzeige – zwecks Erwirken der einfachsten Form der Verfahrensbeendigung, nämlich einer Einstellungserklärung – Sachbezogenheit nicht abgesprochen werden.

Der Berufung war daher – wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte – nicht Folge zu geben.

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