OGH 3Ob206/16i

OGH3Ob206/16i29.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden und die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* G* Gesellschaft mbH & Co KG, *, vertreten durch Hämmerle & Hübner Rechtsanwälte OG in Innsbruck, gegen die beklagte Partei S* GmbH, *, vertreten durch Grassner, Lenz, Thewanger & Partner OG Rechtsanwälte in Linz, wegen 459.947,69 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. August 2016, GZ 2 R 75/16w‑18, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 11. April 2016, GZ 5 Cg 57/14g‑14, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E117740

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Zwischenurteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Endurteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 24.435,74 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 1.278,29 EUR USt, 16.766 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin betreibt ein Schigebiet. Die G* H* B* GmbH (in der Folge: Bauunternehmerin) übernahm die Bauarbeiten zur Errichtung eines Speicherseeteichs, einer Pumpstation und einer Entnahmeleitung zwischen Speicherteich und Pumpstation für die Klägerin. Die Beklagte lieferte die Rohre für die Entnahmeleitung. Diese brach im November 2006. Dadurch entstand erheblicher Schaden.

In einem Verfahren vor dem Landesgericht Steyr (in der Folge: Vorverfahren) begehrte die Klägerin von der Bauunternehmerin Schadenersatz. In diesem Verfahren wurde mit Teil‑ und Zwischenurteil das Leistungsbegehren der Klägerin im Umfang von 700.000 EUR ebenso wie das Begehren auf Feststellung der Haftung für künftige Schäden rechtskräftig abgewiesen und festgestellt, dass das weitere Begehren auf Zahlung von 1.162.623,77 EUR sA dem Grunde nach zu Recht besteht. Das Berufungsgericht ging in diesem Verfahren von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 2 : 1 zu Lasten der beklagten Bauunternehmerin aus. Der Klägerin stehe daher ein Schadenersatzanspruch etwa in der Höhe des noch nicht rechtskräftig erledigten Leistungsbegehrens zu. Die außerordentliche Revision wurde mit Beschluss vom 18. März 2015 vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen (3 Ob 109/14x).

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 23. September 2014 eingebrachten Klage von der beklagten Rohrlieferantin Zahlung von zuletzt 459.947,69 EUR sA. Die Beklagte habe Rohre mit zu geringer Wandstärke geliefert. Bei den gegebenen Bedingungen wäre eine statische Berechnung erforderlich gewesen. Die AGB der Beklagten seien nicht Vertragsinhalt geworden. Jedenfalls aber sei der in den AGB enthaltene Haftungsausschluss iSd § 864a ABGB nicht Vertragsbestandteil. Inhaltlich verstoße der Haftungsausschluss gegen § 879 Abs 3 ABGB. Verjährung sei nicht eingetreten, weil der Klägerin das gänzliche Fehlen einer Rohrstatik erst durch das Berichtschreiben des Sachverständigen vom 27. September 2011 im Vorverfahren bekannt geworden sei.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Sie wandte ein, zwischen den Streitteilen sei ein Kaufvertrag geschlossen worden. Sie wäre gar nicht in der Lage gewesen, selbst eine konkrete Rohrstatik zu erstellen. Dafür sei die Planerin verantwortlich gewesen. Das Vorverfahren habe ergeben, dass die Bauunternehmerin die vertragliche Pflicht zur Prüfung sowie die Haftung für die von der Klägerin beigestellten Materialien übernommen habe. Im Vorverfahren habe sich ferner herausgestellt, dass die Rohre für die konkrete Situation, also die Verlegung auf Thermafrostboden bei hohen Überschüttungen, ungleichen Lagerungs-bedingungen und den Untergrundeinflüssen zu gering dimensioniert gewesen seien. All das könne nicht der Beklagten angelastet werden, weil die Bauunternehmerin die Prüfpflicht und die volle Haftung für die Rohre treffe. In Punkt VI.8. der dem Vertrag zugrundegelegten AGB sei die Haftung der Beklagten auf Vorsatz bzw „gröbstes Verschulden“ beschränkt worden. Ein derartiges Verschulden treffe die Beklagte jedenfalls nicht. Im Übrigen sei Verjährung eingetreten. Die Klägerin habe bereits im Jahr 2006 Kenntnis vom Schaden und der angeblichen Schädigung durch die Beklagte gehabt. Im Vorverfahren habe die Zweitnebenintervenientin (Planerin, der auch die wasserrechtliche und teilweise auch die baurechtliche Aufsicht zukam) bereits mit Schriftsatz vom 10. August 2009 ausgeführt, dass eine „fehlerhafte Anleitung“ der Beklagten zur Rohrverlegung vorläge. Die Beklagte des Vorverfahrens (die Bauunternehmerin) habe mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2009 auf das Fehlen einer Rohrstatik hingewiesen. Spätestens durch die Gutachten vom 16. bzw 30. Jänner 2008 habe die Klägerin Kenntnis davon erlangt, dass die eingebauten Rohre für die vorliegenden Verhältnisse ohne Zusatzmaßnahme nicht geeignet gewesen seien.

Zu dem zur Verjährung erstatteten weiteren Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 24. Februar 2016 (ON 12) erstattete die Klägerin in der letzten Streitverhandlung vom 2. März 2016 kein Gegenvorbringen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es traf, soweit für das Revisionsverfahren wesentlich, folgende weitere Sachverhaltsfeststellungen:

Die AGB der Beklagten legen unter dem Titel „VI. Gewährleistung/Haftung“ ua fest:

„8. […] Soweit dem Auftraggeber Schadenersatzansprüche gegen den Auftragnehmer zustehen würden, sei es aus der Mangelhaftigkeit selbst, sei es aus Mangelfolgeschäden, wie beispielsweise Betriebs-unterbrechungen, entgangener Gewinn, Verlegungs- und Auswechslungskosten etc, so hat der AN nur dann Ersatz zu leisten, wenn er Vorsatz oder gröbstes Verschulden zu vertreten hat.“

Die Klägerin ersuchte den damaligen Leiter der österreichischen Niederlassung der Beklagten im Juni 2005 um ein Anbot für näher beschriebene Rohre für den Speicherteich, und zwar „DN 400 … 50 Lfm isoliert mit Heizung und 60 Lfm nicht isoliert sowie DM 200 …, Drainageleistung 2 x 50 Lfm isoliert mit Heizung und 60 Lfm nicht isoliert“. Weitere Angaben, beispielsweise zur Überschüttung der Rohre und der damit verbundenen äußeren Belastung, enthielt die Anfrage nicht.

Das von der Beklagten gelegte Anbot enthielt keinen Hinweis auf die Klasse bzw Wandstärke der angebotenen Rohre. Ebensowenig ging es auf die Überschüttung der Rohre ein. Auch wenn dem Leiter der Beklagten die konkrete Überschüttungshöhe nicht mitgeteilt worden war, so war ihm doch bekannt, dass bei Bauvorhaben in dieser Höhenlage in der Regel größere Überschüttungshöhen bestehen. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung ging er davon aus, dass standardmäßig Rohre der Kategorie K9 für derartige Bauvorhaben verwendet werden. Da die Klägerin auf den Preis drückte, nahm der Leiter der Beklagten günstige Rohre in das Angebot auf, ohne die Kategorie zu bezeichnen. Die Auswahl traf er aufgrund seiner Erfahrung. Neben der Lieferung der Rohre verpflichtete sich die Beklagte zu diversen Serviceleistungen. Zu diesen zählte eine Unterweisung beim Montieren der Rohrverbindungen. Darüber hinausgehende Unterweisungen, Planungsleistungen oder eine beauftragte Rohrstatik der Beklagten gab es nicht. Für dieses Bauvorhaben war eine Rohrstatik nicht erstellt und auch von keinem der Beteiligten verlangt worden.

Hauptursache für den eingetretenen Schaden an der Entnahmeleitung DN 400 war, dass die Wandstärke nicht auf die vorhandenen äußeren Einwirkungen (die Überlagerung an der Bruchstelle betrug 16,6 m bzw maximal 20,2 m) und auf die ausgeführte Einbautechnik bemessen waren. Für die konkret verwendeten Rohre war – unabhängig von den Rahmenbedingungen wie Einbauart und sonstigen Einflüssen aus dem Untergrund – die Wandstärke jedenfalls zu gering und erfüllte nicht die Vorschriften der in Österreich geltenden Regelwerke. Selbst bei günstigen Rahmenbedingungen – die bei der Ausführung nicht gegeben waren – wäre eine minimale Wandstärke von etwa 9,4 mm anstelle der 6,5 mm (gemessenes Minimum) erforderlich gewesen. Die zu verwendende Wandstärke der Rohre hängt im Wesentlichen von der Überschüttungshöhe, der Unterbauplanung, der entsprechenden Rohrbettung und einer sachgemäßen Verlegung ab. Es besteht somit eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen der Rohrwandstärke, den Einbau‑ bzw Bettungsbedingungen sowie den Untergrundverhältnissen. Für die Bestellung oder Lieferung von Rohren ist es erforderlich, die technischen Anforderungen zu definieren und vorzugeben. Wenn dies nicht der Fall ist, entspricht es dem Stand der Technik, dass der Rohrlieferant den Verwendungszweck bzw Einsatz abklärt. Im Bereich der späteren Hauptschadensstelle wurden beim Aushub bzw während der Verlegearbeiten besonders schwierige Verhältnisse (hoher Bergwasserstand) angetroffen. Im Rohrabschnitt mit dem Hauptschaden haben neben anderen Einflussfaktoren die geschaffenen sowie vorhandenen und nicht ausreichend erkundeten Verhältnisse keine ausreichende, langfristig zu gewährleistende Tragfähigkeit des Rohrverlegungsniveaus ergeben, und zwar unabhängig von der nicht ausreichenden Bemessung der Rohre.

Es fehlte jegliche geologisch‑geotechnische und hydrogeologische Erkundung der sehr schwierig zu definierenden lokalen Bedingungen. Dadurch wurde nicht erkannt, dass zumindest eine andere Rohrverlegung oder andere Sonderbaumaßnahmen erforderlich gewesen wären. Durch eine umfassende geologisch‑geotechnische und hydrogeologische Erkundung sowie die Wahl von den angetroffenen Verhältnissen angepassten, bautechnischen Maßnahmen (spätestens Planungsanpassung in der Umsetzungsphase) und mit einer den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechenden statischen Bemessung der Rohre hätte der Schaden verhindert werden können. Der Geschäftsführer der Klägerin wurde von der Planerin (Zweitnebenintervenientin des Vorverfahrens) darauf hingewiesen, dass dafür Vorerkundungen im Sinne eines geologischen Gutachtens und geotechnische Untersuchungen erforderlich seien und auch von der Wasserrechtsbehörde verlangt würden. Der Geschäftsführer der Klägerin wollte jedoch keine aufwendigen Untersuchungen vornehmen lassen; zum einen aus Kostengründen, zum anderen aus zeitlichen Gründen, weil dadurch jedenfalls eine Saison verloren gegangen wäre. Die besonderen Untergrundverhältnisse waren neben dem anderen wesentlichen Hauptgrund der zu geringen Rohrwandstärke auch schadenskausal. Die gewählte Vorgangsweise – keine geologischen Untersuchungen und Baugrunderkundungen in der Planungs‑ und Ausschreibungsphase durchzuführen, sondern nur eine baubegleitende Betreuung auszuschreiben – widersprach den Regeln der Technik, den einschlägigen ÖNORMEN und der Sorgfaltspflicht der Beteiligten.

Es wäre notwendig gewesen, die Fragen der Bettungs‑ und Einbaubedingungen und die Tragfähigkeitsanforderungen interdisziplinär (Planer, Rohrlieferant, Rohrstatik, Auftragnehmer, Bauherr, Geotechniker, örtliche Bauaufsicht) abzustimmen und festzulegen.

Zeitnah zum Schadensfall informierte die Klägerin die Beklagte über den Schaden an der Entnahmeleitung des Speicherteichs. In diesem Schreiben behauptete die Klägerin, die Beklagte habe den Schaden verursacht, weil Betonwiderlager nicht ausgeführt worden seien.

Die Beklagte bezeichnete mit Schreiben vom 29. November 2006 die Vorwürfe als nicht nachvollziehbar und haltlos.

In der Folge wurde zwischen den Parteien die Abgabe eines Verjährungsverzichts erörtert. Die Beklagte gab jedoch keinen Verjährungsverzicht ab.

Im Jänner/Februar 2008 lagen der Klägerin die von ihr beauftragten Privatgutachten (eines gerichtlich beeideten Sachverständigen für Bodenmechanik, Felsmechanik und Grundbau sowie eines Assistenzprofessors an einem Universitätsinstitut für Konstruktion und Materialwissenschaften) vor. Ergebnis dieser Gutachten war, dass die eingebauten, mit keinem Materialfehler behafteten Rohre zwar grundsätzlich als Druckrohrleitung für die Wasserversorgung geeignet waren, somit den üblichen Anforderungen an Wasserrohrleitungen entsprachen, nicht aber den Anforderungen im Hinblick auf die konkret vorliegenden Verhältnisse (setzungsaktiver Untergrund aufgrund von Eis und Permafrost; massiv durchströmter Untergrund mit Erosionsgefahr bezüglich Rohrbettung), die entsprechende Zusatzmaßnahmen erfordert hätten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil es den Verjährungseinwand der Beklagten für berechtigt erachtete. Die Klägerin habe ab Zugang der von ihr beauftragten Privatgutachten Kenntnis vom Kausalzusammenhang sowie jenen Umständen gehabt, die ein Verschulden der Beklagten begründen könnten.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil in ein Zwischenurteil ab, wonach das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe und ließ die Revision nicht zu.

Es vertrat zusammengefasst die Auffassung, zwischen den Streitteilen sei ein Werkvertrag geschlossen worden. Die Beklagte habe daher iSd § 1168a ABGB eine Warnpflicht getroffen. Die AGB der Beklagten seien dem Vertrag zugrunde gelegt worden. Allerdings sei die vereinbarte Haftungsreduktion iSd § 864a ABGB nicht Vertragsinhalt geworden. Unter der Überschrift „Gewährleistung/Haftung“ bräuchten Vertragspartner nicht zu vermuten, dass Schadenersatzansprüche weitestgehend ausgeschlossen würden. Jedenfalls aber sei die Klausel gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB. Das Klagebegehren sei nicht verjährt, weil aus den von der Klägerin beauftragten Gutachten, die sie im Jänner/Februar 2008 erhalten habe, nur hervorgehe, dass die eingebauten Gussrohre für die vorliegenden Verhältnisse ohne Zusatzmaßnahmen nicht geeignet gewesen seien.

Die Klägerin beantragt in ihrer außerordentlichen Revision die Wiederherstellung des Ersturteils; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision; hilfsweise, dieser nicht Folge zu geben.

In ihrer außerordentlichen Revision macht die Beklagte folgende als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete Rechtsfragen geltend:

‑ Falsche Qualifikation des Vertrags als Werkvertrag;

‑ krasse Fehlbeurteilung der Verjährungsfrage;

‑ gravierende Fehlbeurteilung durch Bejahung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 864a ABGB.

Im Übrigen macht die Revision in Bezug auf die Qualifikation des Vertragsverhältnisses als Werkvertrag einen Verstoß gegen das Verbot der Überraschungsentscheidung geltend, weil nicht nur die Beklagte, sondern auch die Klägerin während des erstinstanzlichen Verfahrens vom Abschluss eines Kaufvertrags ausgegangen seien. Bei gebotener teleologischer Reduktion der Haftungs-ausschlussklausel sei jedenfalls ein Ausschluss für leichte Fahrlässigkeit wirksam vereinbart worden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist schon deshalb zulässig, weil sich die Beurteilung des Berufungsgerichts zur Verjährung als korrekturbedürftig erweist.

1. Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt nach ständiger Rechtsprechung mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RIS‑Justiz RS0034524). Die Kenntnis muss dabei den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten, in Fällen der Verschuldenshaftung daher auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt (RIS‑Justiz RS0034951 [T1, T2, T4, T5, T7]; RS0034524 [T14, T29, T49, T50, T53]).

2. Der anspruchsbegründende Sachverhalt muss dem Geschädigten dabei zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch so weit bekannt sein, dass er in der Lage ist, das zur Begründung seines Anspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (vgl RIS‑Justiz RS0034366; RS0034524). Allerdings darf der Geschädigte mit seiner Schadenersatzklage nicht so lange zuwarten, bis er sich seines Prozesserfolgs gewiss ist oder glaubt es zu sein (RIS‑Justiz RS0034524 [T6, T7, T10]).

3. Ist der Geschädigte Laie und setzt die Kenntnis des Kausalzusammenhangs und – bei verschuldensabhängiger Haftung – die Kenntnis der Umstände, die das Verschulden begründen, Fachwissen voraus, so beginnt die Verjährungsfrist grundsätzlich erst zu laufen, wenn der Geschädigte durch ein Sachverständigengutachten Einblick in die Zusammenhänge erlangt hat (RIS‑Justiz RS0034524 [T16, T31, T35]; RS0034603 [T2, T23]).

4. Im Anlassfall hat die Klägerin zwei Privatgutachten eingeholt, aus denen sich ergibt, dass die von der Beklagten gelieferten Rohre im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse (setzungsaktiver Untergrund aufgrund von Eis und Permafrost; massiv durchströmter Untergrund mit Erosionsgefahr bezüglich der Rohrbettung) nicht geeignet waren und es entsprechender Zusatzmaßnahmen bedurft hätte. Geht man – wie die Klägerin – davon aus, dass die Beklagte die Pflicht traf, die Eignung der gelieferten Rohre für die konkreten Verhältnisse zu überprüfen, stand für die Klägerin mit Einlangen der von ihr beauftragten Gutachten im Jänner/Februar 2008 zweifelsfrei fest, dass die Beklagte dieser ihrer Verpflichtung nicht nachkam.

5. Die Beklagte bezog sich im Schriftsatz vom 24. Februar 2016 (S 9 ff in ON 12) auch ausdrücklich darauf, die von der Klägerin eingeholten Privatgutachten hätten ergeben, dass die von der Beklagten gelieferten Rohre für die vorliegenden Verhältnisse nicht geeignet waren. Damit hat sie ihrer Behauptungs‑ und Beweislast für die die Verjährung begründenden Umstände (RIS‑Justiz RS0034456 [T4]) – hier für den Zeitpunkt der Kenntnis der Klägerin vom anspruchsbegründenden Sachverhalt (RIS‑Justiz RS0034456 [T3]) – entsprochen. Für den Beginn der Verjährung ist nämlich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ausreichend, wenn dem Geschädigten die schädlichen Wirkungen eines Ereignisses bekannt sind, dessen Ursache oder Mitursache ein dem Schädiger anzulastendes Verhalten ist (RIS‑Justiz RS0034951 [T1, T36]; so bereits 7 Ob 627/77 mwN). Das war hier der Fall, war doch der Klägerin durch die eingeholten Gutachten jedenfalls bekannt, dass die von der Beklagten gelieferten Rohre für die konkreten Verhältnisse nicht geeignet waren. Es wäre daher an ihr gelegen, zur Widerlegung der Verjährungseinrede ein Vorbringen zu erstatten, warum ihr trotz des Ergebnisses der Privatgutachten eine Einbringung der Klage mit Aussicht auf Erfolg nicht möglich war (vgl RIS‑Justiz RS0034686 [T10]).

6. Bereits aus diesem Grund ist mit dem Erstgericht die Verjährung der geltend gemachten Schadenersatzforderung zu bejahen und daher das klageabweisende Ersturteil wiederherzustellen. Auf die Qualifikation des Vertragsverhältnisses ist daher ebensowenig einzugehen wie auf die Fragen, ob die Beklagte eine Sorgfaltswidrigkeit zu verantworten hat und ob die vereinbarte Haftungsreduktion Vertragsinhalt wurde. Aus diesem Grund ist auch nicht zu prüfen, ob die vereinbarte Haftungsreduktion allenfalls gegen § 879 Abs 3 ABGB verstößt.

7. Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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