European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E117926
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird eine neuerliche, nach Ergänzung des Berufungsverfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Erstklägerin ist Eigentümerin des Grundstücks 338/3 der EZ *, die Zweitklägerin Eigentümerin des Grundstücks 336/2 der EZ * und M* B*, die Schwiegermutter des Beklagten, Eigentümerin der Grundstücke 1287 sowie 335/2 der EZ *, alle Grundbuch *, Bezirksgericht *. Die Privatstraße Alter Hofweg in * verläuft unter anderem über die Grundstücke der Klägerinnen.
Mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 26. 8. 2010 zu AZ 7 Cg 200/09w wurde zwischen der Schwiegermutter einerseits und (unter anderem) den Klägerinnen andererseits festgestellt, dass der Schwiegermutter das Geh‑ und Fahrtrecht ausschließlich zu landwirtschaftlichen Zwecken zugunsten ihrer Grundstücke 1287 sowie 335/2 der EZ * als herrschendes Gut (unter anderem) über die klägerischen Grundstücke 338/3 der EZ * und 336/2 der EZ * als dienendes Gut zukommt, wobei die Dienstbarkeitstrasse auf der (unter Verweis auf einen Lageplan näher dargestellten) Trasse des ursprünglich vorhandenen öffentlichen Wegs Alter Hofweg verläuft; das Mehrbegehren, ein uneingeschränktes Geh‑ und Fahrtrecht der Schwiegermutter bzw eine Breite der Trasse mit 3 m festzustellen, wurde abgewiesen.
Die Klägerinnen begehrten ursprünglich, dem Beklagten die Nutzung des Alten Hofwegs auf den Grundstücken 338/3 der EZ * und 336/2 der EZ * in einem über das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 26. 8. 2010 festgestellten Umfang hinausgehenden Ausmaß zu verbieten. Der Beklagte nutze den Dienstbarkeitsweg einerseits nicht nur zu landwirtschaftlichen Zwecken und andererseits in einem breiteren Ausmaß als festgelegt.
Mit rechtskräftigem Teilurteil verbot das Berufungsgericht im ersten Rechtsgang dem Beklagten die Nutzung des Alten Hofwegs im von den Klägerinnen begehrten Sinn „zur Nutzung der Grundstücke 1287 und 335/2 der EZ *“ und hob im „darüber hinausgehenden klagsstattgebenden Umfang“ das Urteil des Erstgerichts auf. Es seien Feststellungen zum Vorbringen des Beklagten zu treffen, er sei berechtigt, den Alten Hofweg auch zu benutzen, um zu den Grundstücken 222, 285, 286/1, 287/2, 288/1, 288/2, 289, 290, 291, 303, 305, 306, 316, 337, 886 sowie 3055 und zu den Eheleuten G* zuzufahren. Bei den genannten Grundstücken handelt es sich um weitere Grundstücke der Schwiegermutter.
Im zweiten Rechtsgang begehrten die Klägerinnen, dem Beklagten die Nutzung des Alten Hofwegs im ursprünglich begehrten Sinn „mit Ausnahme der Zufahrt und des Zugangs zum Haus G*“ zu verbieten.
Nunmehr verbot das Erstgericht dem Beklagten die Nutzung des Alten Hofwegs „in einem über die landwirtschaftliche Nutzung hinausgehenden Ausmaß zur Zufahrt zu den [weiteren Grundstücken der Schwiegermutter] sowie die Zufahrt zur Liegenschaft der Familie G*, soweit [diese dem Beklagten] nicht seitens der Familie G* erlaubt wurde“. Das „darüber hinausgehende Klagebegehren“, dem Beklagten die Nutzung des Alten Hofwegs zur Zufahrt zu den weiteren Grundstücken der Schwiegermutter jedenfalls zu verbieten, wies das Erstgericht hingegen ab. Der Beklagte habe eine Hackschnitzelheizanlage errichtet, mit welcher im Wege einer Heutrocknungsanlage unter anderem sein Haus und das Haus seiner Mutter, in welchem auch Ferienwohnungen untergebracht sind, beheizt würden und für deren Errichtung auch Zulieferungen über den Alten Hofweg vorgenommen worden seien, wobei der Beklagte den Weg auch in einer größeren Breite in Anspruch genommen habe. Damit habe der Beklagte die seiner Schwiegermutter zustehende Dienstbarkeit in inhaltlicher (keine landwirtschaftlichen Zwecke) und räumlicher Hinsicht überschritten; dies habe er zu unterlassen. Hinsichtlich der weiteren Grundstücke der Schwiegermutter hätten der Beklagte aber bereits seit 1977 und davor bereits die Schwiegermutter selbst sowie deren Ehemann den Alten Hofweg zu deren Bewirtschaftung genutzt, welches ersessene Recht dem Beklagten auch weiterhin zustehe, nicht jedoch die Zufahrt zu diesen Grundstücken über den Alten Hofweg zu allen Zwecken. Ein eigenes Recht zur Zufahrt zur Familie G* über den Alten Hofweg habe der Beklagte nicht dargetan, ein solches könne er nur von der Familie G* ableiten, welche selbst über ein Fahrtrecht verfüge.
Das Berufungsgericht wies Klage- und Eventualbegehren ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteigt und dass die Revision zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob ungeachtet der festgestellten Benutzung des Alten Hofwegs durch den Beklagten, um zu den weiteren Grundstücken der Schwiegermutter zu gelangen, die Klägerinnen die Behauptungs‑ und Beweislast für eine Verletzungshandlung getroffen habe.
In der Sache selbst meinte das Berufungsgericht, die Klägerinnen hätten selbst vorgebracht, dass der Beklagte den Alten Hofweg nicht genutzt habe, um zu den weiteren Grundstücken der Schwiegermutter bzw zur Familie G* zu gelangen, weshalb es ihrem Unterlassungsbegehren an der materiell‑rechtlichen Voraussetzung einer neuerlichen oder erstmalig zu setzenden Verletzungshandlung mangle.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerinnen ist zulässig; sie ist auch berechtigt.
1. Voraussetzung für eine Unterlassungsklage sind die bereits einmal erfolgte widerrechtliche, wenn auch nicht schuldhafte Verletzung und eine Wiederholungsgefahr, der nur durch die Unterlassungsklage vorgebeugt werden kann (RIS‑Justiz RS0037530). Der Unterlassungsanspruch setzt die Feststellung schon erfolgter Störungen oder doch zumindest die Gefahr künftiger Störungen voraus, denen mit vorbeugender Unterlassungsklage begegnet werden kann (RIS‑Justiz RS0037530 [T2]).
Für den Wegfall der Wiederholungsgefahr ist der Beklagte beweispflichtig (RIS‑Justiz RS0012064 [T22]). Wer im Prozess zu erkennen gibt, dass es ihm nicht um die Vermeidung von Rechtsverletzungen zu tun ist, kann sich auf das Fehlen der Wiederholungsgefahr nicht berufen (RIS-Justiz RS0080007 [T1]).
Unterlassungsansprüche können ausnahmsweise auch vorbeugend erhoben werden, um unmittelbar bevorstehendes rechtswidriges Verhalten zu verhindern (RIS‑Justiz RS0009357 [T14]). Die bloße Drohung einer Rechtsverletzung wird zwar nur unter besonderen Umständen die vorbeugende Unterlassungsklage rechtfertigen, wenn nämlich ein dringendes Rechtsschutzbedürfnis des Bedrohten dies verlangt, weil das Abwarten einer Rechtsverletzung zu einer nicht wieder gutzumachenden Schädigung führen würde (RIS‑Justiz RS0009357). Das Bestreiten der Unterlassungspflicht ist aber ein Indiz für Wiederholungsgefahr (RIS‑Justiz RS0009357 [T4]). Der Kläger muss bei der „vorbeugenden Unterlassungsklage“ die tatsächlichen Umstände, die eine ernstlich drohende und unmittelbar bevorstehende Gefahr erstmaliger Begehung begründen, im Einzelnen darlegen und im Bestreitungsfall beweisen; die bloße theoretische Möglichkeit der Begehung genügt nicht, es müssen greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Verhalten der bezeichneten Art in naher Zukunft bevorsteht (RIS‑Justiz RS0009357 [T19]).
Eine Wiederholungsgefahr muss konkret und real sein; es muss ein gewisses Maß objektiver Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass die Beklagten in der Zukunft ihrer Unterlassungspflicht zuwiderhandeln werden (RIS‑Justiz RS0012064). Bei der Prüfung, ob eine Wiederholungsgefahr vorliegt, darf nicht engherzig vorgegangen werden; es genügt die ernste Besorgnis von (weiteren) Eingriffen in die vom Kläger behaupteten Rechte (RIS‑Justiz RS0012064 [T3]). Der Unterlassungsanspruch setzt entweder aktuelle Gefährdung oder, wenn ein Eingriff schon stattfand, Wiederholungsgefahr voraus (RIS‑Justiz RS0012064 [T17]). Unterlassungspflichten sind erst und nur dann klagbar, wenn und solange die Gefahr künftigen Zuwiderhandelns besteht (RIS‑Justiz RS0010467).
2. Auf die Frage, ob eine erstmalige Begehungsgefahr besteht, kommt es hier gar nicht an. Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen hat der Beklagte den Alten Hofweg tatsächlich und in einer Art und Weise genutzt, die dem im Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 26. 8. 2010 festgestellten Dienstbarkeitsrecht der herrschenden Grundstücke 1287 und 335/2 der EZ * widersprachen, womit die vom Berufungsgericht vermisste Wiederholungsgefahr gegeben ist. Der Beklagte hat die Hackschnitzelheizanlage auf dem erstgenannten Grundstück errichtet. Er ist hier grundsätzlich als Nutzer des herrschenden Grundstücks an den festgestellten Umfang der Dienstbarkeit gebunden. Damit war dem Klagebegehren stattzugeben, was grundsätzlich auch bereits mit dem Teilurteil im ersten Rechtsgang geschehen ist. Auch die Klägerinnen beziehen sich in der Revision auf die Benützung der „klägerischen Grundstücke zu landwirtschaftlichen Zwecken zugunsten der Grundstücke 1287 und 335/2“ durch den Beklagten.
3. Im Revisionsverfahren vertreten die Klägerinnen nunmehr die Auffassung, das vom Berufungsgericht abgewiesene (Eventual‑)Begehren sei von ihnen nie gestellt worden; es hätte deshalb auch nicht abgewiesen werden dürfen, vielmehr wäre dem (gemeint wohl: ursprünglichen) Klagebegehren vollinhaltlich stattzugeben gewesen.
Tatsächlich kam es durch das Teilurteil im ersten Verfahrensgang zu einer Aufsplittung des Klagebegehrens in die Nutzung des Alten Hofwegs zu landwirtschaftlichen Zwecken zugunsten der Grundstücke 1287 und 335/2 einerseits und in dessen Nutzung zur Zufahrt zu den weiteren Grundstücken der Schwiegermutter und der Familie G*.
Was nun die weiteren Grundstücke der Schwiegermutter betrifft, so könnte auch insoweit eine Verletzung der Dienstbarkeit gesehen werden, als der Beklagte den Alten Hofweg nach den Feststellungen des Erstgerichts (auch) dazu nutzte, um auf diese zuzufahren. Allerdings hat das Erstgericht eine Ersitzung durch den Beklagten insoweit angenommen, als der Beklagte zu deren landwirtschaftlicher Bewirtschaftung zufuhr, wogegen sich die Klägerinnen in ihrer Revision nicht wenden. Damit hat das Berufungsgericht dem Beklagten die Nutzung des Alten Hofwegs auf den Grundstücken 338/3 der EZ * und * der EZ *, jeweils Grundbuch *, Bezirksgericht *, zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung der Grundstücke 222, 285, 286/1, 287/2, 288/1, 288/2, 289, 290, 291, 303, 305, 306, 316, 337, 886 sowie 3055 jedenfalls zu Recht nicht verboten, wobei eine teilweise Bestätigung der Entscheidung des Berufungsgerichts durch den Obersten Gerichtshof mangels konkreter Feststellungen, zu welchen Einlagezahlen diese Grundstücke vorgetragen sind, derzeit allerdings nicht in Betracht kommt.
Da sich der Beklagte im Verfahren erster Instanz darauf berufen hat, zu diesen Grundstücken über den Alten Hofweg zu allen Zwecken zufahren zu dürfen, hat das Erstgericht auch insoweit ein Aufsplittung vorgenommen, als auf den landwirtschaftlichen Zweck der Zufahrt abgestellt wurde.
Die Sache ist jedoch insoweit noch nicht entscheidungsreif. Der Beklagte rügt in seiner Revisionsbeantwortung zutreffend, dass sich das Berufungsgericht aufgrund der von ihm eingenommenen Rechtsansicht nicht mit seiner Feststellungsrüge auseinandergesetzt habe. Tatsächlich bekämpfte der Beklagte eine Negativfeststellung des Erstgerichts zu weitergehenden Rechten des Beklagten selbst bzw seiner Schwiegermutter und begehrte ausdrücklich die Ersatzfeststellung, hinsichtlich der weiteren Grundstücke der Schwiegermutter hätten die Klägerinnen dieser auf Basis eines konkludenten Vertrags ein uneingeschränktes Geh‑ und Fahrtrecht eingeräumt. Sollte dies tatsächlich den Tatsachen entsprechen, müsste das Klagebegehren auch hinsichtlich einer Zufahrt zu den weiteren Grundstücken zur Gänze einer Abweisung unterzogen werden.
4. Damit war aber die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung nach Erledigung der Feststellungs‑ und Mängelrüge der Berufung des Beklagten aufzutragen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
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