OGH 2Ob217/16z

OGH2Ob217/16z28.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr.

 Veith und Dr.

 Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. M***** A*****, vertreten durch Dr. Paul Kreuzberger, Mag. Markus Stranimaier & Mag. Manuel Vogler Rechtsanwälte und Strafverteidiger OG in Bischofshofen, wider die beklagten Parteien 1. S***** R*****, und 2. A*****, beide vertreten durch Dr. Josef Dengg ua, Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, wegen 28.025,64 EUR sA und Feststellung (Revisionsinteresse 7.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. August 2016, GZ 6 R 128/16k‑71, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 27. April 2016, GZ 2 Cg 90/13d‑67, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00217.16Z.0328.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 688,92 EUR (darin enthalten 114,82 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

 

Begründung:

Die Klägerin und ihr damaliger Lebensgefährte wurden als Fußgänger am 7. 4. 2010 bei einem vom Erstbeklagten allein verschuldeten Verkehrsunfall verletzt. Ihre Körperverletzung hatte in komprimierter Form eine Woche mittelstarke Schmerzen und 16 Tage leichte Schmerzen zur Folge. Als Unfallfolge litt der Lebensgefährte an diversen gravierenden Beschwerden und starb unfallkausal 14 Monate nach dem Unfall. Die psychische Belastung der Klägerin durch den Krankheitsverlauf ihres Lebensgefährten sowie durch dessen Tod führte zu einem psychotraumatischen Leidenszustand (Depression) von Krankheitswert. In komprimierter Form erlitt die Klägerin dadurch leichte seelische Schmerzen von vier bis fünf Wochen. Der psychische Leidenszustand der Klägerin ist abgeschlossen.

Die Klägerin begehrt unter anderem unter Abzug des ihr im Strafverfahren zugesprochenen Teilschmerzengeldes von 500 EUR noch weitere 6.500 EUR Schmerzengeld für das durch den Unfall erlittene Ungemach (7.000 EUR seien angemessen) sowie 15.000 EUR Trauerschmerzengeld (gesamtes angemessenes Schmerzengeld somit 22.000 EUR) infolge des Todes ihres Lebensgefährten.

Das Berufungsgericht hielt (unter Einschluss des im Strafverfahren zugesprochenen Schmerzengeldes von 500 EUR) ein Schmerzengeld von insgesamt 15.000 EUR für angemessen. Von der Rechtsprechung sei für einen Schockschaden mit Krankheitswert aufgrund der Tötung eines Lebensgefährten ein Schmerzengeld von 11.000 EUR zuerkannt worden (2 Ob 212/04x = RIS-Justiz RS0031111 [T12]). Berücksichtige man als „erhöhend“ die von der Klägerin selbst erlittenen körperlichen und damit verbundenen seelischen Schmerzen und das für solche Beeinträchtigungen von der Rechtsprechung üblicherweise zugesprochene Schmerzengeld, erscheine ein Gesamtentschädigungsbetrag an Schmerzengeld von 15.000 EUR als angemessen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage, ob auch bei Zusammentreffen von Schmerzengeldansprüchen aufgrund eigener körperlicher Verletzung einerseits und Trauerschmerz mit Krankheitswert aufgrund des Ablebens eines nahen Angehörigen andererseits eine Globalbemessung vorzunehmen sei, keine oberstgerichtliche Judikatur vorgefunden habe werden können.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin, mit der sie den Zuspruch von weiteren 7.000 EUR an Schmerzengeld begehrt, ist mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionswerberin existiert zu der vom Berufungsgericht angesprochenen Frage gesicherte ständige oberstgerichtliche Rechtsprechung:

Bei der Bemessung des Schmerzengeldes ist der Gesamtkomplex der Schmerzempfindung unter Bedachtnahme auf die Dauer und Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzung und auf das Maß der psychischen und physischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustands zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0031040). Eine ziffernmäßig getrennte Bemessung nach seelischen und körperlichen Schmerzen ist unzulässig (Danzl in Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld10 [2013] 148 f mwN aus der Rechtsprechung). Für die körperlichen und seelischen Schmerzen ist kein gesondertes Schmerzengeld zuzusprechen (RIS-Justiz RS0031058). Das Schmerzengeld soll grundsätzlich eine einmalige Abfindung für Ungemach sein, das der Verletzte voraussichtlich zu erdulden hat. Es soll den gesamten Komplex der Schmerzempfindungen, auch so weit es für die Zukunft beurteilt werden kann, erfassen (RIS‑Justiz RS0031307). Hiebei müssen auch künftige, nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartende körperliche und seelische Schmerzen einbezogen werden (RIS-Justiz RS0031307 [T4]; 2 Ob 175/14w uva).

Ob dabei die seelischen Schmerzen von dem durch den Unfall verursachten Tod eines nahen Angehörigen oder von anderen Unfallursachen herrühren, macht keinen Unterschied. So wurde auch in dem mit dem vorliegenden Sachverhalt insoweit gleich gelagerten Fall 2 Ob 39/09p = ZVR 2010/119 (Huber) dem Kläger ein globales Schmerzengeld sowohl für die körperlichen als auch durch die ua durch den Tod des Bruders verursachten seelischen Schmerzen zugesprochen (Unfall 16. 9. 2003; insgesamt zehn Tage starke, 38 Tage mittelschwere und 156 Tage leichte Schmerzen: 37.000 EUR).

Von dieser Rechtsprechung abzugehen, besteht entgegen den Revisionsausführungen kein Anlass.

2. Die Revisionswerberin sieht eine erhebliche Rechtsfrage auch darin, dass das Berufungsgericht beim zugesprochenen Trauerschmerzengeldbetrag von der ständigen Rechtsprechung abweiche (gemeint offenbar: zu wenig zugesprochen habe).

Auch damit zeigt die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Geht das Berufungsgericht bei der Prüfung der Berechtigung des begehrten Schmerzengeldes von den nach dem Gesetz zu berücksichtigenden Umständen aus, so handelt es sich bei dessen Ausmessung selbst um einen Einzelfall, auf den die Kriterien des § 502 Abs 1 ZPO nicht zutreffen (RIS‑Justiz RS0042887). Bei der Bemessung des Schmerzengeldes ist einerseits auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, andererseits zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen. Es darf der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Bemessung im Einzelfall nicht gesprengt werden (RIS‑Justiz RS0031075). Lediglich im Fall einer eklatanten Fehlbemessung, die völlig aus dem Rahmen der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung fällt, wäre zur Vermeidung gravierender Ungleichbehandlungen durch die Rechtsprechung und damit letztlich aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit eine Revision ausnahmsweise zulässig (RIS‑Justiz RS0031075 [T7]).

Eine eklatante und damit korrekturbedürftige Fehlbemessung des für das Leiden und den Tod des Lebensgefährten vom Berufungsgericht ausgemessenen Schmerzengeldes liegt (auch angesichts der festgestellten Schmerzperioden) nicht vor (vgl nochmals 2 Ob 39/09p bei dort wesentlich schwereren und längeren Schmerzperioden). Davon abgesehen geht die Revision nicht von den festgestellten Schmerzperioden aus.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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