European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0170OS00019.16X.0306.000
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
In dem eingangs erwähnten Ermittlungsverfahren bestellte die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) Mag. Heimo Pr***** zum Sachverständigen aus dem Fachgebiet des Speditionswesens (ON 238).
Daraufhin beantragte – soweit hier von Bedeutung – Kamil B*****, „den Sachverständigen Mag. Heimo Pr*****“ (wegen Zweifel an seiner Sachkunde) „iSd § 126 Abs 5 StPO zu entheben“, und weiters die Bestellung eines Sachverständigen im Rahmen gerichtlicher Beweisaufnahme, wobei er hiefür Dkfm. Harald Bo***** als nach den Kriterien der Sachkunde besser qualifiziert vorschlug (§ 126 Abs 5 erster Satz StPO).
Die Einzelrichterin (§ 31 Abs 1 StPO) des Landesgerichts Korneuburg bestellte mit Beschluss vom 10. November 2015, GZ 404 HR 256/14z‑345, Mag. Heimo Pr***** zum Sachverständigen. Begründend führte sie zusammengefasst aus, auf Grund des Akteninhalts und eigener Ermittlungen (Vernehmung des als Sachverständigen in Aussicht Genommenen und Einsichtnahme in von diesem vorgelegte Unterlagen) bestünden keine begründeten Zweifel an seiner Sachkunde.
Der dagegen (unter anderem) von Kamil B***** mit dem Ziel einer Bestellung von Dkfm. Harald Bo***** als Sachverständigen ergriffenen Beschwerde (ON 383) gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 4. März 2016, AZ 20 Bs 26/16v (ON 479), nicht Folge. Auch dieses hatte keine Zweifel an der Sachkunde von Mag. Heimo Pr***** und führte ergänzend aus, dem Gericht komme bei der Auswahl des Sachverständigen ein nur durch die Kriterien Befangenheit und fehlende Sachkunde begrenztes Ermessen zu. Dieses werde durch einen auf § 126 Abs 5 erster Satz StPO gestützten Vorschlag des Beschuldigten nicht im Sinn einer Pflicht, vor der Bestellung „Qualitätsvergleiche von Sachverständigen“ durchzuführen, beschränkt.
Mit dem dagegen gerichteten Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a Abs 1 StPO macht der Beschuldigte Kamil B***** eine mehrfache Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren nach Art 6 Abs 1 MRK geltend. Dazu bringt er vor, das Erstgericht habe – vom Beschwerdegericht unbeanstandet – das Recht auf rechtliches Gehör verletzt, weil es „den Sachverständigen unter Ausschluss des Antragstellers einvernommen und ihm auch nicht die Gelegenheit gegeben“ habe, „vor seiner Entscheidung zu den Ergebnissen seiner Ermittlungen die Sachkunde des Sachverständigen betreffend Stellung zu nehmen“. Weiters hätten Erst‑ und Beschwerdegericht die Pflicht zur Begründung von Entscheidungen verletzt, weil sie nicht dargelegt hätten, weshalb die vom Erneuerungswerber vorgeschlagene Person nicht besser qualifiziert sei als der vom Gericht bestellte Sachverständige.
Rechtliche Beurteilung
Beim – nicht auf ein Erkenntnis des EGMR gestützten – Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf, dessen Zulässigkeit von der vorherigen Erschöpfung des Instanzenzugs abhängt (RIS‑Justiz RS0122737). Daraus folgt die Unzulässigkeit eines Antrags, der sich (bloß) auf die Verweigerung von Beschuldigtenrechten im Ermittlungsverfahren stützt, die im Hauptverfahren (noch) wirksam (vgl Art 13 MRK) durchgesetzt werden können (RIS‑Justiz RS0126370; vgl Ratz , Überprüfung von Entscheidungen durch den OGH in Strafsachen, ÖJZ 2010, 983 [984]).
Nach Ablauf der in § 126 Abs 5 erster Satz StPO genannten Frist von 14 Tagen (die im Übrigen für die Geltendmachung von Befangenheit ohne Bedeutung ist) auftretende Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen sind – teleologisch betrachtet – durch § 127 Abs 3 StPO abschließend erfasst, können also mit der Behauptung dort genannter Mängel von Befund und Gutachten releviert werden (vgl RIS‑Justiz RS0126626). Ein darauf gestütztes (und durch die Möglichkeit der Unterstützung durch eine Person mit besonderem Fachwissen [§ 249 Abs 3 StPO] flankiertes) Recht auf Überprüfung und (subsidiär) Beiziehung eines weiteren Sachverständigen ist durch Urteilsanfechtung aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO abgesichert und entspricht grundrechtlichen Anforderungen an ein faires Verfahren ( Ratz , Was gilt mit Inkrafttreten des StRÄG 2015 für Sachverständige im Strafprozess?, ÖJZ 2015, 835 [836 f]; ders , WK‑StPO § 281 Rz 351).
Dass durch Verkürzung der in § 126 Abs 5 StPO anlässlich der Bestellung des Sachverständigen vorgesehenen Beschuldigtenrechte das reklamierte Grundrechtsziel (eines – zur Entscheidung über eine strafrechtliche Anklage führenden – fairen Verfahrens) endgültig vereitelt worden wäre, der Antragsteller mithin – ungeachtet seiner dargestellten Möglichkeiten im weiteren Verfahren – Opfer im Sinn des Art 34 MRK sei, legt der Antrag nicht substantiiert und schlüssig dar (RIS‑Justiz RS0122737 [T17]):
Die Änderung der Vorschriften über die Sachverständigenbestellung durch das StPRÄG 2014 erfolgte mit der Intention, grundrechtliche Bedenken gegen das davor bestehende System auszuräumen (EBRV 181 BlgNR 25. GP 8 ff; AB 203 BlgNR 25. GP 3). Den Vorgaben von Art 6 Abs 1 und 3 lit d MRK Rechnung tragend wurde dem Beschuldigten das Recht eingeräumt, bereits im Ermittlungsverfahren (ohne Begründung) die Bestellung des Sachverständigen im Rahmen gerichtlicher Beweisaufnahme zu verlangen, wodurch Einwänden systembedingter Parteilichkeit des Experten von vornherein die Grundlage entzogen ist. Angesichts dessen ist es aus Gründen der Verfahrensfairness nicht geboten, dem Beschuldigten (Angeklagten) ein darüber hinausgehendes Recht auf Beiziehung eines Sachverständigen seines Vertrauens (vgl 17 Os 25/14a, EvBl 2014/136, 928; VfSlg 19.959) oder – wie der Antragsteller vermeint – ein subjektives Recht (vgl § 106 Abs 1 StPO) auf Bestellung einer von ihm vorgeschlagenen, besser qualifizierten Person einzuräumen. Ein derartiger – schon vom Wortlaut nicht indizierter – Regelungsinhalt ist § 126 Abs 5 erster Satz StPO auch bei am genannten Grundrechtsziel orientierter Auslegung nicht zu unterstellen (zum Ganzen Riffel , Die Sachverständigen-Vorschlagsmöglichkeit des Beschuldigten nach § 126 Abs 5 StPO idF StPRÄG 2014, RZ 2016, 26 [28 f]; vgl auch die kritische Stellungnahme des OGH zum – ein solches Recht noch vorsehenden – Ministerialentwurf zum StPRÄG 2014 18/SN‑38/ME 25. GP 1 f).
Demgemäß hat der Beschuldigte (wie mit Blick auf das Antragsvorbringen angemerkt wird) – mangels einer aus dieser Bestimmung ableitbaren Einschränkung des gerichtlichen Auswahlermessens bei der Bestellung des Sachverständigen – auch kein subjektives Recht auf Entscheidung über seinen Vorschlag einer besser qualifizierten Person und keinen grundrechtlich abgesicherten (Art 6 Abs 1 MRK) Anspruch auf Begründung, weshalb eine solche Person nicht zum Sachverständigen bestellt wurde (aA Nemec/Wess , Die neue Vorschlagsmöglichkeit eines Sachverständigen durch den Beschuldigten gemäß § 126 Abs 5 idgF, ZWF 2016, 94 [95 f], die ihren Standpunkt jedoch auf die Erläuternden Bemerkungen zur – in diesem Punkt im Justizausschuss – maßgeblich geänderten Regierungsvorlage stützen).
Der Antrag war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 2 StPO).
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