OGH 8Ob6/17s

OGH8Ob6/17s22.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** O*****, vertreten durch Marschitz Petzer Bodner Telser, Rechtsanwälte in Kufstein, gegen die beklagte Partei P***** GmbH & Co KG Zweigniederlassung P*****, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 23.500 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 10. Oktober 2016, GZ 4 R 136/16f‑14, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 21. Juni 2016, GZ 10 Cg 16/16p‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00006.17S.0222.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.568,52 EUR (darin enthalten 261,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Beklagte ist Vertragshändlerin für Fahrzeuge der Marke VW. Mit Kaufvertrag vom 25. 10. 2013 erwarb die Klägerin von der Beklagten einen Neuwagen der Marke VW Tiguan 4 Sports TDI BMT zum Kaufpreis von 22.491,28 EUR. Gleichzeitig tauschte die Klägerin ihr altes Fahrzeug bei der Beklagten ein, wofür sie einen Betrag von 4.000 EUR angerechnet erhielt.

Bei der Auswahl des Fahrzeugs ging es der Klägerin darum, dass dieses wirtschaftlich und umweltfreundlich ist. Anlässlich des Verkaufsgesprächs bezifferte der Mitarbeiter der Beklagten den Kraftstoffverbrauch mit 5,3 l pro 100 km im standardisierten EU‑Testverfahren. Beim Verkaufsgespräch erstellte der Mitarbeiter der Beklagten auch eine Preiskalkulation, die er mit der Klägerin besprach. Zudem wurde der Klägerin der Verkaufsprospekt ausgehändigt. In beiden Unterlagen war ein kombinierter Kraftstoffverbrauch von 5,3 l pro 100 km sowie ein CO2‑Ausstoß von 139 g pro km angeführt. Der Verbrauchswert wurde in der Preiskalkulation als Durchschnittsverbrauch ausgewiesen. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zum Neuwagenkaufvertrag wird darauf hingewiesen, dass sich die Verbrauchs- und CO2‑Angaben in Prospekten und in der Werbung auf die nach den vorgeschriebenen Messverfahren laut Verordnung 715/2007/EG ermittelten Werte beziehen.

Das Fahrzeug der Klägerin wurde am 6. 11. 2013 zum Verkehr zugelassen. Am 8. 4. 2013 erhielt dieses Fahrzeug eine EG‑Betriebserlaubnis; im Zulassungsschein finden sich unter dem Punkt „Abgasklasse/-verhalten“ in der Zeile V1 „CO 0,2674“ und in der Zeile V3 „NOx 0,1347“. Die Typengenehmigung für dieses Fahrzeug ist nach wie vor aufrecht.

Mit Schreiben vom 8. 10. 2015 teilte die P***** A***** GmbH & Co KG der Klägerin mit, dass im Zusammenhang mit den Diskussionen über Dieselmotoren bei ihrem Fahrzeug Nacharbeiten erforderlich seien.

Mit Schreiben vom 9. 11. 2015 begehrte die Klägerin von der Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrags. Aufgrund eigener Messungen errechnete sie den tatsächlichen Treibstoffverbrauch im Realbetrieb mit ca 7 l pro 100 km.

Die Klägerin begehrte 23.500 EUR sA Zug um Zug gegen Rückgabe des in Rede stehenden Fahrzeugs. Mit Schreiben der P***** A***** GmbH & Co KG sei ihr mitgeteilt worden, dass das Fahrzeug von den Manipulationen am Dieselmotor betroffen sei. Das Fahrzeug erfülle nicht jene Kaufeigenschaften, die vereinbart worden und die für die Kaufentscheidung wesentlich gewesen seien. Sie hätte das Fahrzeug nicht erworben, wenn sie gewusst hätte, dass der Motor nicht besonders umweltfreundlich sei und keinen geringen Spritverbrauch aufweise. Nach mehrmaliger Erörterung dieses Vorbringens brachte sie im Laufe des Verfahrens schließlich vor, dass sowohl eine CO2‑Emission von 139 g pro km als auch ein standardisierter Durchschnittsverbrauch von 5,3 l pro km Teil der Kaufabrede geworden sei. Das tatsächlich gekaufte Fahrzeug entspreche nicht den vereinbarten Werten. Dieses habe einerseits einen höheren Durchschnittsverbrauch (standardisiert im Testverfahren) sowie auch einen höheren CO2-Ausstoß. Insgesamt entspreche das Fahrzeug nicht der Vereinbarung laut Kaufvertrag.

Die Beklagte entgegnete, dass sie nicht Herstellerin des Fahrzeugs sei. Über die Themen Schadstoffausstoß oder Emissionsklasse und insbesondere über die NOx‑Werte sei nicht gesprochen worden. Der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, die Emissionsgrenzwerte unter Laborbedingungen festzulegen. Die umstrittene Software diene nur zur Optimierung der NOx‑Emissionen auf dem Prüfstand. Die relevanten Fahrzeugeigenschaften für die Typengenehmigung würden dadurch nicht verändert. Dies gelte insbesondere für den Kraftstoffverbrauch. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit das Fahrzeug nicht dem entspreche, was vertragsmäßig versprochen worden sei. Sie habe keine Kenntnis davon gehabt, dass bei Fahrzeugen mit der Motortype EA 189 eine Software zur Verwendung komme, die am Prüfstand in das Abgasverhalten eingreife. Die Klägerin habe maximal einen Anspruch auf Vertragsanpassung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Über die NOx- und CO2‑Werte sei beim Verkaufsgespräch nicht explizit gesprochen worden. Aus diesem Grund habe die Klägerin auch nicht in Irrtum geführt werden können. Hinsichtlich des angeblich zu hohen Kraftstoffverbrauchs sei die Klägerin auf Punkt 8 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu verweisen. Ein allfälliger Irrtum sei dadurch aufgehoben worden. Das EU‑Messverfahren entspreche nicht dem realen Fahrverhalten. Der von der Klägerin angegebene Mehrverbrauch sei durchaus mit dem Realbetrieb erklärbar. Es sei daher von einer unmaßgeblichen, keine Irrtumsanfechtung rechtfertigenden Abweichung auszugehen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Klägerin habe weder behauptet noch bewiesen, dass die Beklagte Kenntnis vom Vorhandensein der inkriminierten Software gehabt habe. Allfällige Manipulationen im Bereich des Herstellers seien der Beklagten nicht zurechenbar. Die Kontrollpflichten des Händlers beschränkten sich auf das verkehrsübliche Maß. Der Willensmangel sei daher nicht von einem Gehilfen der Beklagten veranlasst worden. Die Beklagte sei nicht aufklärungspflichtig gewesen, weil sie von allfälligen Softwaremanipulationen betreffend die NOx‑Werte keine Kenntnis gehabt habe. Auch von einem gemeinsamen Irrtum sei nicht auszugehen, weil über die NOx‑Werte im Zuge des Verkaufsgesprächs nicht gesprochen worden sei. Es bestehe kein Zweifel daran, dass der NOx‑Wert zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für den Durchschnittsverbraucher nichtssagend gewesen sei und die Kaufentscheidung offensichtlich nicht beeinflusst habe. Der Klägerin sei auch bekannt gewesen, dass der Kraftstoffverbrauch laut labormäßigen Testbedingungen vom tatsächlichen Kraftstoffverbrauch abweiche. Ein Mehrverbrauch von 1,7 l pro 100 km könne auch nicht als wesentlicher Irrtum angesehen werden.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Frage der Anfechtbarkeit eines Vertrags wegen eines gemeinsamen Irrtums und dessen Wesentlichkeit bei Verwendung einer Schadstoffsoftware bei einem Fahrzeugmotor für eine Vielzahl von gleichgelagerten Rechtssachen von Bedeutung sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulässigkeitsausspruch ist die Revision mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1.  In der Revision führt die Klägerin aus, dass im Zusammenhang mit der Nichtaufnahme des von ihr angebotenen Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich der Kfz‑Technik ein Mangel sowohl des erstinstanzlichen als auch des zweitinstanzlichen Verfahrens vorliege. Sie habe zu allen Anfechtungsvoraussetzungen das erforderliche Tatsachensubstrat vorgetragen, weshalb kein Erkundungsbeweis vorliege. Der Irrtumsanfechtung hätte stattgegeben werden müssen.

2.1  Das Berufungsgericht beurteilte den von der Klägerin mit der Berufung geltend gemachten Verfahrensmangel als nicht gegeben. In der Klage habe die Klägerin zu dem von ihr angebotenen kfz-technischen Sachbefund kein konkretes Beweisthema genannt. Erst in der letzten Verhandlung habe sie das Beweisanbot auf das Nichterreichen des Spritverbrauchs des gekauften Fahrzeugs im standardisierten Testverfahren im Vergleich zu jenen Werten, die Teil der Kaufabrede geworden seien, bezogen. Dieses Vorbringen sei nicht verständlich, logisch und nachvollziehbar. Soweit die Klägerin mit Hilfe des angebotenen kfz-technischen Sachverständigengutachtens den Nachweis eines höheren durchschnittlichen Spritverbrauchs (als 7 l/100 km laut ihrer Aussage) nachweisen wolle, liege– entsprechend der Beurteilung des Erstgerichts – ein unzulässiger Erkundungsbeweis vor.

2.2  Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmangel auf den Treibstoffverbrauch bezogen. Die Auslegung der Behauptungen und Schlussfolgerungen einer Partei im Prozess betrifft den Einzelfall und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage. Ein korrekturbedürftiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

Die Klägerin hat zum von ihr geltend gemachten Irrtum zunächst überhaupt nur vorgebracht, sie habe ein sparsames und umweltfreundliches Fahrzeug erwerben wollen und sei durch die Manipulationen in Irrtum geführt worden. Dieses Vorbringen wurde von den Vorinstanzen zu Recht als unzureichend erachtet, weil die Manipulation bestimmter Werte im Testbetrieb keineswegs zwingend bedeutet, dass das gekaufte Fahrzeug deshalb nicht sparsam und umweltfreundlich ist. Nähere Behauptungen zu ihren Erwartungen und dazu, welche Abweichung von diesen Erwartungen ihre Kaufentscheidung beeinflusst hätten, sind in der Klage nicht zu finden.

Auch die Beurteilung ihres späteren Vorbringens zum Treibstoffverbrauch durch das Berufungsgericht ist nicht zu beanstanden:

Die Klägerin bezeichnet den vereinbarten Treibstoffverbrauch von 5,3 l/100 km – entsprechend der Angabe in der Preiskalkulation – selbst als Durchschnittswert im standardisierten Testverfahren. Ein solcher Wert kann nicht mit einer zugesagten Eigenschaft für den Realbetrieb gleichgesetzt werden. Vielmehr hängt der konkrete Verbrauch neben der Dauer des Beobachtungszeitraums vor allem vom Fahrverhalten und von den Fahrstrecken ab, worauf in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten auch hingewiesen wird.

Die Klägerin ist unter anderem für die Wesentlichkeit des behaupteten Irrtums aufgrund des geltend gemachten Fahrzeugmangels behauptungs- und beweispflichtig. Im gegebenen Zusammenhang hätte sie daher darlegen müssen, welche Konsequenzen sie aus der behaupteten Überschreitung des angegebenen Verbrauchswerts im standardisierten Testverfahren ableitet. Konkret hätte sie dazu etwa vorbringen müssen, welche Erwartungen sie in Bezug auf den Verbrauch im Realbetrieb hatte sowie ab welchem Schwellenwert sie das Fahrzeug nicht mehr als sparsam betrachtet und welche Überschreitung sie aus diesem Grund nicht mehr akzeptiert und das Fahrzeug daher nicht gekauft hätte.

In dieser Situation liegt der Qualifikation des Berufungsgerichts, beim angebotenen Sachverständigen‑ gutachten handle es sich für die Klägerin um einen Erkundungsbeweis, kein Rechtsirrtum zugrunde. Der vom Berufungsgericht verneinte Vorwurf der unrichtigen Annahme eines Erkundungsbeweises durch das Erstgericht ist in einem solchen Fall – als verneinter Verfahrensmangel – nicht revisibel (RIS-Justiz RS0042963; 1 Ob 183/14i).

3.1  In ihrem Vorbringen hat sich die Klägerin auch auf die zugesagte Einhaltung eines CO2-Werts von 139 g/km bezogen. Da die dargestellte Beurteilung des Berufungsgerichts nicht auch diesen Wert betrifft, stellt sich die Frage nach dem Vorliegen eines sekundären Feststellungsmangels.

Die Klägerin bezieht auch diesen Abgaswert auf das standardisierte Testverfahren nach der Verordnung 715/2007/EG . Dies ist insofern nicht richtig, als es sich beim CO2-Wert nicht um einen (im Anlassfall relevanten) Euro-5-Emissionsgrenzwert, sondern um die zulässigen spezifischen CO2-Emissionen handelt, die in Relation zur Fahrzeugmasse stehen und bei einem Gewicht von 1.372 kg in Bezug auf die Motorentechnik 130 g/km als Zielwert betragen.

3.2  Sekundäre Feststellungsmängel kommen nur im Rahmen des Tatsachenvorbringens der jeweiligen Partei in Betracht. Ein sekundärer Feststellungsmangel ist daher nur dann denkbar, wenn die verfahrensrelevante Feststellung von einem ausreichend konkreten Tatsachenvorbringen der Partei erfasst ist (8 ObA 68/14d; 8 ObA 17/16g).

3.3  Wie ausgeführt, hat die Klägerin zwar vorgebracht, dass für sie die Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugs wichtig war und sie dieses nicht gekauft hätte, wenn sie gewusst hätte, dass der Motor nicht besonders umweltfreundlich sei. Später hat sie vorgetragen, dass die Einhaltung einer CO2-Emission von 139 g/km vereinbart worden sei und das Fahrzeug diesen Wert nicht erreiche.

Zur Darlegung der Wesentlichkeit des geltend gemachten Irrtums wäre aber wieder ein Vorbringen zu den Konsequenzen erforderlich gewesen, die die Klägerin aus dem behaupteten Nichterreichen des erwähnten Zielwerts – bei regelkonformer Überprüfung ohne Verwendung der Optimierungssoftware – zieht. In dieser Hinsicht hätte sie zumindest vorbringen müssen, dass dieser Umstand zu einer negativen Kaufentscheidung geführt hätte. Da es nicht zwingend erscheint, dass auch nur geringfügige Überschreitungen zu einer ins Gewicht fallenden Mehrbelastung der Umwelt führen, kann das ohne nähere Konkretisierungen behauptete Nichterreichen des Zielwerts nicht mit einem Verlust der von der Klägerin als wesentlich bezeichneten Umweltfreundlichkeit gleichgesetzt werden. Die Klägerin hat etwa nicht vorgetragen, von welcher Überschreitung des Zielwerts sie aufgrund welcher Umstände ausgegangen ist, ob sie eine Überschreitung in welchem Ausmaß toleriert hätte und bei welchem Wert ihre subjektive Erheblichkeitsschwelle, deren Überschreitung zu einer negativen Kaufentscheidung geführt hätte, gelegen war.

3.4  Es ergibt sich somit, dass in Bezug auf die CO2‑Emissionen mangels ausreichenden Tatsachen‑ vorbringens nicht von einem Feststellungsmangel auszugehen ist.

4.  Insgesamt gelingt es der Klägerin nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war – ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs – daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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