OGH 26Os6/16a

OGH26Os6/16a17.2.2017

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 17. Februar 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Danzl als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Angermaier und Dr. Kretschmer als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jorda als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 8. Oktober 2015, AZ D 134/13, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mmag. Sautner, des Kammeranwalts Dr. Wagner und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0260OS00006.16A.0217.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis aufgehoben, eine neue Verhandlung angeordnet und die Sache an den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien verwiesen.

Mit seiner Beschwerde wird der Beschuldigte auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** (ersichtlich:) mehrerer Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (zu ergänzen:) nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.

Demnach hat er „durch Äußerungen in Schriftsätzen vom 25. 9. 2012 (Einspruch, Antrag gemäß § 7 Abs 3 EO, Aufschiebungsantrag) und im Rekurs vom 26. 3. 2013 dadurch, dass er den Richtern der OLG Graz‑Beschlüsse je vom 27. 3. 2012 zu 7 R 11/12k und 7 R 10/12p sowie je 21. 6. 2012 zu 7 R 12/11f und 7 R 13/11b je Amtsmissbrauch durch Erlassung dieser Beschlüsse vorwarf, sowie dass dies demjenigen, der aufgrund der Beschlüsse Exekution führe, bekannt sein müsse, und dass er weiters im Aufschiebungsantrag vom 25. 9. 2012 vorwarf, dass die mit der Einleitung des Exekutionsverfahrens bezweckte Vermögensverschiebung strafgesetzwidrig wäre, sowie indem er dem Betreibendenvertreter und seiner Mandantschaft Geldwäscherei vorgeworfen habe, die Grenzen des § 9 Abs 1 RAO überschritten“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten, mit der er „insbesondere“ die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 1, 9 lit a und b StPO geltend macht.

Mit Beschwerde bekämpft der Beschuldigte den Beschluss des Disziplinarrats auf Zurückweisung des in der mündlichen Verhandlung am 8. Oktober 2015 gestellten Antrags auf Ablehnung des Vorsitzenden ***** und des weiteren Senatsmitglieds ***** wegen Befangenheit.

 

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

Der Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO) kommt Berechtigung zu.

Zutreffend bringt der Beschuldigte vor, dass zwei an der angefochtenen Entscheidung beteiligte Mitglieder des Disziplinarrats, nämlich ***** und *****, dem äußeren Anschein nach über die den Prozessgegenstand des Disziplinarverfahrens bildenden Vorwürfe hinaus von der Verdachtslage ausgegangen sind, er habe dem Gegenanwalt „Beteiligung am Amtsmissbrauch“ vorgeworfen. In der Verhandlung vor dem Disziplinarrat hat der Beschuldigte nämlich Ausgeschlossenheit der Genannten mit dem Vorbringen geltend gemacht, sie hätten seine Frage unbeantwortet gelassen, weshalb sie in dem auch von ihnen „mitverantworteten“ Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien (§ 29 DSt) vom 18. September 2013, AZ D 134/13, auf S 8 der Ausfertigung zu seinem Nachteil die Behauptung aufgestellt hätten, dass er „noch dazu“ dem Gegenanwalt „Beteiligung am Amtsmissbrauch“ vorgeworfen hätte.

Die damit zutage getretene Möglichkeit der Hemmung einer unparteiischen Entscheidungsfindung durch unsachliche Motive bewirkte Befangenheit der genannten Senatsmitglieder iSv § 43 Abs 1 Z 3 StPO (§ 77 Abs 3 DSt) und damit Ausgeschlossenheit (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO). Zu betonen ist dabei, dass die Bestimmungen über die Ausschließung und die Befangenheit nicht auf die tatsächliche (oder vermeintliche) Unfähigkeit zu unvoreingenommener sowie unparteilicher Dienstverrichtung, sondern auf äußere Umstände abstellen, die geeignet sind, Zweifel an der Objektivität des Betroffenen zu wecken (Lässig, WK-StPO Vor §§ 43–47 Rz 1, 5, § 43 Rz 9, 10, 13 mwN).

Die Ausgeschlossenheit wurde vom Beschuldigten in der Verhandlung sogleich gerügt.

In Stattgebung der Berufung des Beschuldigten war daher das angefochtene Erkenntnis aufzuheben, eine neue Verhandlung anzuordnen und die Sache an den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien zu verweisen.

Mit seiner Beschwerde war der Beschuldigte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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