OGH 11Os4/17y

OGH11Os4/17y14.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Februar 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Oeljeschläger als Schriftführerin in der Strafsache gegen W***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 20. Oktober 2016, GZ 17 Hv 110/16a‑32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00004.17Y.0214.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde W***** mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er von Anfang Juni bis zum 20. Juli 2016 in W***** mit der am 19. Jänner 2007 geborenen, somit unmündigen L***** in mehreren Angriffen den Beischlaf und diesem gleichzusetzende Handlungen unternommen, indem er teils mit seinem Penis, teils mit einem Finger in ihre Scheide eindrang.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Das Schöffengericht hat unmissverständlich festgestellt, dass der Angeklagte „im Wissen um das unmündige Alter“ des Opfers „bewusst und gewollt“ mit einem Finger und mit seinem Penis in die Vagina der L***** eindrang (US 2 f).

Der – zudem prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0117995 [T1, T3], RS0119370) bloß auf eine einzelne Textpassage, wonach der Angeklagte sich entschlossen habe, L***** zu „missbrauchen“ (US 2), gestützte – Einwand von Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der Feststellungen zum Tatvorsatz versagt daher.

Als Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) macht der Beschwerdeführer geltend, das Erstgericht habe ein Detail der Zeugenaussage L***** übergangen, welche die Frage, ob „das Lumpi“ des Angeklagten (anlässlich der vom Schuldspruch erfassten Taten) „runtergehängt“ oder „eher weiter oben“ gewesen sei, mit „unten“ beantwortete (ON 21 S 31 verso). Die Deutung dieses Aussageinhalts, sein Penis sei nicht erigiert gewesen, stehe der Urteilsannahme dessen Eindringens in die Scheide des Opfers (US 3) entgegen.

Schon angesichts der (unbekämpften) Feststellung (auch) digitaler Vaginalpenetrationen (US 2 f) im Zuge der (im Ersturteil pauschal individualisierten [US 1, 2 f, 6, 7]; vgl RIS‑Justiz RS0116736) jeweiligen tatbestandlichen Handlungseinheiten wird damit – infolge rechtlicher Gleichwertigkeit der Begehungsformen des § 206 Abs 1 StGB ( Hinterhofer SbgK § 206 Rz 10) – keine entscheidende Tatsache angesprochen. Hinzu kommt, dass die Tathandlung des ersten Falls dieser Bestimmung nicht im Vollzug, sondern im Unternehmen des Beischlafs besteht (dazu im Einzelnen RIS‑Justiz RS0095114; Philipp in WK 2 StGB § 206 Rz 10). Auch insoweit ist eine Erektion des Gliedes des Täters daher weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage – und im Übrigen auch nicht für die die Strafbemessung betreffende Abgrenzung von Versuch und Vollendung (RIS‑Justiz RS0122138) – bedeutsam (vgl RIS‑Justiz RS0090720 [insbesondere T3]).

Abgesehen davon unterlässt der Rechtsmitteleinwand die unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 5 StPO gebotene Gesamtbetrachtung des relevierten Verfahrensergebnisses (RIS‑Justiz RS0116504). Hat doch die Zeugin auch wiederholt deponiert, der Angeklagte habe mehrmals seinen „Lumpi“ in ihre „Fifi“ gesteckt (ON 21 S 3 verso, 11 f, 15), sodass der angesprochene Aussageinhalt – da der Penis des Angeklagten an einem Punkt des Tatgeschehens nicht, an einem anderen jedoch gar wohl erigiert gewesen sein kann – in keinem Fall erörterungsbedürftig war.

Das Vorbringen des Angeklagten zur Tatsachenrüge (Z 5a) richtet sich – der Sache nach – allein gegen die tatrichterliche Beurteilung seiner (leugnenden) Verantwortung als unglaubwürdig (US 4 f), somit bloß gegen Beweiswerterwägungen des Schöffengerichts. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen vermag er damit von vornherein nicht hervorzurufen (RIS‑Justiz RS0099649 [insbesondere T11, T14]).

Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite vermissende Rechtsrüge (Z 9 lit a) setzt sich über die (oben referierten) Konstatierungen des Erstgerichts hinweg und verfehlt solcherart den – im Urteilssachverhalt gelegenen – Bezugspunkt materieller Nichtigkeit ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 584).

Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) verstößt die aggravierende Wertung des „erheblichen Unterschreitens der Mündigkeitsgrenze des Opfers“ vorliegend nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB), weil insoweit bereits die Unmündigkeit, also die Nichtvollendung des vierzehnten Lebensjahres (§ 74 Abs 1 Z 1 StGB), an sich strafsatzbestimmend (§ 206 Abs 1 StGB) ist und jedes (noch) weitere Zurückbleiben des Lebensalters des (hier: zur Tatzeit neunjährigen – US 2) Opfers unter dieser Altersgrenze gemäß § 32 Abs 3 StGB strafschärfend wirkt (vgl RIS‑Justiz RS0090958 [insbesondere T3, T4]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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