OGH 1Ob241/16x

OGH1Ob241/16x10.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj T***** H***** (vormals E*****), geboren am ***** 2011, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters R***** H*****, vertreten durch Mag. Michaela Krankl, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 22. November 2016, GZ 2 R 283/16a‑164, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leibnitz vom 3. Oktober 2016, GZ 8 Ps 262/14g‑160, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00241.16X.0210.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der behauptete „Nichtigkeitsgrund“ liegt schon deshalb nicht vor, weil das Rekursgericht klargestellt hat, dass der Antrag auf gemeinsame Obsorge unabhängig davon, in welchem Haushalt das Kind überwiegend betreut werden soll, unberechtigt ist. Im Übrigen liegt kein Fall vor, in dem ein Begehren iSd § 56 Abs 1 AußStrG „unter Verzicht auf den Anspruch“ zurückgezogen wurde.

2. Im Zusammenhang mit dem Antrag des Vaters auf Einräumung der gemeinsamen Obsorge hat das Erstgericht unbekämpft festgestellt, dass er zwar grundlegende allgemeine pädagogische Kompetenzen für die Versorgung und Erziehung des Sohnes aufweist, jedoch nicht im ausreichenden Maße erkennen kann, dass durch die Kritik an der Betreuung durch die Mutter indirekt auch das Wohl des Kindes beeinträchtigt wird, wenngleich er subjektiv der Meinung ist, er handle ohnehin im Sinne des Kindeswohls. Ausgehend davon ist nicht erkennbar, inwieweit die von ihm begehrte ergänzende Feststellung relevant sein sollte, er habe nicht willkürliche Kritik an der Mutter geübt, sondern sich ernsthafte Sorgen um seinen Sohn gemacht. Dies wurde ja in der Sache ohnehin angenommen.

3. Wie der Revisionsrekurswerber selbst erkennt, soll zwar grundsätzlich die gemeinsame Obsorge beider Eltern angestrebt werden, doch kommt dies nur dann in Frage, wenn ein Mindestmaß an Kooperationsbereitschaft vorhanden ist und beide Elternteile bereit und in der Lage sind, an der gemeinsamen Erfüllung der mit der Obsorge verbundenen Aufgaben mitzuwirken (RIS‑Justiz RS0130248; RS0128812). Ob ein solches Mindestmaß an Verständnis und Kooperation vorhanden ist, ist stets eine Frage des Einzelfalls, sodass sich insoweit ein iSd § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage regelmäßig nicht stellt (RIS‑Justiz RS0128812 [T5, T8]). Wenn die Vorinstanzen unter Zugrundelegung der wechselseitigen Vorwürfe der Eltern, der immer wieder wechselnden Anträge des Vaters und insbesondere dem ausführlichen Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen im Ergebnis die Auffassung vertreten haben, dass die Voraussetzungen für eine gemeinsame Obsorge (noch) nicht vorliegen, kann darin eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung nicht gesehen werden. Entgegen der Auffassung des Vaters kann auch nicht gesagt werden, er habe durch die Rückziehung seines Antrags auf hauptsächlichen Aufenthalt bei ihm „bewiesen“, dass seine damals begründeten Ängste „einer schlechten Versorgung durch die Mutter“ ausgeräumt worden sind.

4. Im Zusammenhang mit dem Recht des Vaters auf – insgesamt zweiwöchigen – Kontakt in den Sommerferien moniert der Revisionsrekurswerber, ihm werde trotz der guten Bindung des Kindes zu ihm nicht einmal zugebilligt, insgesamt zwei durchgehende Urlaubswochen mit seinem Kind erleben zu dürfen. Dabei übersieht er offenbar, dass das Rekursgericht ausdrücklich darauf verwiesen hat, er habe selbst ein (nur) „zweiwöchiges Sommerferienkontaktrecht“ begehrt und dabei darauf hingewiesen, es sei egal, ob die 14 Tage am Stück oder auf zwei Wochen aufgeteilt sind. Inwiefern die angefochtene Entscheidung unter diesen – nicht in Frage gestellten – Umständen unrichtig sein sollte, ist nicht erkennbar.

Auch sonst vermag der Revisionsrekurswerber keine gravierenden Bedenken gegen die Entscheidungen der Vorinstanzen zu erwecken, die davon ausgegangen sind, es entspreche dem Kindeswohl besser, wichtige Feiertage und den Geburtstag ungestört im Haushalt des „erziehungsberechtigten“ Elternteils zu verbringen. In diesem Zusammenhang ist weiters zu berücksichtigen, dass die Mutter mit dem Kind erst vor rund zwei Jahren in die Steiermark übersiedelt ist und dort seit kurzem mit einem neuen Ehemann zusammenlebt. Wenn der Vater meint, das Kind solle nach Meinung des Rekursgerichts nie mit dem Vater ein Weihnachtsfest oder Ostern erleben, zeigt er einerseits nicht auf, warum das Verbringen der Feiertage beim Vater dem Kindeswohl besser entsprechen sollte, und geht zudem zu Unrecht davon aus, dass die auf die derzeitigen Verhältnisse bezogenen Entscheidungen der Vorinstanzen unabänderlich wären.

5. Auch im Hinblick auf die Besuchskontakte an den Wochenenden liegt eine Einzelfallentscheidung vor, die keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft. Ob das Wochenendkontaktrecht am Sonntag um 16:30 Uhr – oder nach den Vorstellungen des Vaters erst um 19:00 Uhr – enden soll, ist nicht zuletzt vom Alter des Kindes abhängig, das erfahrungsgemäß auch eine gewisse Zeit braucht, um in seiner regelmäßigen Wohnumgebung wieder „anzukommen“. Im Übrigen hindert die gerichtliche Entscheidung keineswegs eine abweichende Absprache der Eltern im Einzelfall, etwa an besonders heißen Tagen im Sommer.

Schwer verständlich sind schließlich die Ausführungen zu jenen Wochenenden, an denen die Mutter das Kind in Wien zu übergeben hat. Wenn der Revisionsrekurswerber davon spricht, dass auch die Rückgabe des Kindes „an jenem Wochenende, wo die Mutter ohnehin in Wien ist“, in Wien erfolgen soll, geht er ersichtlich von einem nicht festgestellten Sachverhalt aus, gibt es doch keine Feststellungen dahin, dass die Mutter diese Wochenenden in Wien verbringt. Sollten sich aber derartige Konstellationen in Zukunft (regelmäßig) ergeben, käme durchaus eine Modifikation des Kontaktrechts in der Form in Betracht, dass die Mutter bei ihrer Rückkehr von Wien in die Steiermark das Kind wieder mitnimmt und so dem Vater unnötigen Reiseaufwand erspart.

6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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