European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00191.16A.0126.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der zweit- und drittklagenden Partei die mit je 360,06 EUR (darin enthalten je 60,01 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Begründung:
Die Erstklägerin ist die Witwe nach dem bei einem Verkehrsunfall am 23. 2. 2013 getöteten S***** E*****, die Zweitklägerin und der Drittkläger sind dessen Kinder. Der Erstbeklagte hat ein Verschulden von zwei Dritteln am Unfall zu verantworten, die Zweitbeklagte war Haftpflichtversicherer des vom Erstbeklagten gelenkten Kraftfahrzeugs.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr der auf § 1327 ABGB gegründete Schadenersatzanspruch der Kinder für den Zeitraum Februar 2013 bis September 2014.
Das Berufungsgericht führte aus, Unterhaltsleistungen seien für jeden Berechtigten gesondert festzusetzen. Kinder über 15 Jahren hätten einen Unterhaltsanspruch von 22 %. Maßgebend für die Berechnung des Schadens im Sinn des § 1327 ABGB sei die tatsächliche Unterhaltsleistung, sofern nicht behauptet werde und hervorkomme, dass der Getötete weniger geleistet habe, als seiner Verpflichtung entsprochen hätte (RIS‑Justiz RS0031321). Der gesetzliche Unterhaltsanspruch sei als Mindestanspruch nach § 1327 ABGB anzusehen (RIS‑Justiz RS0112431). Dass auch die Mutter einen Teil des Unterhalts abzudecken habe und sie ihrerseits einen Unterhaltsanspruch gegen den Verstorbenen gehabt habe, sei von den Klägern insofern berücksichtigt worden, als nicht 22 %, sondern 19 % des Nettoeinkommens des verstorbenen Vaters geltend gemacht worden seien.
Damit ergebe sich folgende Schadensberechnung für jedes der beiden Kinder:
Schaden an entgangenem Unterhalt zuzüglich Dienstleistungen jährlich 11.600 EUR
davon zwei Drittel 7.733,33 EUR
abzüglich Waisenpension 4.664,38 EUR
verbleibender Direktanspruch 3.068,95 EUR.
Das ergebe einen monatlichen Direktanspruch von je 255,75 EUR und für den geltend gemachten Zeitraum von 19 Monaten einen Zuspruch von je 4.859,25 EUR.
Das Berufungsgericht ließ nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO die Revision zu, weil die Beklagten in ihrem Zulassungsantrag ausgeführt hätten, das Berufungsgericht sei von der höchstgerichtlichen Judikatur insbesondere deswegen abgewichen, weil außer Acht gelassen worden sei, dass auch die Erstklägerin wie der verunglückte Vater der Zweitklägerin und des Drittklägers gemäß § 140 ABGB zu dem von beiden Elternteilen geleisteten Naturalunterhalt anteilig beigetragen habe. Der Anteil der Mutter von 21,94 % (des Familieneinkommens) hätte berücksichtigt und entsprechend einem Anteil des verstorbenen Vaters von rund 78 % des Familieneinkommens der Unterhaltsanspruch gekürzt werden müssen. Es sei auch keine Judikatur ersichtlich, wonach bei Leistung des Naturalunterhalts zu Lebzeiten des Unterhaltspflichtigen ein über den gesetzlichen Geldunterhaltsanspruch hinausgehender Unterhalt in Form eines zusätzlichen Dienstleistungsschadens in Geld abzugelten sei.
Damit würden von den Revisionswerbern Argumente aufgezeigt, die es zumindest möglich erscheinen ließen, dass das Berufungsgericht von der höchstgerichtlichen Judikatur abgewichen sei bzw dass zu einem Teilaspekt (Dienstleistungsschaden) keine einschlägige höchstgerichtliche Judikatur vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Weder die Beklagten noch das Berufungsgericht haben eine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat die zitierte ständige oberstgerichtliche Judikatur auf den Fall angewandt. Eine Berechnung, wie sie die Revision vornimmt, die vom Unterhaltsanspruch der Kinder einen vom hinterbliebenen Elternteil geleisteten Unterhaltsanteil abzieht, ist der Judikatur fremd; dementsprechend können die Revisionswerber dafür auch keine Belegstellen anführen.
2. Maßgebend für den Ersatzanspruch der Kinder nach § 1327 ABGB ist, in welchem Umfang ihnen durch den Tod eines Elternteils Pflegeleistungen und Unterhaltsleistungen entgangen sind (RIS‑Justiz RS0031598). Bei der Bestimmung des Ersatzanspruchs wegen Entgangs der elterlichen Pflegeleistungen ist im Allgemeinen der konkrete tatsächliche Entgang der Pflegeleistungen zu ermitteln (RIS‑Justiz RS0031598 [T3]). Auch im Fall der Berufstätigkeit des Vaters und der Karenzierung der Mutter ist die Beschäftigung des Vaters mit dem Kind (beispielsweise Spielen) Betreuungsleistung des Vaters in Erfüllung seiner Unterhaltspflicht (RIS‑Justiz RS0031598 [T2]). Die von der Mutter im Rahmen der Haushaltsführung den Kindern erbrachten Pflegeleistungen sind als Beitragsleistungen zur Deckung der Unterhaltsbedürfnisse der Kinder anzusehen (vgl RIS‑Justiz RS0047321). Der Entgang von Wohnversorgung und der Entgang von Pflegeleistungen der Eltern begründen nicht Ansprüche mit selbständigem rechtlichen Schicksal, sondern stellen nur Posten eines gesamten Entgangs der Waisen dar, auf die die kongruenten Leistungen der Sozialversicherungsträger anzurechnen sind. Übersteigt der Entgang der Kinder an Barleistungen und Sachleistungen ihrer Eltern – ohne Wohnversorgung und Pflegeleistungen – die Sozialversicherungsrenten, kann den Kindern der Entgang von Wohnversorgung und Pflegeleistungen ohne Rücksicht auf die Waisenrenten in der vom Gericht als angemessen angesehene Höhe (§ 273 ZPO) zuerkannt werden (RIS‑Justiz RS0031647).
Aus der zitierten Judikatur ist ableitbar, dass es sich bei „Pflegeleistungen“ um Unterhaltsleistungen in anderer Form handelt.
Das Erstgericht hat festgestellt, dass der Getötete der Erstklägerin sowohl im Haushalt als auch im Garten geholfen hatte. Er hatte beim Wäschewaschen ebenso wie beim Einkauf oder beim Bringen der Kinder geholfen und auch anfallende Reparaturarbeiten geleistet.
Diese Leistungen des Getöteten sind zum Teil ausschließlich den Kindern, zum Teil allen Klägern gemeinsam zugute gekommen und sind daher als Unterhaltsbestandteil im Rahmen des § 1327 ABGB ersatzfähig („Dienstleistungsschaden“).
Das Berufungsgericht ist somit auch betreffend den Dienstleistungsschaden von bestehender oberstgerichtlicher Rechtsprechung nicht abgewichen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 46 Abs 2, 50 ZPO. Die Revisionsgegner haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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