OGH 7Ob220/16b

OGH7Ob220/16b25.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei M***** K*****, vertreten durch Mag. Andreas Schiestl, Rechtsanwalt in Fügen, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei DI H***** K*****, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterhalt, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei und Gegner der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 4. November 2016, GZ 2 R 279/16t‑9, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00220.16B.0125.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird gemäß § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die besondere Regelungsverfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO setzt die Verletzung der Unterhaltspflicht voraus (RIS‑Justiz RS0114824 [T6]). Im Provisorialverfahren sind Unterhaltsanspruch und Unterhaltsverletzung zu bescheinigen.

2. In der Rechtsprechung ist gesichert, dass Gegenstand der in Rede stehenden Regelungsverfügung nicht bloß der notwendige Unterhalt, sondern der einstweilige angemessene Unterhalt ist (RIS‑Justiz RS0127789). Unterhaltsansprüche (hier auf der Grundlage nach § 94 ABGB) werden somit im Haupt‑ und im Provisorialverfahren nach denselben materiell‑rechtlichen Grundlagen bemessen (RIS‑Justiz RS0127789 [T3]). Dementsprechend wird auch bei der Festsetzung des einstweiligen Unterhalts auf die in der Rechtsprechung (vor allem für durchschnittliche Verhältnisse) entwickelte Prozentsatzmethode zurückgegriffen (8 Ob 49/16p). Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass bei beiderseitigen Einkünften dem weniger verdienenden Ehegatten 40 % des Familieneinkommens abzüglich seines Eigeneinkommens zustehen (vgl RIS‑Justiz RS0012492; RS0009722).

Die vom Gegner der gefährdeten Partei aufgeworfene Frage, ob die gefährdete Partei im Hinblick auf ihren monatlichen Bezug von 1.239 EUR (Invaliditätspension und Pflegegeld) existenziell auf Geldunterhalt angewiesen ist, stellt sich vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen nicht. Gegen die Festlegung des angemessenen Unterhalts – unter Berücksichtigung weiterer Sorgepflichten – mit 34 % des Familieneinkommens abzüglich des Eigeneinkommens der gefährdeten Partei wendet sich der Revisionsrekurs nicht, wobei der von den Vorinstanzen unberücksichtigt gebliebene Pflegegeldbezug der an multipler Sklerose erkrankten gefährdeten Partei, die sich nur mit Rollator fortbewegen kann, entgegen der Ansicht des Gegners der gefährdeten Partei auch nicht als Eigeneinkommen zu werten ist, soweit damit ein Mehraufwand (Sonderbedarf) gedeckt wird (RIS‑Justiz RS0080395 [T13]).

3.1 Bei der Unterhaltsbemessung ist vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen in dem der Entscheidung unmittelbar vorangehenden Bezugszeitraum auszugehen; für die Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind stets die Einkommensbezüge während eines längeren Zeitraums heranzuziehen; das Einkommen für kürzere Zeiträume ist nur dann maßgebend, wenn es keine nennenswerten Schwankungen gibt (RIS‑Justiz RS0047509), wobei von der Rechtsprechung – auch in Sicherungsverfahren (RIS‑Justiz RS0053251 [T4]) – bei selbständig Erwerbstätigen in der Regel das Durchschnittseinkommen der letzten drei Jahre herangezogen wird (RIS‑Justiz RS0053251 [T6, T10]).

3.2 Als Unterhaltsbemessungsgrundlage ist der tatsächlich verbliebene Reingewinn heranzuziehen, wie er sich aus den realen Einnahmen nach Abzug realer Betriebsausgaben sowie der Zahlungspflicht für einkommens‑und betriebsgebundene Steuern und öffentliche Abgaben ergibt. Für selbständige Unternehmer, die Unterhaltsschuldner sind, gilt jedoch grundsätzlich, dass auch Rücklagen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind. Derartige Rücklagen sind vermögensbildend und erhöhen den Wert des Unternehmens. Dies kann dann nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten gehen, wenn keine unternehmerischen Gründe für eine Rücklagenbildung sprechen. Werden etwa Gewinne einer KG (oder GmbH) freiwillig nicht ausgeschüttet, ist dies nicht als jedenfalls gerechtfertigt und damit unterhaltsmildernd anzusehen, weil die Belassung von Kapital in einem Unternehmen nicht unbedingt eine besonders gewinnbringende Art der Kapitalveranlagung ist (1 Ob 180/15z mwN).

Die Beurteilung der Vorinstanzen, der Unterhaltsbemessungsgrundlage, die vom Gegner der gefährdeten Partei als Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH nicht entnommenen (Bilanz‑)Gewinne der der Antragstellung vorangegangenen Jahre zugrundezulegen, hält sich im Rahmen der oben dargestellten oberstgerichtlichen Rechtsprechung.

3.3 Die im Rekurs aufgestellten Behauptungen des Gegners der gefährdeten Partei zu den wesentlichen Gründen der Nichtausschüttung, nämlich die Ausstattung mit ausreichendem Eigenkapital, konnten vom Rekursgericht schon wegen des auch für das Rechtsmittelverfahren in einem Provisorialverfahren herrschenden Neuerungsverbot keine Berücksichtigung finden (RIS‑Justiz RS0002445). Abgesehen davon blieb sein Vorbringen ohnehin unsubstantiiert.

4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

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