OGH 13Os121/16t

OGH13Os121/16t25.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Jänner 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jorda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hassan B***** wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 und 3, Abs 4 erster Fall FPG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 29. Juni 2016, GZ 12 Hv 30/16i‑27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00121.16T.0125.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde, soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung, Hassan B***** des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 und 3, Abs 4 erster Fall FPG „idF BGBl I Nr 100/2005“, richtig: idF BGBl I 2015/121 (I) und des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 und Abs 4 erster Fall FPG (III) schuldig erkannt.

Danach hat er in N***** und anderen Orten des österreichischen Bundesgebiets im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Diljeet S***** und weiteren Personen als Mittäter (§ 12 StGB) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung

(I) am 27. August 2015 die rechtswidrige Ein- sowie Durchreise von fünf syrischen, sieben irakischen und 17 afghanischen Staatsangehörigen, die zum Aufenthalt in der Europäischen Union nicht berechtigt waren, in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich durch ein dafür versprochenes Entgelt von 500 Euro sowie allgemein die kriminelle Vereinigung durch das von den Fremden geleistete Entgelt (unrechtmäßig, US 7) zu bereichern, indem er die Fremden in der Nähe der ungarisch‑serbischen Grenze in den Laderaum eines von ihm gelenkten Fahrzeugs (Ausmaße 3,4 m lang, 1,7 m breit und 1,9 m hoch) steigen ließ und nach Österreich brachte, wobei er die Tat auf eine Art und Weise beging, durch die die Fremden längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden, weil sie ohne Pause und ohne Möglichkeit ihre Notdurft zu verrichten in einem bis auf ein kleines vergittertes Fenster zum Fahrerplatz völlig geschlossenen Laderaum des Fahrzeugs auf einer Fläche von 5,78 m² (Platz pro Erwachsenen 0,22 m²) etwa vier Stunden verharren mussten;

(III) vom 23. bis zum 24. April 2016 die rechtswidrige Ein‑ oder Durchreise von sechs Fremden, die zum Aufenthalt in der Europäischen Union nicht berechtigt waren, in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich gegen ein noch zu leistendes Entgelt von 200 Euro sowie allgemein die kriminelle Vereinigung durch das von den Fremden geleistete Entgelt unrechtmäßig (US 9) zu bereichern, indem er die Genannten von G***** mit einem PKW nach Österreich brachte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 und 9 (lit) a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Die zuerst vorgetragene Rüge (nominell Z 5, der Sache nach Z 3) spricht mit der behaupteten Divergenz zwischen verkündetem Urteil und Urteilsausfertigung keinen relevanten Umstand an. Ob die Fremden im Laderaum des LKW „vier bis fünf Stunden“ oder „fünf bis sechs Stunden“ ausharren mussten, ist weder für die Subsumtion noch für die Abgrenzung von anderen Taten von Bedeutung.

Nach den getroffenen Feststellungen wollte der Angeklagte nicht nur sich selbst, sondern auch allgemein die kriminelle Vereinigung durch das von den Fremden geleistete Entgelt unrechtmäßig bereichern (US 7, 9). Mit der isolierten Kritik an den die persönliche Bereicherung des Angeklagten betreffenden Feststellungen spricht die Mängelrüge (Z 5) von vornherein keinen entscheidenden Umstand an (vgl aber RIS‑Justiz RS0106268).

Soweit das Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; US 2 f) die Beschaffenheit der Trennwand betrifft, besteht kein rechtserheblicher Widerspruch zu den Feststellungen in den Urteilsgründen.

Mit dem Hinweis auf eine Rechnung, wonach der Angeklagte mit dem (um 21:45 Uhr in P***** sichergestellten) Fahrzeug um 17:36 Uhr noch in B***** (richtig: auf der Autobahn M5 bei Kilometer 151, 5 [ON 2 in ON 19 S 207]) getankt habe, zeigt die Rüge (Z 5 zweiter Fall) keinen gegen die Feststellung entscheidender Tatsachen sprechenden Umstand auf. Weshalb sich mit Blick auf die festgestellte Abholung der Fremden von einem in der Nähe der serbischen Grenze liegenden Ort (US 6) eine jedenfalls kürzere Fahrzeit als die vom Erstgericht angenommene von vier (bis fünf) Stunden ergeben sollte, bleibt im Dunkeln.

Mit dem Einwand, die Tankrechnung stünde im Widerspruch zur mündlich verkündeten Fahrtzeit von fünf bis sechs Stunden, verfehlt die Mängelrüge den gesetzlichen Bezugspunkt der Anfechtung.

Ob die zwischen Laderaum und Fahrerkabine befindliche Trennwand mit der Außenseite zu 100 % verbunden war, ist für die Annahme eines qualvollen Zustands der Fremden (§ 114 Abs 3 Z 3 FPG), die nach den Feststellungen während der Beförderung jedenfalls mehrere Stunden zusammengepfercht auf je 0,22 m 2 im Laderaum eines LKW verharren mussten und unter extremer Hitze und Sauerstoffmangel litten (US 6 f), ohne Bedeutung (vgl dazu RIS‑Justiz RS0106652 [T1]). Die diesbezüglichen Depositionen des Zeugen Thomas H***** blieben daher dem Vorbringen zuwider (Z 5 zweiter Fall) zu Recht unerörtert.

Gleiches gilt für einzelne Aussagen von Fremden, wonach sie nur „wenig“ zu trinken bekommen hätten.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810).

Dem zuwider übergeht die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die Feststellungen zum Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung (US 7 und 9). Mit der Bezugnahme auf das Referat der entscheidenden Tatsachen bringt sie den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht prozessförmig zur Darstellung ( Fabrizy , StPO 12 § 260 Rz 2).

Weshalb die Feststellungen zur Intention des Angeklagten, sich selbst und die kriminelle Vereinigung durch das von den Fremden geleistete Entgelt unrechtmäßig zu bereichern (US 7 und 9), zur rechtlichen Annahme der diesbezüglichen Komponente der subjektiven Tatseite nicht genügen sollte, lässt die Rüge offen.

Indem sich das weitere Beschwerdevorbringen nicht am festgestellten Vorsatz des Angeklagten orientiert, entzieht es sich ebenfalls einer inhaltlichen Erwiderung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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