OGH 10ObS143/16a

OGH10ObS143/16a20.12.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Hofrat Dr. Schramm als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Mag. Herwig Holzer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist‑Straße 1, 1021 Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 9. September 2016, GZ 10 Rs 82/16a‑64, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00143.16A.1220.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

1. In der Zulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend, das Berufungsurteil beruhe auf einem unschlüssigen Sachverständigengutachten. Der Sachverständige aus dem Bereich der inneren Medizin sei trotz der zusätzlichen Diagnosen chronischer Hepatitis C, (zum Tod führender) Leberzirrhose und negativer Viruslast in seinem Ergänzungsgutachten bei seiner ursprünglichen Einschätzung des dem Kläger verbliebenen Leistungskalküls geblieben. Abgesehen davon, dass auf diese Weise erheblicher Verhandlungsstoff außer Acht gelassen worden sei, verstoße die Nichtänderung des Leistungskalküls bei einer veränderten Diagnose zwingenden Denkgesetzen. Der in der Berufung geltend gemachte Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens sei vom Berufungsgericht mit einer nicht durch die Aktenlage gedeckten Begründung verneint worden.

Rechtliche Beurteilung

2. Das Berufungsgericht hat sich mit diesem angeblichen Mangel des Verfahrens erster Instanz nachvollziehbar auseinandergesetzt und darauf hingewiesen, dass der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten – in Kenntnis der zusätzlichen Diagnosen – nach ergänzenden Untersuchungen des Klägers zum Ergebnis gelangt sei, dass sich an seiner Einschätzung des dem Kläger verbliebenen Leistungskalküls nichts ändere. Auch eine wechselseitige Leidensbeeinflussung wurde ausgeschlossen. Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof somit einen bereits vom Berufungsgericht verneinten Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens geltend, was nach ständiger Rechtsprechung ausgeschlossen ist (RIS‑Justiz RS0042963), und zwar auch in Sozialrechtssachen (RIS‑Justiz RS0043061). Der Grundsatz, dass im Revisionsverfahren ein Eingehen auf eine vom Rechtsmittelwerber (neuerlich) geltend gemachte angebliche Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens nicht möglich ist, kann auch nicht mit der Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei deshalb mangelhaft geblieben, weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei (RIS‑Justiz RS0042963 [T58]; RS0043061 [T18]). Eine durch die Aktenlage nicht gedeckte Verneinung des geltend gemachten Verfahrensmangels erster Instanz durch das Berufungsgericht liegt nicht vor (RIS‑Justiz RS0043166), ebenso wenig ein Verstoß des ergänzenden Gutachtens des Sachverständigen gegen Denkgesetze. Beschränkt sich nämlich der Sachverständige im Rahmen seiner Erkenntnisquellen und Schlussfolgerungen auf die Beurteilung naturwissenschaftlicher, medizinischer Fragen, so liegt darin kein Verstoß gegen die Denkgesetze (RIS‑Justiz RS0043404 [T2]).

3. Auch der angebliche Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens, wonach das Erstgericht seine Manuduktionspflicht verletzt und den Kläger mit einer „Überraschungsentscheidung“ konfrontiert habe, wurde vom Berufungsgericht verneint, weshalb er nicht mehr mit Erfolg im Revisionsverfahren aufgegriffen werden kann (RIS‑Justiz RS0043172 [T2]).

4. Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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