OGH 14Os109/16k

OGH14Os109/16k20.12.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Dezember 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Oeljeschläger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Igor L***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. August 2016, GZ 042 Hv 75/15b‑131, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0140OS00109.16K.1220.000

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II./, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Igor L***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./) und des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 26. Dezember 2013 in W*****

I./ mit einer unmündigen Person, nämlich der am 13. September 2009 geborenen Isabella P***** eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er ihr einen seiner Finger an die Scheide ansetzte, um diesen vaginal einzuführen;

II./ durch die zu I./ beschriebene Handlung mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser eine geschlechtliche Handlung vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und „9a“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt.

Zutreffend zeigt die Beschwerde (nominell Z 9 lit a, im Hinblick auf die Tateinheit mit I./ der Sache nach Z 10; vgl RIS‑Justiz RS0099947) auf, dass die Tatrichter zum Schuldspruch II./ keine Feststellungen zu einem auf ein Ausnützen seiner (Autoritäts-)Stellung im Sinn des § 212 Abs 1 Z 2 StGB gerichteten Vorsatz des Angeklagten getroffen haben.

Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen macht die Urteilsaufhebung in dem im Spruch ersichtlichen Umfang bereits bei nichtöffentlicher Beratung unvermeidlich (§ 285e StPO). Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die weitere Beschwerdeargumentation zum Schuldspruch II./.

Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die Ausnützung des Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB in objektiver Hinsicht ein gezieltes, für den Erfolg kausales Täterverhalten im Sinn eines Einsatzes dieser Autorität voraussetzt; bloße Ausnützung einer sich lediglich im Zusammenhang mit der Stellung des Täters bietenden Gelegenheit reicht nicht, wohl aber ein dem Täter wie dem Opfer bewusster schlüssiger Einsatz des Abhängigkeitsverhältnisses (RIS‑Justiz RS0095185; Philipp in WK² StGB § 212 Rz 9 f mwN). Hinreichende Urteilsannahmen dazu hat das Schöffengericht, das ersichtlich davon ausgegangen ist, dass schon das Bestehen eines (hier:) Aufsichtsverhältnisses die Tatbeurteilung nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB ermögliche, nicht getroffen.

Der gegen den Schuldspruch I./ gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde kommt hingegen keine Berechtigung zu.

Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider leiteten die Tatrichter die Konstatierungen zur intendierten Penetration – den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend (vgl RIS‑Justiz RS0116732, RS0118317) – aus der Art der vom Opfer erlittenen Verletzung (US 8 und 12) und dem Tathergang (US 12) ab.

Soweit die Beschwerde eine Begründung zum konstatierten Wissen des Angeklagten um die Unmündigkeit des Opfers vermisst, hält sie prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe fest (vgl RIS‑Justiz RS0119370). Danach handelte es sich bei Isabella P***** um die „Stiefenkeltochter“ des Angeklagten, auf welche dieser nach ihrer Geburt bei seinen Besuchen in W***** „etwa einmal im Monat immer wieder“ aufpasste (US 4 f).

Ob der Angeklagte seine Aufsichtsfunktion erkannte, ist – der weiteren Beschwerde zuwider – für die Subsumtion nach § 206 Abs 1 StGB nicht entscheidend (vgl im Übrigen dazu US 6).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher insoweit bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Kassation des Strafausspruchs zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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