OGH 1Ob210/16p

OGH1Ob210/16p20.12.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin M***** K*****, vertreten durch Dr. Hugo Haslwanter, Rechtsanwalt in Telfs, gegen den Antragsgegner Ing. R***** K*****, vertreten durch Mag. Paul Hechenberger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, hier wegen Verhängung einer Beugestrafe nach § 79 Abs 2 AußStrG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 22. Juli 2016, GZ 53 R 99/16x-40, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Telfs vom 6. Juni 2016, GZ 1 Fam 67/13t‑36, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00210.16P.1220.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

In dem zwischen den Parteien anhängigen Aufteilungsverfahren forderte der beigezogene Sachverständige den Antragsgegner mehrfach auf, bestimmte Urkunden vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. Er – und nicht das Erstgericht – setzte dafür eine zehntägige Frist und teilte mit, er werde bei Nichtwahrnehmung dieser Frist das Gericht verständigen, dieses könne über den Antragsgegner eine Beugestrafe verhängen. Nach Verstreichen der vom Sachverständigen gesetzten Frist verhängte das Erstgericht von Amts wegen eine Beugestrafe in Höhe von 3.000 EUR gemäß § 79 AußStrG und trug dem Antragsgegner gleichzeitig auf, die vom Sachverständigen „mit Schreiben vom 15. April 2016 aufgeschlüsselt nachgeforderten Unterlagen bis spätestens 24. Juni 2016 nachzuliefern“. Die Verhängung der Beugestrafe gründete das Erstgericht darauf, dass die Aufträge des vom Gericht bestellten Sachverständigen mit einer vom Gericht getroffenen Verfügung gleichzusetzen seien.

Das Rekursgericht hob über den vom Antragsgegner erhobenen Rekurs diesen Beschluss ersatzlos auf und sprach aus, der Revisionsrekurs sei zulässig, weil ungeklärt sei, ob auch in Verfahren über vermögensrechtliche Ansprüche, in denen sich die Parteien kontradiktorisch gegenüberständen, die Verhängung einer Beugestrafe zulässig sei. Es erläuterte, es wäre § 359 Abs 2 ZPO iVm § 35 AußStrG sinngemäß anzuwenden gewesen. Danach habe der Sachverständige, wenn er die Mitwirkung der Partei benötige und diese trotz Aufforderung nicht unverzüglich geleistet werde, diesen Umstand dem Gericht unter genauer Auflistung der erforderlichen Mitwirkungshandlungen und entgegenstehender Hindernisse mitzuteilen. Das Gericht habe sodann mit abgesondert nicht anfechtbarem Beschluss den Parteien das Erforderliche aufzutragen und ihnen hiefür eine angemessene Frist zu setzen. Bei Verstreichen der Frist habe der Sachverständige in der Folge sein Gutachten ohne Berücksichtigung des Fehlenden zu erstatten. Im hier vorliegenden Verfahren habe das Erstgericht aber sogleich aufgrund der Meldung des Sachverständigen eine Beugestrafe verhängt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) unzulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung setzt jedes Rechtsmittel für seine Zulässigkeit eine Beschwer – also ein Anfechtungsinteresse – voraus (RIS‑Justiz RS0002495). Angesichts der von Amts wegen verhängten Beugestrafe ist zu prüfen, ob die Antragstellerin durch die Aufhebung der Beugestrafe gegen ihren Gegner materiell beschwert ist, dh ob sie durch die Entscheidung des Rekursgerichts in ihren rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt wird ( Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 45 Rz 50; RIS‑Justiz RS0006641; RS0041868, [insbes T7], zum Außerstreitverfahren [insbes T19]). Dies ist hier zu verneinen:

Für den Fortgang des Verfahrens notwendige Verfügungen – so etwa nach § 31 Abs 5 AußStrG erteilte Editionsaufträge – hat das Gericht gemäß § 79 Abs 1 AußStrG gegenüber Personen, die sie unbefolgt lassen, von Amts wegen durch angemessene Zwangsmittel durchzusetzen. Zwar kann vom Gericht den Parteien auch die unmittelbare Vorlage und damit nicht über den Umweg über das Gericht, sondern direkt an den Sachverständigen aufgetragen werden (vgl 9 Ob 342/97b; 6 Ob 321/01a), jedoch kommt dem Sachverständigen nicht die Befugnis zu, den Parteien an Stelle des Gerichts eine Verpflichtung aufzuerlegen. Das Erstgericht war hier der unrichtigen Ansicht, es könne – ohne selbst einen Auftrag erteilt zu haben – bloß aufgrund einer Aufforderung durch den Sachverständigen eine Beugestrafe verhängen. Für die Verhängung einer Beugestrafe fehlt hier die Grundlage, nämlich ein zeitlich davor (und nicht gleichzeitig wie sich aus dem Wortlaut des § 79 Abs 1 AußStrG ergibt: „unbefolgt lassen“) erlassener und im Übrigen ausreichend konkret gefasster (dh die Urkunden bezeichnender) Beschluss des Gerichts, dessen Missachtung überhaupt erst strafbewehrt sein könnte. Schon deswegen mangelt es der Antragstellerin an der Beschwer durch die Aufhebung der Beugestrafe in zweiter Instanz. Steht nämlich hinter der – allein den Bestraften belastenden – Beugestrafe gar kein durchzusetzender Beschluss des Gerichts, wird durch die ersatzlose Aufhebung der Strafe die Rechtsstellung der Antragstellerin im Verfahren nicht verschlechtert. Ob sich eine Beschwer der Antragstellerin daraus ergeben könnte, dass durch die Aufhebung einer (rechtmäßigen) Beugestrafe eine vom Gericht angeordnete Verfügung nicht durchgesetzt würde, kann hier dahinstehen. Ihr Rechtsmittel ist daher als unzulässig zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0041770; RS0006880; RS0006598).

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