OGH 14Os100/16m

OGH14Os100/16m20.12.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Dezember 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Oeljeschläger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Isuf H***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter und dritter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 21. Juli 2016, GZ 13 Hv 43/16a‑25, weiters über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0140OS00100.16M.1220.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der den Schuldsprüchen A und B zu Grunde liegenden Taten jeweils nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG und zu B auch in jener nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG, in der zum Schuldspruch B gebildeten

Subsumtionseinheit, im Schuldspruch C, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Einziehungserkenntnis sowie der Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft, letztere auch mit ihrer Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier wesentlich – Isuf H***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und „fünfter“ (richtig: dritter) Fall, Abs 2 Z „3“ (richtig: Z 2), Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter und dritter Fall StGB (A), „der Verbrechen“ (richtig [vgl RIS‑Justiz RS0117464]: des Verbrechens) des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (B) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (C) schuldig erkannt.

Danach hat er teils im einverständlichen Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Faton S*****, Luan A***** und Jeton Sa***** sowie Dominic Hö*****, teils alleine

A) von August/September bis Dezember 2015 vorschriftswidrig Suchtgift als Mitglied einer kriminellen Vereinigung in einer das 25‑fache der Grenzmenge übersteigenden Menge von Holland aus‑ und nach Österreich eingeführt, andere zur Aus‑ und Einfuhr bestimmt und dazu beigetragen, indem er

‑ die Lieferung von „2.000 bis 3.000“ Stück „XTC‑Tabletten“ der Marken Blaue Medusa, Diamanten und Volcom mit einem durchschnittlichen Gewicht von 0,27 Gramm pro Stück und einem Reinheitsgehalt von 27,5 % MDMA, von „ca“ 3,5 Kilogramm Amphetamin mit einem Reinheitsgehalt von 11,9 % und von unbekannten Mengen „Gras“ mit einem Reinheitsgehalt von 16 % THCA „bzw“ 1,22 % Delta‑9‑THC von Holland nach Österreich in Auftrag gab,

‑ zumindest 1.000 Gramm Haschisch mit zumindest 5 % THCA von Holland nach Österreich brachte und

‑ die gemeinsame Fahrt zur Einfuhr von 1.006 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 42,3 %, 1.943,7 Gramm Haschisch mit einem Reinheitsgehalt von 5,6 % THCA sowie 857 „XTC‑Tabletten“ mit einem Reinheitsgehalt von 27,8 % MDMA von Holland nach Österreich organisierte, das Suchtgift in Folie einschweißte, sodann im Himmel eines von Jeton Sa***** gelenkten PKWs einbaute und den Transport gemeinsam mit Faton S***** mit dessen PKW begleitete;

B) „ab Sommer 2014 vorschriftswidrig Suchtgift als Mitglied einer kriminellen Vereinigung in einer das 25‑fache der Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er ca 375 Gramm Gras mit einem Reinheitsgehalt von 16 % THCA sowie 15 Gramm Haschisch mit einem Reinheitsgehalt von ca 5 % THCA an Simeon Ernst P***** übergab, 300 bis 400 Gramm Haschisch mit einem Reinheitsgehalt von ca 5 % THCA sowie 250 Gramm Gras mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 5 % THCA an Emanuel Sascha E***** verkaufte, unbekannte Mengen Suchtmittel über Christoph Sc***** an Michael He***** weitergab, zirka 800 bis 1.000 Gramm Speed mit einem Reinheitsgehalt von 11,9 % Amphetamin sowie ca 1.000 bis 1.200 Stück XTC mit einem durchschnittlichen Gewicht von ca 0,27 Gramm und einem Reinheitsgehalt von 27,5 % MDMA an bislang unbekannte Personen verkaufte sowie 20 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 16 % THCA bzw 1,22 % Delta‑9‑THC an Michael Hu*****“;

C) „Suchtgift, nämlich Cannabiskraut, erworben und besessen“.

Die dagegen unmittelbar nach der Urteilsverkündung angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wurde am 12. September 2016 von dessen zugleich namhaft gemachtem neuen Wahlverteidiger ausgeführt. Auf die am 13. September 2016 eingebrachte weitere Beschwerdeschrift, die vom zuvor gemäß § 61 Abs 2 StPO bestellten Verfahrenshilfeverteidiger verfasst wurde, war keine Rücksicht zu nehmen, weil das Gesetz nur eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde zulässt (Ratz, WK‑StPO § 285 Rz 6 und 7; vgl im Übrigen auch § 62 Abs 4 StPO).

Rechtliche Beurteilung

Der ausschließlich gegen die Annahme der Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG gerichteten, auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützten (vom Wahlverteidiger ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

In Betreff des Schuldspruchs A ist die eingeführte Menge an Trockenmasse Amphetamin und dessen Reinheitsgehalt mit Blick auf das nach den weiteren Feststellungen davon unabhängige Überschreiten der 25‑fachen Grenzmenge (vgl nur den konstatierten Beitrag des Angeklagten zur Einfuhr von 1.006 Gramm Kokain [Reinheitsgehalt von 42,3 %, Reinsubstanz etwa 425 Gramm Cocain]; US 2, 6) nicht

entscheidend und scheidet daher als Bezugspunkt der Tatsachenrüge aus (RIS‑Justiz RS0117499).

Soweit die Beschwerde (ersichtlich zum Schuldspruch B) auch die Überlassung von mehr als „2 kg Trockenmasse Amphetamin“ an andere bestreitet und behauptet, der konstatierte Reinheitsgehalt von 11,9 % ergebe sich „in keinster Weise aus der Beweiswürdigung und den Feststellungen“ (der Sache nach Z 5 vierter Fall), geht sie einerseits nicht von den Sachverhaltsannahmen der Tatrichter aus, die insoweit ohnehin nur den Verkauf von „800 bis 1000 Gramm Speed“ als erwiesen ansahen (US 6 iVm US 2, US 11 f), und übergeht andererseits den begründenden Verweis auf den entsprechenden Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamts (US 11).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch – abermals in Übereinstimmung mit

der Stellungnahme

der Generalprokuratur – davon, dass dem Urteil mehrfach nicht geltend gemachte

Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a, Z 10 und Z 11 erster Fall StPO) zum Nachteil des Angeklagten anhaftet, die von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall

StPO):

Zum Schuldspruch B wurde die Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG auf Basis des Urteilssachverhalts zu Unrecht angenommen weil nicht das Überlassen eines das 25‑fache der Grenzmenge übersteigenden (sondern bloß eines etwa dem 14‑fachen entsprechenden) Suchtgiftquantums festgestellt wurde (Z 10).

Darüber hinaus stellt die Urteilsannahme, nach der sich der Beschwerdeführer mit anderen Personen zusammenschloss, „um über längere Zeit hindurch organisiert Suchtgift zu importieren, zu lagern und zu verkaufen“ (US 4), keine ausreichende

Sachverhaltsgrundlage für eine in der Begehung von in § 278 Abs 2 StGB genannten strafbaren Handlungen (demnach – soweit hier wesentlich – von Verbrechen) gelegene

kriminelle Zielsetzung der

Vereinigung dar und reicht demnach für die Annahme der Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG zu den Schuldsprüchen A und B nicht aus (Z 10; für viele: 14 Os 83/14h).

Zum Schuldspruch C fehlen Feststellungen sowohl zum Tatbildmerkmal „vorschriftswidrig“ als auch zu einem darauf bezogenen Vorsatz des Angeklagten (Z 9 lit a [Litzka/Matzka/Zeder, SMG² § 27 Rz 3; RIS‑Justiz RS0087860]).

Das Einziehungserkenntnis determiniert mit der bloßen Bezugnahme auf das „sichergestellte Suchtgift“ (US 3) den Gegenstand der Einziehung nicht hinreichend (Z 11 erster Fall; für viele: 14 Os 42/12a).

Diese Rechtsfehler mangels Feststellungen

machen die

Aufhebung des Urteils im aus dem

Spruch ersichtlichen Umfang sowie des gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschlusses auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) und insoweit die Verweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht erforderlich.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung und der Beschwerde auf diese Entscheidung zu verweisen.

Der Kostenausspruch, der sich nicht auf die amtswegige Maßnahme bezieht (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Im zweiten Rechtsgang werden zum Schuldspruch B die zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlichen Feststellungen zu treffen sein, welche konkreten Suchtgiftmengen in Bezug auf die Reinsubstanz der Angeklagte anderen zumindest überließ.

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